Reinbek. Viele Eltern sind besorgt wegen Plakaten gegen Corona-Schutzregeln. Die Stadt Reinbek genehmigt sie aus Neutralitätsgründen.
Die Diskussion auf Facebook ist emotional, auch die Stadtverwaltung Reinbek hat schon Anfragen erhalten, warum Maskengegner ihre Plakate vor den Reinbeker Grundschulen platzieren dürfen. Mit den Worten „Glückliche Kinder?!“ ist eine Zeichnung überschrieben, auf der zwei Kinder zu sehen sind, die sich mit Masken und mit Abstand gegenüberstehen. Darunter gespiegelt fallen sich zwei Kinder ohne Masken um den Hals. Hinter den Plakaten spielen Kinder auf dem Schulhof – auch mit Masken wirken sie nicht unglücklich.
Platziert hat die Plakate dort der Verein „Eltern stehen auf“ mit Sitz in Nürnberg. Nach eigenen Angaben hat er sich im Juli 2020 aus einer Initiative heraus gegründet und soll mittlerweile 30.000 Mitglieder haben. Er bezieht sich auf seiner Website unter anderen auf „Kindheitsforscher und Historiker“ Martin Hüter, der sich andernorts gegen Kindertagesstätten und Ganztagsschulen ausspricht, sowie auf die Ärztin Heike Sensendorf, die auf ihrer Website nicht nur ein angebliches Risiko der Masken propagiert, sondern auch zu einer Seite verlinkt, die vor elektromagnetischen Strahlen warnt.
Vor Reinbeker Grundschulen hängen Plakate von Maskengegnern
Auf der Vereinshomepage sind zudem umstrittene Links gesetzt, wie zu „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V.“ (MWGFD), dem mittlerweile die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, und dessen Gründer zu den bekanntesten Figuren der Corona-Leugner gehören: Prof. Sucharit Bhakdi, Bodo Schiffmann und Stefan Homburg. Oder auch zur „Cosmic Society“, die unter anderem für Telepathie mit Engeln, Tieren, Pflanzen, Mineralien und Verstorbenen wirbt.
Der Verein fordert den Verzicht auf Masken in den Schulen. In Stormarn hatte das Gesundheitsamt gestern (Stand 15 Uhr) 69 Neuinfektionen mit Covid-19 registriert, darunter waren fünf Kinder. Experten fürchten, während der dritten Corona-Welle könnten auch vermehrt Kinder angesteckt werden – nach Berichten des SWR sind allein in Baden-Württemberg mittlerweile 20 Prozent der Infizierten Kinder.
Schulelternbeirat distanziert sich von Initiatoren und Inhalten der Plakate
Barbara Ocker, eine von drei Elternbeiratsvorsitzenden an der Schule Mühlenredder, möchte dem Verein keine Bühne bieten. Die perfide Bildsprache stößt sie ab: „Die gezeichneten Figuren, der Begriff ,Sorgentelefon’, die Standorte allein vor den Grundschulen – all dies ist eindeutig darauf zugeschnitten, Kinder anzusprechen. Diese Leute demonstrieren gemeinsam mit Querdenkern und Rechtspopulisten, das ist keine öffentliche Institution, bei der Kinder anrufen sollten“, sagt Barbara Ocker, deren Sohn die Grundschule Mühlenredder besucht. Auch der Schulelternbeirat Klosterbergen distanziert sich von den Initiatoren und Inhalten der Plakate: „Wir üben scharfe Kritik an der Instrumentalisierung der Schwächsten unserer Gesellschaft – der Kinder“, schreiben Angie Heere-Bechtel, Jörn Skiba und Andreas Bähr.
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Lennart Fey, Abteilungsleiter für Allgemeine Verwaltung, bestätigt, dass die Stadt das Aufhängen der Plakate genehmigt hat. „Wegen des Neutralitätsgebotes hatten wir keine Möglichkeit, dies zu versagen“, erläutert er. „Aber selbstverständlich spiegeln die Plakate auf keinen Fall die Meinung der Stadt wider.“
"Unsere Kinder haben sich an die Masken gewöhnt"
Karen Schmedemann, Leiterin der Grundschule Mühlenredder, äußert sich nur knapp: „Ich habe den Eindruck, dass unsere Kinder die Masken genauso selbstverständlich sehen wie den Turnbeutel, den sie mit zur Schule bringen.“ Katrin Rabe, Leiterin der Grundschule Klosterbergen sagt, sie habe die Plakate bisher noch nicht wahrgenommen. Maskenverweigerer gebe es an ihrer Schule nicht. Und auch ihr Kollege Christian Naterski (Gertrud-Lege-Grundschule) hat bisher noch kein Plakat bemerkt. „Unsere Kinder haben sich an die Masken gewöhnt“, erklärt er. „Selbstverständlich würde ich mir für sie etwas anderes wünschen. Aber die Situation ist so, wie sie ist.“
SPD-Landtagsabgeordneter Martin Habersaat, Vater von zwei Kindern, hat sich ebenfalls öffentlich zum Thema geäußert: „Die Mittel dieser Initiative führen aus meiner Sicht eben nicht zu glücklichen Kindern – zu Beginn der dritten Corona-Welle wird dort Propaganda gegen Schutzmasken, gegen das Abstandhalten und gegen Impfungen gemacht. Auf den Webseiten der Initiative ist von ‚Impf-Wahn‘ die Rede. Fake News und dubiose Aktionen jedoch machen kein Kind glücklich.“