Der Boxsport muss einen der größten Skandale der vergangenen Jahre verkraften. Am späten Freitagabend wurde der für Pfingstsonnabend in Helsinki geplante Schwergewichts-WM-Kampf zwischen dem Russen Nikolai Valuev (35, Sauerland-Team) und dem für den Hamburger Universum-Stall boxenden Usbeken Ruslan Chagaev (30) abgesagt.

Helsinki. Der für die Sanktionierung des Duells zuständige finnische Verband sagte in Person des Vorsitzenden Pertti Augustin den Kampf ab, weil Chagaev die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle.

Der Kampf stand am Freitagmittag bei der obligatorischen Regel-Besprechung plötzlich auf der Kippe, nachdem ein von Valuevs Berliner Sauerland-Team geforderter und am Donnerstag durchgeführter Nachtest auf Hepatitis B bei Chagaev eine geringfügige Ansteckungsgefahr nachgewiesen hatte. Daraufhin hatte der finnische Verband nach stundenlangen Beratungen entschieden, das Duell nicht zu sanktionieren.

Chagaev, der in seinem Hotel abgeschirmt wurde, um von dem ganzen Trubel nicht abgelenkt zu werden, hatte sich vor fünf Jahren mit Hepatitis B infiziert. Nach seiner Genesung hatte ein medizinisches Gutachten ergeben, dass diese nicht ansteckend sei. Auf diese Werte berief sich auch Universum-Arzt Michael Ehnert, der stundenlang fieberhaft versuchte nachzuweisen, dass das deutsche Testverfahren genauer als das finnische ist. Davon ließ sich der finnische Verband jedoch nicht überzeugen – anders als der Weltverband WBA, der Chagaevs Kämpfe bislang trotz der Infektion sanktionierte.

In dem Rückkampf sollte geklärt werden, wer der wahre WBA-Weltmeister ist. Chagaev hatte Valuev im April 2007 in Stuttgart durch 2:1-Punktsieg als Champion entthront, allerdings dann im April und Juli 2008 we-gen einer Grippe respektive eines Achillessehnenrisses den geplanten Rückkampf abgesagt. Daraufhin hatte die WBA Valuev gestattet, um den Interims-Titel zu boxen, und den Russen nach sei-nem Sieg gegen John Ruiz (USA) im August zum Weltmeister erklärt. Chagaev galt bis zu sei-nem Comeback im Februar als „Weltmeister im Wartestand“, der Zusatz „im Wartestand“ wurde jedoch nach seinem Sieg über Carl Davis Drumond (Costa Rica) gestrichen. Wie es nun mit dem Titel weitergeht, konnte der in Helsinki anwesende WBA-Delegierte George Martinez nicht sagen. „Darüber werden wir in den nächsten Tagen beraten“, sagte er.

Promoter Wilfried Sauerland sagte: „Es tut uns sehr leid, dass der Kampf ausfällt. Aber wir müssen die Entscheidung des fin-nischen Verbands respektieren.“ Der Universum-Stall reagierte mit Unverständnis auf die Entscheidung: „Chagaev ist kampffä-hig, das haben die WBA und der deutsche Verband mehrfach bestätigt. Wir können die Entscheidung nicht verstehen und behal-ten uns alle Schritte vor“, sagte Sprecher Georg Nolte.