Hamburg/Bargteheide. Alexander Haas und Frank Sterll sind schwerbehindert und waren bei der Stadtreinigung glücklich. Doch nun ist alles anders.

Eigentlich war alles gut. Seit vielen Jahren sind Frank Sterll aus Bargteheide und Alexander Haas aus Bergstedt als Entsorger bei der Stadtreinigung Hamburg tätig. Beide sind zu 50 Prozent schwerbehindert, haben unter anderem Probleme mit dem Rücken. Doch die Stadtreinigung machte es möglich, dass sie trotzdem einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen und den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdienen können.

Die beiden sind Kollegen und für die Parkreinigung unter anderem in den Bereichen Hummelsbüttel, Bergstedt, Duvenstedt und Ohlstedt tätig. „Wir haben gerne und zur Zufriedenheit von Arbeitgeber und Bürgern gearbeitet. Es hat nie Beschwerden gegeben“, sagt Frank Sterll.

Stadtreinigung Hamburg: Neue Pläne machen das Arbeiten unmöglich

Doch genau dieser gute Job ist nun in Gefahr. „Anfang Mai haben wir neue Arbeitspläne bekommen“, sagt Sterll, der seit knapp fünf Jahren bei der Stadtreinigung arbeitet. Vorher war der gebürtige Hamburger als Dachdecker und Zimmermann tätig. „Im Gespräch mit unseren drei Gruppenleitern wurde uns eröffnet, dass wir von der Entgeltgruppe 2 hochgruppiert werden und wir dafür auch andere Tätigkeiten übernehmen müssen“, so der 55-Jährige.

Doch das Problem ist: „Das können wir gar nicht schaffen“, so Sterll. Der Bargteheider leidet seit neun Jahren an COPD. Die Abkürzung steht für chronisch obstruktive Lungenerkrankung. „Momentan arbeite ich mit einem Lungenvolumen von 1,1 Litern. Normal wäre wesentlich mehr“, sagt er. Außerdem hat er einen dreifachen Bandscheibenvorfall. Ärzte hätten ihm bereits dazu geraten, sich berufsunfähig zu melden. Auch im aktuellen Fall hätten Vorgesetzte ihm zu einer Berufsunfähigkeitsrente geraten. Das kann er nicht verstehen. „Ich möchte arbeiten, die Tätigkeit tut mir gut“, sagt er. „Deshalb liegt mir dieser Job auch so am Herzen. Ich brauche ihn“, so Sterll.

Ähnlich geht es Alexander Haas. Der 49-Jährige arbeitet seit 23 Jahren bei der Stadtreinigung. „Als ich anfing, war ich noch gesund. Da habe ich alles von Sperrmüll bis hin zu Müllabfuhr gemacht“, sagt er. Doch vor etwa acht Jahren begann sein Rücken Probleme zu machen. Auch Haas hatte mehrere Bandscheibenvorfälle, Operationen und Beschwerden folgten. Seitdem ist nichts mehr wie es war. „Der Schmerz ist immer da“, sagt er.

Spätestens ab Herbst wird die Arbeit nicht mehr zu schaffen sein

Seine Vorgesetzten wussten von alldem. „Für die Stelle, die ich jetzt habe, habe ich hart gekämpft“, so Haas. Er hat weniger Lohn in Kauf genommen, um Tätigkeiten machen zu können, die mit seinen Beschwerden zu vereinbaren sind, war zuvor in der Entgeltgruppe 4. Der 49-Jährige hat vier Kinder zu ernähren, zwei davon sind noch Kleinkinder. „Mein jüngster Sohn ist elf Monate alt, meine Tochter zwei Jahre alt“, so Haas. Deshalb sagt er: „Ich möchte unbedingt arbeiten.“

Deswegen verstehen die beiden nun die Welt nicht mehr. An den Tag, als die neuen Dienstpläne kamen, können sie sich gut erinnern. „Unter anderem sollen wir laut den neuen Plänen auch Parkbuchten reinigen“, sagt Sterll. „Das bekommen wir im Moment noch hin. Aber wenn Herbst und Winter kommen und wir Laub oder Schnee beseitigen müssen, werden wir das nicht schaffen.“ Haas: „Das sind schwere Gewichte, die wir dann heben müssen, ich kann aber kaum einen Eimer anheben, das wissen unsere Vorgesetzten.“

Mitarbeiter stört die Umgangsweise

Doch das scheint ihnen egal zu sein, so die Vermutung von Sterll. Vor allem die Umgangsweise stört ihn: „Der Ton, der da an den Tag gelegt wurde, war erschreckend.“, sagt der Bargteheider. Ohne Vorwarnung sei ihnen eröffnet worden, welche Tätigkeiten sie übernehmen müssen. Sterll: „Man sagte uns: Wenn ihr das nicht könnt, brauchen wir euch hier nicht.“

Warum die Stadtreinigung sich entschieden hat, die Arbeit umzustrukturieren, darüber können die beiden nur spekulieren. Die neuen Pläne gelten laut Haas und Sterll bereits. Nach diesen arbeiten sie nun auch, „sofern wir das irgendwie mit unserer Gesundheit vereinbaren können“, so Sterll. Die Aufgaben, die sie nicht erledigen können, müssen sie liegen lassen. Sterll vermutet: „Das ist gewollt. Vielleicht hofft man, dass Bürger sich beschweren.“ Das hätte möglicherweise Konsequenzen, fürchten sie. Sterll habe bei der Schwerbehindertenbeauftragten angerufen, auch dort keine Hilfe erfahren.

Körperliche Eignung noch nicht abschließend bewertet

Bei der Stadtreinigung Hamburg nachgefragt, sagte der stellvertretende Pressesprecher Johann Gerner-Beuerle: „Die Kollegen wurden vor der Änderung von ihrer Führungskraft über die künftigen Aufgaben informiert. Die Führungskräfte sowie die Personalvertretung stehen weiter im Austausch mit den Mitarbeitenden. Darüber hinaus wird aus betriebsärztlicher Sicht die körperliche Eignung für die künftige Tätigkeit noch abschließend bewertet. Erst danach erfolgt unter Einbeziehung der Personalvertretung eine finale Aufgabenübertragung.“ Und was ist der Grund für die Änderungen? 2020/21 habe es eine wissenschaftlich begleitete Überprüfung der Leistungsbemessung durch die Teams der Reinigung gegeben. „Nach Vorlage der Ergebnisse erfolgte eine Neuplanung, indem die zu erbringenden Leistungen neu aufgeteilt und vorhandene Synergien genutzt wurden“, so Johann Gerner-Beurele.

Grundsätzlich sei der Stadtreinigung die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden wichtig. „Bei körperlichen Einschränkungen wird unter Einbeziehung der Personal- und Schwerbehindertenvertretung sowie des Gesundheitsmanagements nach Lösungen gesucht. Beispielsweise werden leidensgerechte Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt“, so der Sprecher. Doch genau das sei momentan nicht der Fall, beklagen Sterll und Haas. Sterll: „So eine Behandlung hat keiner verdient.“