Hamburg. Die Fans des HSV müssen ihre Träume von der Rückkehr Thomas Gravesens (28) vorerst begraben. Gestern verhandelte Bernd Hoffmann erneut mit Evertons Chairman Bill Kenwright. Das Ergebnis: Kenwright teilte dem Hamburger Clubboss mit, dass die Engländer "unter keinen Umständen" bereit sind, den Mittelfeldspieler vorzeitig aus seinem Vertrag zu entlassen.
"Wir haben alles probiert, aber damit ist das Thema für diese Saison abgehakt", kommentierte Hoffmann das Scheitern seiner Mission. Zwar könnte Gravesen immer noch im nächsten Sommer ablösefrei an die Elbe wechseln, aber für Trainer Klaus Toppmöller ist die Absage Evertons angesichts des verunglückten Saisonstarts ein schwerer Rückschlag - der Trainer hatte zuletzt keinen Hehl daraus gemacht, dass der Däne sein Wunschspieler ist bei der Suche nach einem Antreiber, einem Motivator, der die zu brave Mannschaft mitreißt. Ein prominenter Neuzugang Marke Gravesen hätte zudem die bereits nach zwei Spieltagen geschwundene Euphorie im Umfeld neu entfachen können. Ob ein (womöglich teurer) Transfer von Razundara Tjikuzu (Rostock) für einen Stimmungsumschwung sorgen kann, darf getrost bezweifelt werden. Bis zum 31. August, dann endet die erste Transferperiode, hat Sportchef Dietmar Beiersdorfer nun noch Zeit, Verstärkungen zu finden.
Parallel dazu kämpft Toppmöller mit dem aktuellen Kader um die Wende - und greift dabei zu ungewöhnlichen Methoden. Gestern kündigte der HSV-Coach an, künftig bei den Spielern abendliche Kontrollanrufe einzuführen. Den Anstoß dazu gab ein Hinweis, dass diverse Spieler am vergangenen Mittwoch angeblich bis ein Uhr nachts noch im Lago-Beachclub gesehen wurden.
"Wenn die Spieler bis ein Uhr nachts unterwegs sind nützt das beste Training nichts", sagte Toppmöller, der Kontrollen in dieser Form bei seinen vorherigen Stationen noch nie einführen musste. "Bisher habe ich mich überall darauf verlassen können. Und Vertrauen ist gut, Kontrolle aber besser. Wir werden alles versuchen, um eine optimale Fitness herzustellen."
Beim HSV wird nun schon gezittert, wer die Kontroll-Anrufe übernehmen muss. Zum Kreis der Kandidaten gehören neben den Co-Trainern Werner Melzer und Ralf Zumdick auch Teammanager Marinus Bester und Pressesprecher Jörn Wolf. Fraglich jedoch ist der Sinn und die Durchführbarkeit solcher Aktionen. Wer möchte wirklich die Spieler anschwärzen? Und vertrauensfördernd ist so etwas auch nicht, entspricht zudem nicht der von der Clubführung angestrebten Philosophie. So gibt es im Mannschaftstrakt keine verschließbaren Spinde mehr, um das gegenseitige Vertrauen zu dokumentieren.
Toppmöller erhöht den Druck auf die Spieler, fordert von jedem einzelnen maximales Engagement, absolute Professionalität - wie bei den schon als künftige WM-Teilnehmer bezeichneten Christian Rahn und Björn Schlicke, die aber beim Neuanfang von Bundestrainer Jürgen Klinsmann keine Berücksichtigung fanden. "Von Christian muss einfach mehr kommen. Er muss auch mal eine Saison verletzungsfrei überstehen. Und wenn er eben gefährdet ist, muss er von sich aus mehr für seinen Body tun und vorbeugen." Schließlich würden in Deutschland sicher 100 000 andere Talente mit dem Kopf durch die Wand rennen, könnten sie so ihre Chance auf die WM 2006 nutzen . . .
Und während der Coach auch von Schlicke mehr Aggressivität und Biss fordert, sieht er in Benjamin Lauth ein Vorzeigebeispiel: "Ich glaube an seine Berufung. Der tut auch alles dafür." Und Lauth darf sich am Sonnabend nach seiner langen Verletzung im DFB-Pokal erstmals wieder präsentieren.