Halstenbek. Tom Protzek hatte 2021 verletzungsgeplagt beim Kiezklub keine Zukunft. Warum er trotzdem an den Traum vom Profifußball glaubt.

„So kurios es klingt, muss ich wahrscheinlich froh sein, dass mir der FC St. Pauli 2021 keinen neuen Vertrag gegeben hat.“ Denn Tom Protzek hat sich eine andere Tür zum Profi-Fußball angeboten. Also: Die Klinke gedrückt und rein ins große Abenteuer. Er kickt in den USA abwechselnd für die zweite Mannschaft von New Mexiko United und für das starke College-Team der Tulsa Golden Hurricanes.

Fußballer in den USA: Tom Protzek macht sich durch seine selbstlose Spielweise interessant

Der 23 Jahre alte Halstenbeker spielt sich dort als „Pass First Guy“ in den Vordergrund.  Also als einer, der uneigennützig lieber den besser postierten Nebenmann einsetzt, als selbst den Torabschluss zu suchen. Damit weckte er Interesse in der ersten Liga (Major League Soccer) und in Albuquerque, Standort der vereinigten Neu-Mexikaner (USL Championship/2.Liga). „Ich empfinde meinen Weg als großartig“, sagt er. 2024 wird das Jahr, in dem sich seine sportliche Zukunft jenseits des „großen Teichs“ entscheidet.

Protzek
Tom Protzek (am Ball) im Einsatz für die Tulsa Golden Hurricanes. © privat | Privat

Mutter Janina Sambold, neue Team-Managerin der SV Halstenbek-Rellingen (Oberliga Hamburg), aus deren Beziehung mit dem frühen Oberliga-Stürmer Martin Protzek (VfL Pinneberg, Raspo Elmshorn, Wedeler TSV, TSV Uetersen, SVHR) der Sohn hervorgegangen ist, ließ den Tränen freien Lauf. Das war am 10. Juli 2021 am Flughafen Fuhlsbüttel, als die Lufthansa-Maschine mit Tom Protzek an Bord am Horizont verschwand. Über London und Denver ging es nach Tulsa, zweitgrößte Stadt im US-Bundesstaat Oklahoma.

Eine Agentur vermittelt Tom Protzek mit einem Stipendium von 65.000 Euro jährlich nach Tulsa

Vermittelt von einer Agentur, die nach talentierten Fußballern Ausschau hält, studiert der Fachabiturient dort Management. Die Universität gewährt ihm ein Stipendium im Wert von 65.000 Euro pro Jahr, mit dem es sich sorglos leben lässt. Der gebürtige Pinneberger zahlt mit Leistung zurück. Dabei bewegt sich seine Mannschaften auf einem Niveau, das er mit „deutschem Regionalliga-Durchschnitt“ vergleicht.

Und wenn es mit dem Profi-Fußball in den Vereinigten Staaten nicht klappt? „Dann werde ich mich im ersten Halbjahr 2025 auf Reisen begeben und mich in Europa umsehen.“ Als leuchtendes Beispiel dient der gleichaltrige Jannes Wieckhoff, Sohn des früheren HR-Verteidigers Thomas Wieckhoff und in Schenefeld zur Welt gekommen, der es nach viel Verletzungspech am Millerntor in die Stammelf von Heracles Almelo (niederländische Ehrendivision) schaffte.

Von Protzeks Mitstreitern aus U19-Zeiten schaffen es mehrere in den Profifußball

Von Protzeks Mitstreitern in der U19 des FC St. Pauli landete Finn Ole Becker aus Elmshorn (23) sogar in der 1. Bundesliga (TSG Hoffenheim). Sam Schreck (24), wie Protzek gebürtiger Pinneberger, bringt es in der 3. Liga bei Arminia Bielefeld auf einen Marktwert von 350.000 Euro. Niclas Nadj, früher Blau-Weiß 96 Schenefeld (22), setzte sich beim SC Paderborn (2. Liga) durch.  

