Wenningstedt. Susanne Matthiessen – auf der Sylt geboren und als Autorin gefeiert – geht in ihrem neuen Buch mit ihrer Heimat hart ins Gericht.
Nachdem Susanne Matthiessen mit "Ozelot und Friesennerz" 2020 ihre Sylter Kindheit in einen Bestseller verwandelt hat, legte sie in diesem Jahr mit "Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn" nach. Dabei sind ihre Erinnerungen an die 1980er-Jahre auf der Nordseeinsel zuweilen ziemliches "Schwarzbrot", wie sie es auf einer Lesung im Kursaal3 in Wenningstedt auf Sylt am Sonntag formuliert. In Matthiessens Neuerscheinung geht sie mit ihrer Heimat ganz schön hart ins Gericht.
"Hello Again" – mit Howard Carpendales Klassiker steigt Matthiessen am Sonntag im prall gefüllten Kursaal3 in ihre musikalische Lesung ein. Ein wenig umgedichtet trällert sie "Am Strand wo die Körbe stehn’, will ich dir in die Augen sehn’, dort wo alles begann" gemeinsam mit der Pianistin des Nachmittags, Edda Schnittgard, dem Publikum entgegen. Schnittgard, ebenfalls Sylterin und früher vor allem bekannt im Duo mit Ina Müller, ist eine Schulfreundin von Matthiessen.
Susanne Matthiessen: Sylterin, Autorin, Entertainerin
Sowieso, für die Autorin ist die Lesung ein echtes Heimspiel. Im Publikum sitzen Schulfreund Christian, ihre Eltern, alte Bekannte. "Typisch Sylt, typisch Kursaal", freut sich Matthiessen. In den folgenden anderthalb Stunden schlägt die Sylterin das Publikum gekonnt in den Bann. Es wird gelacht und gewitzelt, gesungen und – klar – gelesen.
Dabei ist zweifellos: Matthiessen ist eine absolute Entertainerin. Etwa wenn sie davon erzählt, wie sie und ihre Clique in den 80ern "als rebellische Jugend die Insel unsicher gemacht" haben oder das obligatorische Ärzte-Sylt-Liebeslied "Westerland" ins Mikro schmachtet. Doch sie versteht es auch, selbst den härtesten Tobak unmissverständlich und charmant herüberzubringen. In ihrem neuesten Werk "Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn. Roman einer Sylter Jugend" geht es schließlich um mehr als Anekdoten und Friede, Freude, Eierkuchen auf Deutschlands liebster Urlaubsinsel.
So kritisiert Matthiessen etwa den Offshore-Windpark Butendiek vor der Küste Sylts scharf: "Die Nordsee wird bald eine einzige riesige Baustelle sein", sagt sie. Auch den in dramatischem Tempo sinkenden Bestand der Schweinswale thematisiert die Sylterin.
Auf der Insel geht eine Ära zu Ende
Kern ihres Missmutes ist allerdings der Ausverkauf der Insel, der anhand mangelnden Wohnraums für Insulaner symptomatisch wird - und alles nur "damit der teuerste Grund und Boden der Republik nicht an Wert verliert", sagt sie. "Man merkt schon, dass wir weniger werden – dass die Insulaner weniger werden."
Selbstverständlich sei die Insel ohne Fremdenverkehr kaum vorstellbar, doch die schiere Masse an Touristen tut Sylt ihrer Ansicht nach nicht wohl. "Und es ist durchaus die Schuld der Sylter, nicht im richtigen Moment etwas gegen den Ausverkauf getan zu haben", sagt Matthiessen ganz klar. Jetzt sei es zu spät: "Eine Ära geht zu Ende", meint sie.
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Doch die Autorin kann nicht nur anklagen. Sie hat auch klar Vorstellungen von einer Lösung der Probleme, wie sie im Anschluss an ihre Lesung beim Bücher-Signieren erzählt. Einerseits wünsche sie sich eine Bettenbegrenzung für Urlauber auf Sylt. Zweitens könne eine Reform der Erbschaftssteuer, die an Touristen vermietende Eigentümer stärker zur Kasse bittet, die Insel wieder auf den richtigen Pfad bringen. "Drittens sollte es ein Zweckentfremdungsverbot geben. Das heißt, eine Wohnung, in der Insulaner gelebt haben, muss auch nach einem Verkauf wieder für Insulaner da sein", sagt Matthiessen.
Wird es einen dritten Sylt-Roman von Susanne Matthiesen geben?
Die auf der Insel geborene und aufgewachsene Autorin lebt mittlerweile übrigens in Berlin. "Aber einmal im Monat wohne ich eine Woche auf Sylt – also 25 Prozent der Zeit. Dann lebe ich noch zehn Prozent der Zeit an der Ostsee und manchmal mache ich noch Urlaub", lacht sie.
Ihren ersten Sylt-Roman "Ozelot und Friesennerz" zu schreiben, habe sie als Bedürfnis und Befreiung empfunden. Dass er sich so gut verkauft, sei eine ziemliche Überraschung für die Autorin gewesen. "Beim zweiten Buch habe ich dann ziemlichen Erfolgsdruck verspürt", sagt sie. Ob sie noch einen dritten Teil schreiben wird? "Das weiß ich noch nicht", so Matthiessen schulterzuckend.