Bargteheide. Der Begleitete Umgang vom Kinderschutzbund unterstützt Familien in Trennung. Katja Mussmann und Grit Sniegula sind ehrenamtlich dabei.
Wenn sie von ihrer schönsten Erfahrung als ehrenamtliche Umgangsbegleiterin berichtet, dann hat Katja Mussmann fast Tränen in den Augen. „Am Ende sind Mutter, Vater und Kinder strahlend Arm in Arm nach Hause gegangen“, sagt die 57-Jährige. Und das, obwohl die Eltern sich getrennt hatten, das Vertrauen so zerrüttet war, dass die Mutter ihr Kind nicht unbeaufsichtigt dem Vater überlassen wollte.
Genau für solche Fälle bietet der Kinderschutzbund Kreisverband Stormarn seit 1998 den sogenannten Begleiteten Umgang an. Er unterstützt Eltern und Kinder in Trennungssituationen, wenn einer der Partner das gemeinsame Kind nicht guten Gewissens dem anderen umgangsberechtigten Elternteil überlassen kann. Dann können sie sich im Kinderhaus Bargteheide melden und darum bitten, dass bei den Treffen zwischen Kind und Elternteil eine unbeteiligte Person dabei ist.
Motivation entstand durch persönliche Erfahrungen
Da kommen Katja Mussmann und Grit Sniegula ins Spiel. Sie sind seit vielen Jahren ehrenamtliche Umgangsbegleiterinnen. Mussmann ist seit 2017, Sniegula seit 2013 im Einsatz. Die Motivation entstand bei beiden aus persönlichen Erfahrungen. Mussmann ist Trennungskind und hat sich selbst getrennt, als ihr Sohn zwei Jahre alt war. Auch Sniegula hat eine Trennung als Elternteil erlebt. „Da habe ich gesehen, wie schwierig es für meinen Sohn war, als er zwischen uns stand“, sagt Sniegula. „Ich wollte, dass andere es leichter haben.“
Denn bei dem Angebot soll das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen. Sie leiden oft sehr darunter, wenn Mutter und Vater nach der Trennung streiten, nicht mehr miteinander sprechen, sie Vater oder Mutter nicht sehen dürfen und vermissen. Über einen Zeitungsartikel hat Sniegula von der Ausbildung erfahren und entschieden, dabei zu sein.
Alle Eltern können das Angebot in Anspruch nehmen
Denn bevor die Ehrenamtlichen tätig werden, absolvieren sie einen Lehrgang. Der umfasst zwölf Termine. Die Teilnehmer beschäftigen sich unter anderem mit Familiensoziologie, Trennung und Scheidung im Erleben der Kinder und Eltern, dem Ablauf der Umgänge, rechtlichen Grundlagen und vertiefen die Inhalte in Rollenspielen.
Nach der Ausbildung begleiteten beide Frauen ihre erste Familie – mit unterschiedlichen Erfahrungen. „Meiner war ein Bilderbuchumgang“, sagt Sniegula. „Am Ende saßen beide Elternteile mit ihren neuen Partnern nebeneinander und haben Handynummern ausgetauscht.“ Dabei war der Anfang gar nicht leicht. Sniegula: „Das Mädchen war im Vorschulalter. Ihre Mutter hatte bereits einen neuen Partner und sie hatten ein gemeinsames Kind. Bei den Treffen hat das Mädchen einmal ihren Halbbruder und den neuen Partner gemalt und ihn Papa genannt.“ Da entbrannte eine heikle Situation: „Ich bin doch dein Papa“, platzte es aus dem Vater heraus. Doch Sniegula konnte den Konflikt lösen, die Gefühle auffangen und besprechen. „Das war auch für den Vater sehr wichtig“, sagt die Umgangsbegleiterin.
Treffen finden alle 14 Tage statt
Bevor Kind und Elternteil im Begleiteten Umgang aufeinander treffen, lernen die Ehrenamtlichen das Kind kennen. Dann folgen zehn zweistündige Treffen im 14-tägigen Rhythmus zwischen Kind und Elternteil, meist ist es der Vater. Die Termine finden in den Häusern des Kinderschutzbundes in Ahrensburg, Bargteheide, Bad Oldesloe und Glinde statt.
Alle Eltern können das Angebot in Anspruch nehmen. Der nächste Lehrgang als Umgangsbegleiter startet am 16. August. Die Termine finden bis zum 8. November immer Dienstagabend teilweise in Bargteheide, teilweise online statt. Interessenten können sich in beiden Fällen unter der Telefonnummer 04532/51 70 an Ansprechpartnerin Kerstin Kalischer wenden.
Vater und Sohn sind sich in die Arme gefallen
Auch ihre aktuellste Begleitung hat Sniegula in guter Erinnerung. „Vor den Treffen hat der Junge gesagt, er will seinen Vater nicht sehen“, sagt sie. Nicht selten werden die Kinder vom Elternteil beeinflusst, der Expartner schlecht gemacht. „Als Vater und Sohn sich zum ersten Mal wiedergesehen haben, sind sie sich in die Arme gefallen und haben sich nicht mehr losgelassen“, sagt Sniegula. Kerstin Kalischer vom Kinderschutzbund sagt: „Das ist so rührend zu sehen. In solchen Momenten wissen wir, warum wir das alles machen.“
So gut läuft es allerdings nicht immer. „Ich habe es auch schon erlebt, dass der Umgang abgebrochen wurde, weil das Kind seinen Vater partout nicht sehen wollte und bei den Treffen nur geweint hat“, sagt die 52-Jährige. Das mache sie schon betroffen, aber in solchen Fällen kann sie nichts tun. „Niemand wird gezwungen“, sagt Kalischer.
Nicht immer können die Ehrenamtlichen helfen
Schwierig war auch der erste Umgang von Katja Mussmann. „Es war kurz vor furchtbar“, sagt sie. „Der Vater hat sich nicht an Absprachen gehalten, hatte Probleme mich zu akzeptieren und emotional ging es zwischen den Eltern heftig zu.“ Da habe der Kontakt zu Hauptamtlichen des Kinderschutzbundes geholfen. Mit den stehen die Ehrenamtlichen immer im engen Austausch.
Doch abgesehen davon konnte Katja Mussmann fast immer helfen. „Einmal habe ich es erlebt, dass ein Vater viel Gesprächsbedarf hatte, weil er sehr traurig war“, sagt Mussmann. „Ihm haben wir geraten, in einen Vätergesprächskreis zu gehen.“ Erfolgserlebnisse gab es in den vergangenen Jahren viele. „Bei meinem letzten Umgang hatte ich zum ersten Mal zwei Kinder“, sagt Mussmann. „Am Ende sind alle zu viert, Mutter, Vater und Kinder, glücklich rausgegangen. Die Kinder haben sich noch mal umgedreht und sind zu mir gelaufen, um sich zu verabschieden.“
Die Dankbarkeit ist groß
In solchen Momenten spürt sie die Dankbarkeit dafür, dass sie teils verfeindete Parteien wieder ein Stück näher zusammengebracht hat. Ziel des Begleiteten Umgangs ist es, dass er danach wieder selbstorganisiert stattfinden kann. In einem Abschlussgespräch werden Regeln und Termine dafür festgelegt.
Wie es mit den Familien weitergeht, erfahren die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen nicht. Daran denken tun Katja Mussmann und Grit Sniegula aber schon manchmal. Sniegula: „Bei meinem letzten Umgang habe ich zum Abschied einen Blumentopf bekommen. Immer, wenn ich den sehe, frage ich mich, wie es der Familie gerade wohl geht.“