Morgen verteidigt der Boxweltmeister seinen Titel auf Schalke. Die Kritik an der Schwäche des Schwergewichts nervt nicht nur ihn.
Hamburg. Kaum eine halbe Stunde alt war die Nachricht, dass Vitali Klitschko für die nächste Verteidigung seines WBC-WM-Titels im Schwergewicht, die morgen (22.45 Uhr, RTL live) in der Fußballarena auf Schalke stattfindet, den Polen Albert Sosnowski verpflichtet hatte, da kamen sie schon aus der Deckung, die Bedenkenträger und Dauernörgler. Ein neues wehrloses Opfer sei dieser Sosnowski, ein Mann ohne Namen, ohne Gesicht, ohne Chance. Eine Blamage diese Kampfansetzung, gleichwohl ein Zeichen für das Darniederliegen der Königsklasse des Berufsboxens. Man hat sie oft gehört zuletzt, diese immer gleichen Arien in Moll, wenn es ums Schwergewicht und seine Protagonisten geht. Und sie nerven mittlerweile.
Zugegeben: Das Schwergewicht steckt in einer Krise, seit der Nachwuchs aus den USA fehlt. Deshalb jedoch die verbliebenen Sportler unter Generalanklage zu stellen und ihnen die Fähigkeit abzusprechen, unterhaltsame und hochwertige Kämpfe abzuliefern, lässt den Respekt vor der Arbeit von Hunderten Teams auf der Welt vermissen. Vor allem aber ist es ungerecht Vitali Klitschko gegenüber, dem nicht nur unterstellt wird, Herrscher eines schwachen Stammes zu sein, sondern dem unterschwellig sogar der Vorwurf gemacht wird, er würde sich seine Gegner handverlesen zur Hinrichtung vorführen lassen. Das Gegenteil ist der Fall.
Der Ältere der Klitschko-Brüder hat nie eine Herausforderung gescheut, er hat stets seine Pflichtverteidigungen absolviert und immer versucht, die härtesten Gegner vor die Fäuste zu bekommen. Dass einige sich nicht trauten, gegen ihn anzutreten, ist nicht ihm anzukreiden. Sein Pech ist, dass die großen Stars neben ihm fehlen, mit denen Kämpfe möglich wären, die seine Ära prägen. Die einzige Legende, die mit ihm in den Ring stieg, war Lennox Lewis. Dieses Duell vom Juni 2003, das Klitschko nur durch Abbruch wegen einer tiefen Wunde am Auge verlor, bleibt unvergessen und hat bewiesen, aus welchem Holz der Ukrainer geschnitzt ist.
Er ist bislang nur von seinem eigenen Körper in die Knie gezwungen worden. Man mag das mit der Schwäche der anderen abtun. Was aber, wenn man es umgekehrt sieht? Vielleicht ist Vitali Klitschko einfach so stark, dass auch ein Ali, ein Tyson oder ein Holyfield mit ihm Probleme gehabt hätten. Denn gern wird vergessen, dass auch deren Kämpfe beileibe nicht alles historische Schlachten waren. Auch sie haben lähmende Auftritte gegen mutlose und hoffnungslos unterlegene Gegner hinter sich bringen müssen. Ein Mann wie Lewis galt zeit seiner aktiven Laufbahn als Langweiler. Seit seinem Rücktritt wird er als strahlender Held verklärt. Wer weiß also, wie einst über die Ära Klitschko gesprochen wird?
Albert Sosnowski ist in Deutschland unbekannt. Aber er ist Europameister, er ist mit 45 Siegen aus 48 Kämpfen ein erfahrener Mann mit einem guten Rekord, und er hat Respekt verdient. Wenn Vitali Klitschko siegt, werden viele wieder sagen, dass es an der Schwäche des Gegners lag. Aber wenn sein Bruder Wladimir und er bald alle vier WM-Gürtel in Familienbesitz gebracht haben, dann vor allem, weil sie stark, und nicht, weil andere schwächer waren. Das Schwergewicht wirkt auch deshalb schwach, weil die Klitschkos so dominant sind. Dominanz kann langweilig sein. Ein Zeichen von Schwäche ist sie aber beileibe nicht.