Neuer Nationaltrainer in England wird Roy Hodgson. Auf Begeisterung stößt die Nachricht im Land allerdings nicht unbedingt bei allen.

LONDON/MÜNCHEN. Roy Hodgson? Ja, in der Tat, Roy Hodgson. Gut fünf Wochen vor der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine sind sie nun in England endlich zu Potte zu kommen, genau genommen die Football Association (FA). Roy Hodgson, hat der englische Fußball-Verband am Dienstag mitgeteilt, ist unser Mann für den freien Posten des Nationaltrainers, er erhält einen Vierjahresvertrag. Am Sonntag war der Name von Hodgson durchgesickert, am Montag wurde verhandelt, 24 Stunden später hatte er den Job offiziell.

Roy Hodgson? Das Mutterland der populärsten Sportart der Welt ist, gelinde gesagt, überrascht. Als «erstaunlich» bezeichnete die Tageszeitung Daily Mail die Entscheidung der FA, den derzeitigen Teammanager des Premier-League-Klubs West Bromwich Albion zum ersten und einzigen Kandidaten für die Nachfolge von Fabio Capello zu machen. «Warum hat es Harry nicht bekommen?», fragte The Sun in Anspielung auf Harry Redknapp - der Teammanager von Tottenham Hotspur galt seit Capellos Abschied im Februar als einziger Anwärter auf den Posten.

FC Liverpool trennt sich von Trainer Hodgson

Es ist nicht so, dass Hodgson ein Unbekannter wäre. Der mittlerweile 64 Jahre alte Engländer hat eine seit mehr als 35 Jahren andauernde Karriere als Trainer hinter sich, er arbeitete unter anderem in Schweden und in Dänemark, in Italien bei Inter Mailand oder Udinese Calcio, er war Nationaltrainer der Schweiz, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Finnland. Am 11. Februar 2011 löste er bei West Brom einen gewissen Roberto Di Matteo ab, der gerade den FC Chelsea ins Endspiel der Champions League in und gegen München geführt hat.

Doch trotz seiner Referenzen gilt Hodgson in England als «Mr Average», als Mister Durchschnitt. Die Medien sind halbwegs skeptisch, vor allem die lauten Meinungsmacher der Boulevardblätter, für die Redknapp die beste Wahl war, und wohl auch noch wäre. Die FA wird sich nun zumindest nicht den Vorwurf anhören müssen, sie habe auf die Stimme des Volkes gehört. «Bei allem Respekt, aber es wird keine Welle der Begeisterung über die Ernennung von Roy geben», zitierte The Sun Mark Perryman, Sprecher der Fanvereinigung England Supporters Club.

In all den Wochen seit dem Rücktritt von Capello hat die FA allerdings kein einziges Mal mit Redknapp gesprochen. «Roy ist der einzige Manager, an den wir herangetreten sind», versicherte FA-Chef David Bernstein, und er ergänzte, die FA befinde sich im selbst aufgestellten Zeitplan. «Kein Problem», kommentierte einstweilen Redknapp die Tatsache, dass er trotz der breiten Unterstützung der Öffentlichkeit, der Medien und der Spieler übergangen wurde: «Ich wünsche ihm (Hodgson) alles Gute. Er ist ein großartiger Kerl. Ich hege keinen Groll.»

Hodgson, der 1997 mit Inter das UEFA-Cup-Finale gegen Schalke 04 verlor, war schon ein paar mal im Gespräch gewesen - aber nie richtig ernsthaft. Was nicht heißt, dass er den Posten als «England manager» nicht hätte haben wollen. Noch ehe die FA ihn diesmal auch offiziell ansprach, hatte er schon erklärt, er wäre begeistert, würde er ausgewählt werden. «Was den Job bei der Nationalmannschaft angeht», sagte Hodgson, «so scheine ich die Brautjungfer zu sein. Also bereite ich mich darauf vor, den Brautstrauß zu fangen.»

Hodgson gilt als detailversessen und als ein guter Taktiker. Der frühere englischen Nationalspieler Phil Neville fragte dennoch via Twitter. «Bestimmt ist Roy Hodgson nicht der einzige Name auf der 'Liste' ???». Doch, das war er, auch wenn böse Zungen behaupten könnten, Hodgson sei in der Tat für den Posten eines Dolmetschers der Nationalmannschaft vorgesehen: Er spricht neben Englisch fließend Norwegisch, Schwedisch, Japanisch, Deutsch und Italienisch - außerdem ein bisschen Koreanisch, Dänisch, Französisch und Finnisch. (sid/abendblatt.de)