Glinde. In Stormarn gibt es schon drei Mannschaften. Der TSV Glinde zählt zu den Gründungsmitgliedern einer neuer Liga in Hamburg

Heinz Hagendorf engagiert sich beim TSV Glinde als Betreuer bei den Supersenioren, also der Fußballmannschaft für über 60-Jährige. Ab und zu kickt er ein bisschen im Training mit. Für richtige Spiele reicht es nicht mehr. An diesem Wochenende aber wird Hagendorf nach langer Zeit sein Comeback in einem Punktspiel geben und wenn es läuft wie in den bisherigen Freundschaftsspielen, auch wieder das eine oder andere Tor erzielen – mit 87.

Walking Football – also Fußball im Gehen – heißt die neue Fußball-Variante, die viele ältere Herrschaften wie Heinz Hagendorf zurück oder auch lebenslange Sofa-Experten das erste Mal überhaupt auf den Platz bringt. Der Hamburger Fußball-Verband (HFV) ist einer der ersten Landesverbände, der nun einen geregelten Spielbetrieb auf die Beine stellt. Der TSV Glinde zählt zu den Gründungsmitgliedern der Liga.

Walking Football: Rennen, Zweikämpfe, Grätschen und hohe Schüsse sind verboten

Das Mutterland des Fußballs ist auch in der „langsamen“ Variante England, wo Walking Football 2011 erfunden und rasch etabliert wurde. Rennen, egal ob mit oder ohne Ball, ist nicht erlaubt. Auch intensive Zweikämpfe, Grätschen und mehr als einen Meter hohe Schüsse sind verboten, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Einen Torwart gibt es nicht, Abseits auch nicht, dafür ähnlich wie beim Handball einen Halbkreis vor dem Tor, der weder von Stürmern noch von Verteidigern betreten werden darf. Torschüsse sind nur aus der gegnerischen Hälfte möglich.

Ansonsten zeichnet sich das Regelwerk vor allem durch Flexibilität aus. Spieldauer (zwischen 30 und 60 Minuten), Anzahl der Spieler (meist sechs pro Team plus Ergänzungsspieler), Größe und Beschaffenheit des Kleinfelds (draußen oder in der Halle) und andere Details können angepasst werden.

Jeder kann mitkicken, Geschlechtergrenzen gibt es keine

Auch Geschlechtergrenzen gibt es keine, jede und jeder kann mitkicken. Die Altersspanne unterscheidet sich je nach Verband und Verein. Viele Mannschaften bestehen aus der Generation 50 plus. Der HFV hat die untere Altersgrenze auf 16 gesenkt, um die Bildung von Inklusions-Mannschaften zu erleichtern, also Teams für Menschen mit und ohne Handicap.

In Glinde spielt auch der Abteilungsleiter Frank Gabbert mit. „Als ich mitbekommen habe, dass der HFV eine Liga gründen will, war ich erstmal skeptisch“, sagt er. „Wir haben trotzdem einen Aufruf gemacht – und direkt neue Vereinsmitglieder gefunden.“ Einige der Spieler – der Jüngste ist 40 – waren noch nie im TSV, andere sind vor 15 Jahren ausgetreten und jetzt wieder dabei. Auch das ist ein wichtiger Aspekt des Walking Football: Menschen kommen zurück in das Vereinsleben.

In Reinfeld gibt es schon seit einem Jahr eine Mannschaft

So ist es auch am anderen Ende Stormarns. Vor rund einem Jahr hat Erwin Denger eine Mannschaft beim SV Preußen Reinfeld ins Leben gerufen. „Ich habe zwei künstliche Hüften, damit konnte ich im Seniorenbereich nicht mehr weiterspielen, das wäre einfach zu gefährlich“, sagt er. Für viele sei mit 50 Jahren Schluss mit Fußball und dann auch direkt Schluss mit regelmäßiger Bewegung. Auch die sozialen Kontakte würden weniger. „Für diese Leute ist unsere Mannschaft gedacht.“ Rund 20 Mitglieder zählt mittlerweile die Mannschaft der Reinfelder, die sich bunt zusammensetzt: eine Ruderin ist dabei, ein ehemaliger Hockeyspieler und ein früherer Handballer. Der jüngste ist 50, der älteste 75 Jahre alt.

„Das Angebot wird gut angenommen und ich glaube, dass noch weitere dazukommen werden“, sagt Denger. Die Teilnahme an einem Ligabetrieb sei noch kein Thema. „Unser oberstes Ziel ist, dass wir uns einmal die Woche treffen und bewegen – nicht um Punkte streiten.“

Vorreiter in Stormarn war der SV Eichede

Ähnlich sieht man das bei Stormarns erster Walking-Football-Mannschaft. Beim SV Eichede wird seit drei Jahren im Gehen gekickt. „Wir haben bei einem Hallenturnier in Hamburg teilgenommen und gemerkt, dass der Altersunterschied zu den anderen Teams zu groß ist. Deshalb ist eine Punkterunde für uns in absehbarer Zeit noch nichts“, sagt Tobias Kramp, der das Training gemeinsam mit Rainer Gerken leitet.

In dem Team steckt viel Vereinshistorie. Männer wie Kramp, Gerken, Jörg Brockmöller, Stefan Wölk und Thomas Nossol gehörten in den 1980er-Jahren zu der Mannschaft, die in die Landesliga aufstieg und den großen VfB Lübeck aus dem Pokal warf.

Alle Mannschaften nehmen noch weitere Spieler auf

Die Fitness bei den heute 55- bis 71-Jährigen ist altersbedingt zurückgegangen, Spaß und Motivation sind geblieben. „Wenn man sein Leben lang mit dem Ball gespielt hat, verliert man die Lust darauf nie“, sagt Kramp. Weil es beim SVE keine Tore mit den passenden Maßen (3x1 Meter) gab, zimmerte die Mannschaft kurzerhand selbst welche aus Holz zusammen. „Walking Football boomt“, sagt Kramp. „Auf die Erfahrungswerte aus Hamburg mit der Liga bin ich gespannt.“

Der Anfang wird beim TSV Glinde gemacht. An diesem Sonnabend, 7. Oktober, geht es auf dem Bernd-Schaffernicht-Platz mit dem Spiel gegen die Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft los. Es werden gleich mehrere Partien pro Tag ausgetragen, parallel richtet auch der Moorburger TSV Spiele aus. Insgesamt 13 Clubs sind dabei, darunter auch der HSV.

Alle drei Stormarner Mannschaften sind noch auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Wer nicht (mehr) weiß, wie es sich anfühlt, ein Tor zu schießen, der hat jetzt die Großchance.

Der TSV Glinde trainiert jeden Mittwoch ab 18.45 Uhr (Am Sportplatz 98a). Einfach vorbeikommen oder über den Verein an Matthias Schröder wenden.
Der SV Preußen Reinfeld trainiert jeden Donnerstag ab 18 Uhr (Bischofsteicher Weg 45a). Einfach vorbeikommen oder an Erwin Denger (Telefon 04533/31 24) wenden.
Der SV Eichede trainiert jeden Mittwoch ab 18.30 Uhr (Matthias-Claudius-Straße). Einfach vorbeikommen oder an Rainer Gerken (mails@rgerken.de) wenden.