Vor der Eishockey-WM in der Schweiz, Beginn: 24. April, fordert der ehemalige NHL-Star mehr Zusammenarbeit zwischen den Klubs und dem Nationalteam.

Als die Pressesprecherin des Deutschen Eishockey-Bundes anruft, sitzt Uwe Krupp im Flugzeug Richtung Hamburg. Monika Svaczynová hatte den Bundestrainer zum Münchner Flughafen gebracht, im Auto liegen blieb der Blackberry des einstigen NHL-Stars. Weil der 43-Jährige sein deutsches Handy in Nordamerika vergessen hatte, droht die in Fuhlsbüttel geplante Zusammenkunft zum Problem zu werden. Dank des Sicherheitspersonals gelingt das Treffen am Kofferband.

Abendblatt:

Herr Krupp, sind Sie gestresst oder schusselig?

Uwe Krupp:

Wenn ich viel zu tun habe, kommt es mal vor, dass kleine Dinge auf der Strecke bleiben. Wenn mir solche Sachen passieren, ärgert es mich.

Abendblatt:

Erfüllen Sie in solchen Momenten nicht die Ansprüche, die Sie an sich selbst stellen?

Krupp:

Absolut, ich bin da Perfektionist. Wenn ich merke, dass mir so etwas passiert ist, werde ich so was von sauer auf mich, dann bin ich keine gute Gesellschaft.

Abendblatt:

Bis jetzt hatten wir keine Probleme.

Krupp:

Im Flugzeug war ich noch auf 180. Jetzt habe ich mich wieder gefangen.

Abendblatt:

Sie sind schließlich ein Mensch mit Vorbildfunktion, vor allem für Ihre Spieler.

Krupp:

Ich bin mir gar nicht mal so sicher, ob ich wirklich ein Vorbild für sie bin. Meine Erfolge sind ein Türöffner, aber langfristig reagieren sie darauf, wie du als Trainer agierst, nicht was du irgendwann mal erreicht hast.

Abendblatt:

Wie steht es um Ihr Verhältnis zu den Vereinen der Deutschen Eishockey-Liga? Es soll nicht immer das Beste sein.

Krupp:

Natürlich sind die Interessen der Nationalmannschaft nicht immer dieselben wie die der Liga. Ich mache aber meist das, was von mir gewünscht wird, ich bin kooperativ. Wenn es um die Olympia-Qualifikation geht, muss man aber mal das Nationalteam voranstellen.

Abendblatt:

So wie im Fall von Freezers-Stürmer Alexander Barta, den Klubboss Boris Capla nach seiner schweren Verletzung lieber geschont hätte.

Krupp:

Ich hatte Verständnis für die Meinung des Klubs, aber auf der anderen Seite ging es um die Olympia-Qualifikation Deutschlands. Wenn wir nicht den Sprung nach Vancouver geschafft hätten, wäre das fürs deutsche Eishockey und damit auch die Freezers ein schwerer Rückschlag gewesen. Alex selbst wollte unbedingt spielen und war ein ganz wichtiger Mann. Er macht uns besser.

Abendblatt:

Barta ist der einzige verbliebene Hamburger im vorläufigen Kader für die WM in der Schweiz. Nach den Verletzungen von John Tripp und Richard Mueller haben Sie auch noch Vitalij Aab aussortiert. Warum?

Krupp:

Vitalij hat in diesem Jahr einen Sprung gemacht, sich zu einem Leistungsträger im Klub entwickelt, und deshalb hatten wir ihn auch in der Vorbereitung mit dabei. Spieler aus dem Kader zu streichen ist immer schwer, aber man muss auch fair sein, und im Moment sehe ich einfach noch andere vor ihm.

Abendblatt:

Kritiker werfen Ihnen vor, gar nicht beurteilen zu können, wer wie gut in Deutschland spielt. Wegen Ihres Lebens in Nordamerika nennt man Sie auch schon mal den Jürgen Klinsmann des Eishockeys. Ärgert Sie das?

Krupp:

Ich weiß nicht mal, ob das ein Vorwurf ist. Man kann viel über Klinsmann sagen, aber nicht, dass er mit der Nationalmannschaft schlecht gearbeitet hat. Wenn man mir anbieten würde, einen genauso guten Job bei der Heim-WM 2010 wie Klinsmann 2006 zu machen, würde ich das sofort annehmen. Fakt ist, dass sich keiner so intensiv mit dem Nationalteam und unserer internationalen Stellung beschäftigt wie ich.

Abendblatt:

Während der Vorbereitung auf die WM in der Schweiz waren Sie jetzt mehrere Wochen in Deutschland präsent. Wie oft sind Sie im Alltag hier?

Krupp:

Ich bin jeden Monat mindestens für zehn Tage in Deutschland, dazu den ganzen Sommer. Ich verbringe also mehr Zeit hier als anderswo.

Abendblatt:

Sie sind der einzige deutsche Stanley-Cup-Gewinner. Tragen Sie Ihren Siegerring?

Krupp:

Nie, das ist ein Riesending, mit dem kannst du dich nirgendwo sehen lassen. Wenn du darauf angesprochen werden möchtest, ziehst du ihn an, aber das will ich nicht.

Abendblatt:

Brauchen Sie keine Statussymbole?

Krupp:

Den Stanley-Cup-Ring jedenfalls nicht, der liegt bei mir zu Hause zwischen den Socken. Wenn man hart arbeitet, sollte man sich auch mal was gönnen, sonst hat die ganze Sache keinen Sinn. Echte Statussymbole, glaube ich, brauche ich nicht.

Abendblatt:

Wo steht das deutsche Eishockey?

Krupp:

Zwischen dem zehnten und 14. Platz auf der Welt. Daran wird sich, wenn überhaupt, nur auf lange Sicht etwas ändern. Nachwuchskonzepte und Förderverpflichtungen müssten umgesetzt werden, so dass wir mehr Spieler und Spielerinnen haben, mehr Breite eben. Wir haben Metropolregionen, wo jetzt erst richtig begonnen wird, Nachwuchsarbeit zu leisten, zum Beispiel in Hamburg. Es dauert zehn Jahre, bis da ein sehr guter Spieler herauskommt. Leider gibt es keine schnelle Lösung.

Abendblatt:

Was bringt die Heim-WM 2010 dem deutschen Eishockey?

Krupp:

Erfolge bringen dem Sport immer etwas. Die Leute reden noch heute von der Bronzemedaille in Innsbruck 1976. Im Moment aber denke ich erst mal bis 2009.

Abendblatt:

Dennoch dürften Sie nach der Heim-WM einen Strich unter Ihre Bilanz ziehen. Wie geht es dann für Sie weiter?

Krupp:

Ich will mich jetzt auf die Dinge konzentrieren, die kurzfristig anstehen, aber um mit den führenden Nationen konkurrenzfähig zu sein, führt langfristig kein Weg an einer Strukturveränderung vorbei. In Deutschland gibt es vier Instanzen (DEL, DEB, ESBG, Landesverbände, die Red. ), von deren Entscheidungen die Qualität der Nationalmannschaft abhängt. Jeder kämpft da bislang verständlicherweise um seine Interessen, und wir stehen dann hinten an. Es müsste im deutschen Eishockey eine zentrale Stelle geben, die Bereiche wie Nachwuchsarbeit, Vermarktung und Ligenstruktur koordiniert. Sonst kann es uns passieren, dass der Abstand nach oben noch größer wird.

Interview: Dirk Steinbach