Bargteheide. Kreisklasseclub bezwingt Oberliga-Aufsteiger im Elfmeterschießen – trotz vier Spielklassen Unterschied.

Wie groß ist die Chance, dass eine in der Kreisklasse A kickende Fußballmannschaft gegen einen Oberligisten gewinnt? Also gegen ein Team, das öfter trainiert, bessere Rahmenbedingungen, stärkere Einzelspieler und qualifiziertere Trainer hat und ganze vier Ligen höher um Punkte kämpft. Diese Frage stellte der Chefcoach des TSV Bargteheide II seinen Schützlingen in der Ansprache vor dem Pokalspiel zwischen krassem Außenseiter und dem haushohen Favoriten Preußen Reinfeld.

Eines von hundert Spielen würde man gewinnen, antworteten die meisten Spieler, vielleicht zwei oder drei. Ein anderer sagte gar: Null von Hundert. Was folgte, war dieses eine von hundert Spielen, in denen alles passt und an das sich die Gewinner noch lange erinnern werden. Mit einem 7:6 (2:2) nach Elfmeterschießen hat die U23 des TSV Bargteheide Stormarns aktuell zweitbeste Mannschaft aus dem Pokalwettbewerb Meister der Meister geworfen und damit für eine echte Sensation gesorgt.

„Man muss als Trainer und Mannschaft immer an seine Chance glauben. Dass wir es dann wirklich geschafft haben, fühlt sich komplett surreal an“, sagt Michael Kühnast, der viele der Pokalhelden schon seit sieben, acht Jahren trainiert. Kühnast, heute selbst erst 25 Jahre jung, übernahm als Juniorentrainer den 2003er-Jahrgang, sah aus Kindern Jugendliche und aus Jugendlichen Erwachsene werden.

Florian Laue rettet sein Team mit seinem Tor ins Elfmeterschießen

Als dem TSV Bargteheide die zweite Herrenmannschaft wegbrach, formte Kühnast aus Kumpels und seinen jungen Spielern ein Team, das in den Niederungen der Kreisklasse C begann, nach zwei Meistertiteln in Folge immerhin schon in der A-Klasse spielt – und jetzt mit dem Triumph gegen Reinfeld erstmals ganz Fußball-Stormarn auf sich aufmerksam gemacht hat. Und alle fragen: Wie konnte das gelingen?

Auf großartige taktische Kniffe haben der Chefcoach und sein Co-Trainer Alex Völtzer (26) verzichtet. „Natürlich hätten wir Reinfeld analysieren können“, sagt Kühnast. „Aber wahrscheinlich hätten wir unsere junge Mannschaft dann eher mit Informationen überfrachtet, die schwer umsetzbar sind. Manchmal ist weniger mehr.“ Also trainierte Bargteheides Zweite im Abschlusstraining am Montagabend das Umschaltspiel, überließ auf dem Platz Reinfeld den Ball und rannte, ackerte, warf sich in jeden Schuss. Zweimal ging der Tabellenfünfte der Oberligatabelle in Führung, traf zunächst per Freistoß von Luis Mickeleit (38.) und später nach einer Ecke irgendwie aus dem Gewühl heraus (54.). Zweimal kam Bargteheide zurück: Ein Eckball führte zum Kopfballtor von Jan Balandis zum 1:1-Pausenstand (45.). Kurz vor dem Abpfiff gelang Florian Laue nach einer Balleroberung der erneute Ausgleich (85.).

Spontane Siegesfeier in der Bargteheider Kabine dauert bis 1 Uhr nachts

Weil es in dem Wettbewerb keine Verlängerung gibt, folgte direkt das Elfmeterschießen. Laue, Nils Fritzsche, Simon Thom und Kenian Neuhaus verwandelten, auch die ersten vier Reinfelder waren erfolgreich. Dann schlug die Stunde von Bargteheides Keeper Timon Cartens, der den Versuch von Reinfelds Florian Wurst parierte. Mit dem fünften Elfmeter machte Pascal Efrom den Coup perfekt. Die spontane Siegesfeier in der Bargteheider Kabine dauerte bis 1 Uhr.

Falls zu dieser späten Stunde noch ein Reinfelder wach war, dann wohl nur, weil ihm Enttäuschung und Wut den Schlaf raubten. Trainer Pascal Lorenz gratulierte dem Gegner fair („sie haben aufopferungsvoll gekämpft, wollten den Sieg mehr als wir“) und wählte klare Worte zur Leistung seiner Mannschaft: „Gegen einen vier Klassen tiefer spielenden Gegner muss man gewinnen, das erwarte ich von jedem Spieler. Das hat nichts mit Qualität, der Aufstellung oder irgendwelchen Widrigkeiten zu tun.“

Trainer: „Nicht alle haben den Gegner ernst genommen“

Der Anspruch sei gewesen, in dem Pokalwettbewerb weit zu kommen. „Aber offenbar haben nicht alle den Gegner ernst genommen. Diese Erfahrung kann uns jetzt wieder erden, das zeigt uns, dass man gegen jeden Gegner alles geben muss. Für diesen Wettbewerb kommt die Erkenntnis leider zu spät.“ Straftraining oder ähnliches wollen Lorenz und sein Trainerkollege Jan-Christian Hack zwar nicht ansetzen, Konsequenzen dürfte die Blamage von Bargteheide dennoch nach sich ziehen. Lorenz: „Wer Ansprüche auf die Startelf in der Oberliga stellt, der muss auch liefern. Jetzt hatten wir einige auf dem Platz, die sich nicht unbedingt in den Fokus gespielt haben. Diejenigen müssen jetzt gucken, wie sie wieder rankommen.“

Zwei andere Stormarner Clubs haben eine Überraschung in Runde zwei verpasst. Kreisligist SV Hammoor, qualifiziert als amtierender Meister der A-Klasse, unterlag dem SC Rapid Lübeck deutlich mit 0:6 (0:3). Die Tore für den Landesligaclub erzielten Tino Arp (13.), Fynn Rockrohr (20.), Erik Bauer (41.), Julian Zimmermann (66., 74.) und Amir Aboukassim (82.). Gar nicht erst versucht hat es die der SSV Jersbek II. Das Team aus der Kreisklasse B trat zum Spiel gegen Landesligist SV Todesfelde II nicht.

Neben dem TSV Bargteheide II bleibt ein weiterer Club aus dem Kreis im Wettbewerb. Der SVT Bad Oldesloe (Verbandsliga) absolviert sein Zweitrundenspiel erst am 5. September. Dann wartet der SV Schackendorf II (B-Klasse).