Westerland. Gemeindevertreter stimmen mit großer Mehrheit für Abwahlverfahren. Über die Zukunft des erkrankten Bürgermeisters entscheiden die Bürger.
Paukenschlag auf Sylt: Die Bürger der Gemeinde werden am 29. September darüber abstimmen, ob der erkrankte Bürgermeister Nikolas Häckel im Amt bleiben soll oder abgewählt wird. Das hat die Gemeindevertretung in Westerland am Donnerstagabend mehrheitlich beschlossen. Für die Einleitung des Abwahlverfahrens stimmten 26 von 30 anwesenden Gemeindevertretern.
Darüber hinaus wird Nikolas Häckel per Mehrheits-Beschluss verboten, seine Dienstgeschäfte fortzuführen, solange über seine Abwahl noch nicht abgestimmt wurde. Für das Verbot stimmten 25 Gemeindevertreter, vier stimmten dagegen, einer enthielt sich, wie die Gemeinde am Freitag mitteilte. In der Praxis bedeutet dies, dass die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereingliederung des seit Februar krankgeschriebenen Bürgermeisters während der Dauer des Abwahlverfahrens ruht.
Sylt: Dienstverbot für Bürgermeister Nikolas Häckel – Abwahl eingeleitet
„Der seit Jahren völlig unbefriedigende Zustand in der Gemeinde Sylt und den amtsangehörigen Gemeinden ist in hohem Maße der Amtsführung von Nikolas Häckel geschuldet“, teilten die Fraktionen in einer Stellungnahme mit. Sie werfen Häckel unter anderem die aktuelle Haushaltsmisere, fehlende Kommunikation sowie Unzulänglichkeiten bei seiner Verwaltungsarbeit vor, die ein Prüfbericht des Kreises Nordfriesland für den Zeitraum 2010 bis 2022 zuletzt aufgezeigt hatte.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeindevertretung sei demnach nachhaltig beschädigt, sodass „eine Heilung oder Wiederherstellung nicht mehr gegeben scheint“, sagte der Bürgervorsteher der Gemeinde Sylt, Andreas Dobrzinski. Angesichts von Häckels Erkrankung sei die Entscheidung nicht leicht gefallen.
Sylt: Anwalt von Nikolas Häckel plädiert vehement gegen Abwahlverfahren
Bereits im Sommer 2023 hatte Häckel seine Amtsgeschäfte mehrere Wochen nicht wahrnehmen können – er sei wegen einer belastungsbedingten seelischen Erkrankung vom behandelnden Arzt krankgeschrieben worden, teilte die Gemeinde Sylt damals auf ihrer Homepage mit.
Häckel selbst war nicht zur Sitzung gekommen – sein Anwalt hatte ihn vertreten. „Er ist dienstfähig, das hat der Amtsarzt festgestellt – an der Dienstfähigkeit besteht kein Zweifel“, sagte Häckels Rechtsanwalt, Trutz Graf Kerssenbrock. Vehement plädierte er gegen das Abwahlverfahren – die Vorwürfe gegen seinen Mandanten sowie die Prozessführung seien unhaltbar.
„Das ist auch eine Frage der Humanität, wenn Sie meinen, einen Bürgermeister absägen zu wollen, der seine Arbeit ordentlich gemacht und sich mit seiner ganzen Verantwortung und Stärke hergegeben hat“, sagte er. Häckel werde für Dinge verantwortlich gemacht, die nicht in seiner Verantwortung lägen. Der 50-Jährige selbst äußerte sich zunächst nicht.
Sylt: Bürger entscheiden am 29. September über Abwahl
Über die Abwahl selbst entscheiden nun am 29. September die Bürger in der Gemeinde Sylt. Nach der Gemeindeordnung muss eine Mehrheit, die mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten beträgt – also 2600 Bewohner der Gemeinde –, für die Abwahl stimmen, um Häckel aus dem Amt zu heben.
„Wird die Mehrheit für eine Abwahl erreicht, so scheidet Bürgermeister Nikolas Häckel mit Ablauf des Tages, an dem der zu bildende Abstimmungsausschuss dieses Ergebnis feststellt, aus dem Amt und tritt in den einstweiligen Ruhestand“, sagte Hans-Martin Slopianka, Sprecher des Kreises Nordfriesland. Wird die Mehrheit für die Abwahl nicht erreicht, nimmt der Bürgermeister demnach seine Tätigkeit sofort wieder auf.
Die mögliche notwendige Neuwahl einer Bürgermeisterin oder eines Bürgermeisters muss laut Gesetz spätestens sechs Monate nach dem Abstimmungsergebnis durchgeführt werden. Realistisch sei eine solche Neuwahl im ersten Quartal 2025, teilte Slopianka mit.
Sylt: Hauptausschuss-Vorsitzende für neues Amtsmodell
„Ich finde es gut, dass so ein klares Ergebnis von den Gemeindevertretern ausgesprochen wurde, aber es geht nicht um Häckel als Person, sondern um seine Arbeit als Bürgermeister“, sagte die Hauptausschuss-Vorsitzende Gritje Stöver (CDU).
Sie plädiert für ein entschärftes Amtsmodell – also einen Bürgermeister der Gemeinde Sylt und zusätzlich einen Amtsleiter, der die Verwaltung der vier Amtsgemeinden Kampen, Wenningstedt-Braderup, List und Hörnum übernimmt. Für beide Aufgaben ist aktuell das hauptamtliche Verwaltungsoberhaupt in Westerland zuständig.
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Mit einer möglichen Neuwahl könnte es der starken Insel-CDU gelingen, einen eigenen Parteikandidaten auf den Bürgermeisterposten zu hieven. Das war seit vielen Jahren nicht gelungen.
Sylt: Abwahlverfahren auch schon in Wedel und St. Peter-Ording
Ein Bürgermeister-Abwahlverfahren hatte es auf Sylt zumindest in den vergangenen 50 Jahren nicht gegeben. Wie viele Abwahlverfahren es in Schleswig-Holstein, beziehungsweise auf Sylt, in der Vergangenheit gab, sei statistisch nicht erfasst, sagte Tim Radtke, Sprecher des Innenministeriums in Kiel.
In Schleswig-Holstein war zuletzt der Bürgermeister von Wedel (Kreis Pinneberg) abgewählt worden. Auch dem Bürgermeister von St. Peter-Ording (Kreis Nordfriesland) drohte die vorzeitige Abwahl - scheiterte aber an der nötigen Zweidrittelmehrheit. Er trat später auf eigenen Wunsch zurück.