Delingsdorf. Vertreterinnen der Bahn stellen sich Fragen der Anwohner. Diese befürchten Lärmbelästigung und Wertminderung ihrer Grundstücke.
Die Stimmung ist aufgeladen, der Frust der mehr als 20 Bürger, die in die Mehrzweckhalle gekommen sind, spürbar. Vertreterinnen der Deutschen Bahn haben sich am Mittwoch im Bauausschuss in Delingsdorf den Fragen der Anwohner rund um den geplanten Bau der neuen S-Bahnlinie 4 von Altona nach Bad Oldesloe gestellt. Gekommen sind Michelle Bruhn, Teilprojektleiterin Projektpartnermanagement, Christiane Müller-Martinek, Teilprojektleiterin Einzelmaßnahmen, und Katrin Richter, Referentin für Kommunikation. Sie wollen mögliche Bedenken ausräumen. Doch die Antworten, die das Trio gibt, sind aus Delingsdorfer Sicht mehr als unbefriedigend.
Geplante Abstellanlage für S 4 sorgt bei Anwohnern in Delingsdorf für Unmut
Sorge bereitet den Menschen in der 2300-Einwohner-Gemeinde, die direkt an der geplanten Trasse für die neue Linie liegt, vor allem die Abstellanlage für die S-Bahn-Züge, die direkt nach dem Bahnhof Ahrensburg-Gartenholz entstehen soll und hauptsächlich auf Delingsdorfer Gebiet liegen wird. Vier Gleise mit je etwa 1,3 Kilometer Länge sollen dafür westlich der Bahnlinie verlegt werden. Die Anlage ist laut Bahn notwendig, um die engere Taktung der S 4 gegenüber der derzeitigen Regionalbahn einhalten zu können.
Ab 2029 sollen die Züge im Zehn-Minuten-Takt vom Hamburger Hauptbahnhof bis Ahrensburg fahren, im 20-Minuten-Takt bis Bargteheide und einmal in der Stunde bis Bad Oldesloe. Von Hasselbrook bis Ahrensburg werden dazu neben der Bestandsstrecke zwei neue Gleise für die S-Bahn verlegt, bis Gartenholz ein zusätzliches Gleis. Dort soll die S 4 dann auf die Bestandsstrecke einfädeln. In Gartenholz sollen Züge abgestellt und wieder ins Netz eingespeist werden. 21 bis zu 198 Meter lange Bahnen sollen dort Platz haben. Baubeginn soll im Jahr 2027 sein.
Die Delingsdorfer befürchten eine erhebliche Zunahme des Lärms
Anwohner befürchten eine erhebliche Zunahme des Lärms durch bremsende und anfahrende Züge. Von den nächsten Wohnhäusern in Delingsdorf wird die Abstellanlage nur 250 Meter entfernt sein. Auf Unverständnis bei den anwesenden Delingsdorfern stößt vor allem, warum die Abstellanlage keinen Lärmschutz erhalten soll. Dazu sagt Bruhn: „Wir haben eine schallschutztechnische Berechnung durchführen lassen, mit dem Ergebnis, dass alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.“
Konkret bedeute das, dass der Geräuschpegel 59 Dezibel am Tag und 49 Dezibel in der Nacht nicht überschreiten werde. „Das ist leiser als eine Waschmaschine“, so Bruhn. Das wollen die Anwohner nicht glauben. „Und wenn es doch lauter wird, wird dann nachgebessert?“, fragt eine Frau. Bruhn antwortet ausweichend: „Es wird für Sie als Anwohner Ansprechpartner geben, an die Sie sich wenden können, und dann schauen wir uns die Situation vor Ort noch einmal an.“
Schallschutzwand soll in Höhe der 2300-Einwohner-Gemeinde enden
Eine Lärmschutzwand will das Unternehmen zwar errichten, aber nicht zwischen Abstellanlage und Wohnviertel, sondern zwischen der Haupttrasse und der Anlage. Für die Anwohner ist das nicht nachvollziehbar. „Da prallt der Lärm doch erst recht zu uns zurück“, sagt ein Mann. Müller-Martinek begründet das Konzept mit Untersuchungen, die ergeben hätten, dass sich andernfalls der Lärm des Durchgangsverkehrs und der Abstellanlage aufsummieren würden. Die vorgesehene Variante sei die effektivste.
