Oststeinbek. Marga Flader ist mir ihrem Engagement für Schulen in Afghanistan Kandidatin für den Preis der Zeitschrift Bild der Frau.
Überall in Deutschland ist sie jetzt zu sehen – und zwar überlebensgroß. Denn die Oststeinbekerin Marga Flader ist dank ihres ehrenamtlichen Engagements eine der fünf Anwärterinnen auf die Goldene Bild der Frau. Zum 15. Mal zeichnet die Bild der Frau, Zeitschrift aus der Funke-Mediengruppe, engagierte Frauen aus. Motto: „Die Welt ein bisschen besser machen.“ Marga Flader ist so eine, deren gute Taten nicht vor Landesgrenzen haltmachen. Die 68 Jahre alte Vorsitzendes des Vereins Afghanistan-Schulen steht eigentlich nicht gern im Mittelpunkt, aber für die Frauen und Kinder Afghanistans nimmt sie es in Kauf. „Es geht darum, dass wir Afghanistan jetzt angesichts der Ukraine-Krise nicht vergessen. Wir brauchen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und Spenden, um weiterarbeiten zu können“, sagt sie.
Im August 2021 übernahmen die Taliban zum zweiten Mal die Macht im Land am Hindukusch, nachdem die Nato ihren Einsatz dort im Juli beendet hatte. Aufgeben ist für Marga Flader und die anderen Mitglieder des Vereins jedoch keine Option. Mehr als 60 Schulen hat der Verein in Afghanistan in fast vier Jahrzehnten mit aufgebaut, zuletzt für 20.000 Euro eine kleine Schule in einem Flüchtlingslager am Rande von Mazar-I-Sharif. Die Taliban waren punktuell schon lange präsent, deshalb war die Machtübernahme keine Überraschung. „Aber ich habe nicht mit diesem wirtschaftlichen Kollaps gerechnet“, sagt Marga Flader. „Nicht damit, wie wenig Interesse die Taliban am Wohlergehen ihrer Leute haben.“
Goldene Bild der Frau: Wie Marga Flader erreichte, dass Mädchen wieder zur Schule dürfen
Als die Taliban im März dieses Jahres auch an den Schulen des Vereins Frauen und Mädchen nach Hause schickten, gab Marga Flader eine Anweisung an ihre Kollegen vor Ort heraus: „Ich habe erklärt, dass wir unter diesen Umständen auch die Jungen nicht unterrichten“, erzählt sie. Damit löste sie vor Ort in Mazar-I-Sharif und in Andkhoi große Aufregung aus. „Von morgens bis abends wurde verhandelt“, berichtet die engagierte 68-Jährige. Die Taliban hätten sich sogar die Nähkurse angeschaut, schließlich lenkten sie ein.
„Sie haben es wohl Angst bekommen, weil wir auch noch andere Hilfsprojekte finanziell unterstützen“, vermutet sie. Andkhois Bezirksgouverneur kündigte in der Provinzhauptstadt an, dass Mädchen und Frauen in seinem Bezirk wieder den Unterricht besuchen dürfen – sofern sie ihr Gesicht ab dem zwölften Lebensjahr komplett verschleiern. „Es ist zwar nicht schön, wie es im Moment ist“, sagt Marga Flader. „Aber es ist auch nicht überall so, wie es in den Zeitungen geschrieben wird.“
Afghanistan-Hilfe: Oststeinbeker Verein hat 65 Schulen gebaut
65 Schulgebäude hat der Verein rund um Andkhoi und Mazar-I-Sharif gebaut, noch mehr repariert. Ein Förderzentrum für 1200 Schülerinnen und Schüler gegründet, Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, drei Frauenzentren eröffnet. 450 Familien versorgt das Team um Marga Flader jetzt auch mit Lebensmitteln. „Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, die Menschen hungern.“
Margas Fladers Verein ist nach der Machtübernahme der Taliban im letzten Sommer geblieben. Die internationalen Schutztruppen sind weg, viele Hilfsorganisationen haben die Arbeit eingestellt – ihr Team macht weiter. Würden die Taliban den Frauen und Mädchen den Unterricht wieder versagen, könnte der Verein sich wieder auf Schulen in Privathäusern zurückziehen. „Das haben wir während der fünf Monate im vergangenen Jahr auch so gehalten“, sagt Flader.
Das erste Mal reiste die frühere Rechtsanwaltsfachangestellte im Frühjahr 1998 mit der Vereinsgründerin Ulla Nölle während der ersten Taliban-Herrschaft von Peshwar (Pakistan) nach Kabul. „Das war ein großer Schock“, erinnert sich die heute 68-Jährige. „Wenige Menschen auf der Straße. Die Frauen, die uns sahen, bettelten uns an und zogen sogar an unserer Kleidung.“ Danach seien sie über Turkmenistan nach Andkhoi gereist. Im Dunkeln seien sie angekommen. „Am nächsten Tag erlebte ich 1200 Mädchen in der Schule“, berichtet die Ehrenamtliche. Denn dort waren die Taliban erst Ende November 1998. Das hat mich unglaublich beeindruckt.“ Der Verein habe jeder Lehrerin 100 Dollar gezahlt. Schon damals habe man die Not gespürt, weil niemand mehr Geld verdienen konnte. „Die netten Menschen, die zu meinen Kollegen wurden, und ihre Gastfreundschaft fand ich liebenswert“, sagt sie. 97 Angestellte hat der Verein vor Ort.
Abschluss des Nähkursus’ ist für viele junge Frauen ein Erlebnis
Heute sei dies nicht viel anders. „Ich arbeite gern mit und für die Afghanen und Afghaninnen. Ich kann dort Dinge verwirklichen, die mir in Deutschland nie möglich wären“, sagt Marga Flader. Sie weiß, wie wichtig ihre Arbeit ist. Der Abschluss der Nähkurse wurde im Frauenzentrum gefeiert. „Dort konnten sich die Frauen treffen und endlich einmal irgendwohin gehen“, berichtet die Vorsitzende. Denn außer Steppe gebe es dort sonst nichts. Die Menschen bewegen sich mithilfe von motorisierten Rikschas fort. „Ich werde dort gebraucht“, sagt die Oststeinbekerin. „Ich weiß, wenn ich es nicht tue, tut es so leicht niemand anderes.“ Das Ausbildungszentrum und die drei Frauenzentren des Vereins seien kleine Oasen, die sie unbedingt erhalten möchte.
Mit Videokonferenzen und Handy-Chats versucht sie, nah dran zu bleiben. Für eine aktuelle Reise haben ihre beiden Töchter ihr Veto eingelegt. 2019 war sie zuletzt dort.
Neue Projekte sind schon geplant, Zuschüsse beantragt. 10.000 Euro von der Bild der Frau sind dem Verein bereits sicher. Wer helfen will, dass noch 30.000 Euro hinzukommen, kann bis zum 8. November im Internet unter www.goldenebildderfrau.de für sie abstimmen.