Weniger Glück hatte der Pinneberger Robin Kehr (23), den schwere Verletzungen nach sieben Zweitliga-Einsätzen und zwei tollen Toren bei der Spielvereinigung Greuther Fürth (2. Liga) ausbremsten – Sportinvalidität.

Mit allen genannten Akteuren sah sich Tom Protzek stets auf einer Stufe – bis es ihn in der Vorbereitung auf die Saison 2019/20 unter Trainer Joachim Philipkowski „erwischte“. Auf dem Kunstrasen an der Kollaustraße erlitt er einen Riss der Syndesmose, rechtes Wadenbein. In Göttingen musste er operiert werden, welch ein Horror-Start in sein erstes Herrenjahr nach zuvor schon drei Einsätzen als Jugend-Kicker in der Herren-Regionalliga.

Auf dem Weg zum Comeback beenden zwei Corona-Spielzeiten Protzeks St.-Pauli-Karriere

Auf einem guten Weg zum Comeback kamen ihm dann Covid-19 und der Abbruch von zwei Spielzeiten (2019/20, 2020/21) ganz entscheidend in die Quere. Als ihn Philipkowski schließlich „aussortierte“, wurde ihm etwas klar: „Fußball ist ein hartes Geschäft ohne Rücksicht auf persönliche Schicksale. Wenn es einen dann selber trifft, darf man sich aber nicht unterkriegen lassen, sondern muss einen neuen Weg beschreiten.“

Protzek und Family
Ein wahre Fußballerfamilie: Tom Protzek (M.) verbringt seinen Heimaturlaub aus den USA mit Großvater Uwe Krauel und Mutter Janina Sambold. © Wolfgang Helm | Wolfgang Helm

Die Familie, die auf zwei Stockwerken unter einem Dach wohnt, hielt und hält zu ihm, das gibt Tom Protzek Kraft. Mutter Janina heiratete in der Bokeler Mühle Simon Sambold, und der Sohn hob in einer Rede, die alle berührte, den Zusammenhalt hervor.

Opa Uwe fährt Jugendfußballer Tom „wohin auch immer ich wollte“

Besonderer Dank gilt Uwe Krauel (83), früherer Mittelfeldspieler und langjähriger Zweiter Vorsitzender der SVHR. „Er hat mich durch die Gegend kutschiert, wohin auch immer ich wollte. Opa war für mich da.“  Die Großmutter bewies auch Weihnachten wieder ihre Kochkünste. Früher hatte Monika Krauel im Clubheim die Kicker bewirtet. Tochter Janina half gelegentlich am Tresen aus. So fügte sich eins zum anderen.

Mehr zum Thema

Etliche Jahre später beeindruckte Janina Sambold mit einem flammenden Appell an den Teamgeist, den sie nach dem Hass+Hatje-Cup im Juli an die Halstenbeker Spieler richtete. Wie einst ihr auch im „weißen Sport“ bewanderter Sohn (4. Platz in Hamburg/U 14) hatte die Polizeibeamtin auf der vereinseigenen Sportanlage am Thesdorfer Weg dem Tennis gefrönt.

Janina Sambold möchte eines Tages den Namen ihres Sohnes auf der HR-Kaderliste sehen

Als Protokollführerin gehörte sie dem Vorstand an, anschließend beerbte sie Sascha Jost am Stadion-Mikrofon. Seit einem Jahr sorgt sie – mit Erfolg – für Ausgeglichenheit im Verhältnis der Spieler, der Trainer und des Vorstands untereinander. Größter Wunsch: „Eines Tages möchte ich Toms Namen in unserer Mannschaftsaufstellung durchsagen.“

Ganz wie der auf dem Platz mit allen Wassern gewaschene und nicht auf den Mund gefallene Martin Protzek, zu dem er einen guten Kontakt pflegt, wird der Sohn ein bisschen frech. „Vielleicht ja, wenn ich 40 bin.“ Mitte Januar endet sein fünfter Heimatbesuch. Beim siebten oder achten gibt es die Tendenz, ob der Weg des Tom Protzek in den Profi-Fußball oder ins Sport-Management führt.