Ebenfalls für Frust sorgt die Tatsache, dass jene Schallschutzwand genau in Höhe Delingsdorf enden soll. „Grund ist, dass wir ab dieser Stelle die Bestandsgleise für die S 4 nutzen, zusätzlicher Lärmschutz ist aber nur dort vorgesehen, wo neu gebaut wird“, erklärt Bruhn dazu. Diese Antwort kommt bei den Delingsdorfern nicht gut an. Denn in der Folge wird zwischen den neuen Wänden und dem bereits bestehenden Schutzwall eine einige Hundert Meter lange Lücke klaffen. Dass das „nicht optimal“ ist, gibt Bruhn zu, sagt aber: „Wir sind zwar das ausführende Unternehmen, Auftraggeber sind aber die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein.“ Deshalb könne die Bahn nur bauen, was diese beauftragten.
Anwohner befürchten Wertverlust ihrer Grundstücke
Ein Anwohner verweist darauf, dass mit der Fertigstellung der Fehmarnbelt-Querung zudem ab 2029 80 Güterzüge pro Tag über die Strecke fahren sollen. Auch für den Güterverkehr, der ausschließlich die Bestandsgleise nutzen soll, ist kein zusätzlicher Schallschutz vorgesehen, wie Vertreter des Projektes bereits Mitte März im Bauausschuss gesagt hatten. Bruhn verweist darauf, dass es sich um zwei separate Projekte handele, die, auch in Sachen Lärmschutz, unabhängig voneinander seien.
Viele der Zuhörer in der Mehrzweckhalle sorgen sich um einen Wertverlust ihrer Grundstücke. Ein Argument, das das Bahn-Team nachvollziehen könne. Dennoch: Eine Entschädigung werde es nicht geben, sie sei gesetzlich nicht vorgesehen, sagt Bruhn. Anwohner der Lohe befürchten, dass der Verkehr in der Wohnstraße nach der Inbetriebnahme durch an- und abfahrende Mitarbeiter der S-Bahn erheblich zunimmt. „Warum die Zufahrt nicht über Ahrensburg möglich ist, erschließt sich mir nicht“, sagt ein Anwohner.
Ausschussmitglied: „Sind von S 4 betroffen, aber haben keinen Mehrwert davon“
Laut Bruhn steht dem jedoch ein geplantes Regenrückhaltebecken entgegen. „Die vorliegende Variante ist aus einem Abwägungsprozess als die beste hervorgegangen“, sagt Müller-Martinek. Anwohner hätten aber während der öffentlichen Auslegung der Unterlagen für den Stormarn betreffenden dritten Bauabschnitt der S 4, die voraussichtlich im Sommer erfolgen werde, die Möglichkeit, Einwände vorzubringen. „Jede Zusendung wird von uns bearbeitet und beantwortet und gegebenenfalls planen wir auch noch um“, versichert Bruhn.
Ausschussmitglied Sven Heinrich fasst das Gesagte aus Delingdorfer Sicht zusammen. „Wir sind von der S 4 und der Fehmarnbelt-Querung massiv betroffen, wir sehen und hören die Projekte, haben aber keinen Mehrwert davon.“ Der Politiker von der Wählergemeinschaft WGD verweist auf den zu Beginn der Planungen vorgesehenen neuen Haltepunkt in der Gemeinde, der inzwischen gestrichen wurde. „Der wäre zumindest ein Trost gewesen“, sagt er. Dieses Argument können die Bahn-Vertreterinnen nicht entkräften. „Hier steht leider das Gemeinwohl über dem Individuellen“, sagt Bruhn. Ob sie denn gern neben einer solchen Anlage wohnen wollten, möchte ein Mann von dem Trio wissen. „Nein“, lautet die ehrliche Antwort von Müller-Martinek.