Kiel/Elmshorn. Neue Ermittlungsdetails kommen im Kieler Innenausschuss ans Licht. Was der radikalisierte Islamist vorhatte - das waren seine Pläne.
Nach der Verhaftung eines mutmaßlich islamistischen Terroristen (17) in Elmshorn hat sich am Mittwoch der Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtages mit dem Fall befasst. Dabei wurde erstmals offenbar, wie weit die Planungen für den geplanten Terroranschlag tatsächlich vorangeschritten waren.
„Der Verdächtige hat sich im Oktober mit einer bislang nicht identifizierten Kontaktperson im Ausland dazu verabredet, gemeinsam einen Anschlag auf einen nicht näher konkretisierten, willkürlich ausgewählten Personenkreis zu begehen“, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Flensburg, Stephanie Gropp, den Abgeordneten mit.
Terroranschlag geplant: Festgenommener Schüler (17) aus Elmshorn wollte Märtyrertod sterben
Ziel sei es gewesen, den Märtyrertod zu sterben, also nach islamistischer Auffassung ins Paradies zu gelangen. „Dabei hat die Planung des Beschuldigten durchaus konkrete Formen angenommen, auch wenn keineswegs alle Einzelheiten ausgearbeitet waren.“ Der 17 Jahre alte Elmshorner habe zwei Tatzeitpunkte ins Auge gefasst, wollte entweder im Dezember oder im Januar zuschlagen.
„Der Beschuldigte hat sich intensiv mit den Anschlägen der letzten Jahre befasst, die im In- und Ausland stattgefunden haben“, so die Oberstaatsanwältin. Besonders im Fokus habe dabei der Anschlag in Nizza aus dem Jahr 2016 gestanden, bei dem während des Nationalfeiertages ein Lastwagen durch eine Menschenmenge fuhr und 86 Menschen starben.
„Die Nutzung eines Lkw war eine mögliche Modalität“, so Gropp. Es seien jedoch auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen worden. „Der Beschuldigte war keineswegs festgelegt.“ Auch was das Anschlagsziel angeht, sei noch keine Festlegung erfolgt. Medienberichte, wonach ein Weihnachtsmarkt getroffen werden sollte, „spiegeln so nicht unsere Erkenntnisse wider“, so die Oberstaatsanwältin.
„Das hätte so sein können. Es hätte aber auch jede andere Menschenmenge sein können, ein Fußballspiel, ein Konzert, ein Bahnhof.“ Die Festnahme des Beschuldigten sei das Ergebnis von intensiven und sorgfältigen Ermittlungen der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes sowie der Staatsanwaltschaft Flensburg gewesen.
Mutmaßlicher Terrorist aus Elmshorn bekam bereits im März Besuch vom SEK
Bereits im März dieses Jahres habe der jetzt festgenommene Elmshorner einen ersten Besuch von den Ermittlungsbehörden erhalten, die dabei „nicht gerade mit kleinem Besteck“ vorgegangen seien. Gropp: „Er wusste also, dass die Ermittlungsbehörden ihn im Visier hatten.“ Dies habe den 17-Jährigen jedoch nicht beeindruckt, er habe unbeirrt seine Ideologie weiter verfolgt und sich zuletzt immer weiter radikalisiert.
„Anfang November hatten wir die Erkenntnisse, die uns die Möglichkeit gegeben haben, zuzugreifen.“ Der Zugriff sei erfolgt, bevor der Beschuldigte in die eigentliche Umsetzung eintreten konnte, daher sei es nicht zu einer konkreten Gefährdung der Bevölkerung gekommen.
Gericht hat dringenden Tatverdacht wegen Verabredung zum Mord bejaht
Der Haftbefehl sei nach Paragraf 30 des Strafgesetzbuchs wegen Verabredung zu einem Verbrechen, hier einem Mord, erlassen worden. Auch wenn noch nicht alle Einzelheiten des Anschlags feststanden, habe das Gericht einen dringenden Tatverdacht bejaht. Voraussetzung dafür sei, dass die wesentlichen Grundzüge des zu begehenden Verbrechens konkret feststünden. Das sei hier der Fall.
Gegen den Elmshorner werde auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat nach Paragraf 89 des Strafgesetzbuchs ermittelt. Hier sei jedoch juristisch noch kein dringender Tatverdacht gegeben, weil der Beschuldigte noch nicht in die Umsetzungsphase eingetreten sei, also sich beispielsweise einen Lkw beschafft habe.
Die Ermittlungsbehörden hätten jedoch jede Gefährdung der Bevölkerung vermeiden wollen, sie hätten den Sachverhalt sehr ernst genommen und seien sofort eingeschritten, als in einem der möglichen Anklagepunkte ein dringender Tatverdacht gegeben war. Der Elmshorner werde nach Jugendstrafrecht behandelt, ihm drohe eine Höchststrafe von zehn Jahren.
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Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und Justizministerin Kerstin von der Decken (beide CDU) lobten in ihren Redebeiträgen die „hervorragende Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden“. Der Fall aus Elmshorn zeige, dass sich die Gesellschaft auf die Strafverfolgungsbehörden verlassen könne.
Genauere Angaben zum Beschuldigten wurden aus Schutz seiner Persönlichkeitsrechte nicht gemacht. Gesagt wurde lediglich, dass der 17 Jahre alte Elmshorner zwar türkische Wurzeln habe, jedoch die deutsche Staatsbürgerschaft besitze. Ob er auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, sei noch in der Prüfung.
Elmshorn: Beschuldigter 17-Jähriger ist Absolvent einer Sonderschule
Laut Medienberichten soll der Beschuldigte eine Sonderschule für Schüler mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung in Elmshorn besucht haben. Laut den Ermittlungsbehörden hat sich der Elmshorner, der noch mit seiner Mutter zusammenlebte, in den vorigen Monaten zunehmend radikalisiert und der geplante Anschlag sei Ausdruck seiner islamistisch-extremistischen Einstellung.
Fragen der Abgeordneten, wie genau die Ermittlungsbehörden auf den Elmshorner aufmerksam geworden sind, wurden nicht beantwortet. Angedeutet wurde allerdings, dass Medienberichte, wonach der Tipp eines befreundeten ausländischen Geheimdienstes auf die Spur des Heranwachsenden führte, zutreffend sein könnten.
Festnahme am 6. November erfolgte durch ein Spezialeinsatzkommando
Bereits im März soll ein Sondereinsatzkommando dem jungen Mann erstmals einen Besuch abgestattet haben. Die Festnahme am 6. November erfolgte ebenfalls durch diese speziell geschulten Kräfte. Landesregierung und Ermittlungsbehörden wollen den Parlamentariern nach Abschluss der Ermittlungen und erfolgter Anklageerhebung noch einmal Rede und Antwort stehen.
Der Prozess gegen den Elmshorner, der bis Anfang Mai2025 vor dem für den Fall zuständigen Landgericht Flensburg erfolgen müsste, wird aufgrund des Alters des Beschuldigten komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.