Pinneberg. Ingeborg Crause ist Fan von Jane Fonda und leitet seit mehr als 35 Jahren das Training. Und es ist nicht das Einzige, was sie lehrt.
Dienstagvormittag: Im rechten Teil des großen Gymnastik- und Tanzsaals beim VfL Pinneberg wird es zum Ende der Übungsstunde noch einmal richtig lebhaft. Die Teilnehmerinnen der Aerobic-Gruppe gehen nun ohne Unterbrechung und mit viel Elan und im Normaltempo die neuen Schrittfolgen durch.
All das hat Ingeborg Crause mit ihnen einstudiert. Es läuft super. Zufrieden und fröhlich strahlend packen die Tänzerinnen und ihre Anleiterin ihre Sachen zusammen.
Energiebündel: Ingeborg Crause wird für ihre kurzweiligen Kurse gelobt
„Das ist so schön mit Ingeborg“, klingt es aus der Runde. „Mit Ingeborg wird es nie langweilig, sie denkt sich immer wieder was Neues aus.“ Die so Gelobte hört das gern, dabei zieht sie doch auch selbst einen großen Nutzen und viel positive Energie aus diesen Trainingsstunden im Vereinshaus am Fahltskamp 53.
„Aerobic ist ja nicht einfach nur tänzerisches Bewegen“, sagt die 82 Jahre alte Pinnebergerin, die selbstverständlich alle Übungen zusammen mit ihrer Gruppe umsetzt. „Aerobic ist zum Beispiel auch ein optimales Rückentraining, es spricht alle Muskeln an, aktiviert das Herz- und Kreislaufsystem und ganz wichtig: Der Kopf ist gefordert.“ Wichtigster Punkt ist und bleibt in Crauses Augen aber der Spaß an der Sache: „Ohne diese Freude geht es nicht. Das ist die Motivation, um dabei zu bleiben.“
Vor 40 Jahren ahnt Ingeborg Crause nicht, welche Rolle Sport in ihrem Leben spielen wird
Dass sie allerdings überhaupt einmal an diesem Punkt in ihrem Leben stehen würde, sich Woche für Woche Gedanken zu machen, wie sie diese Freude an ihre Kursteilnehmerinnen weitergeben kann, das hätte sich die Ingeborg Crause aus den frühen 80er-Jahren und den beiden Jahrzehnten zuvor niemals erträumt.
„Ich bin im Schatten des Schlosses Neuschwanstein aufgewachsen und habe dann nach Schule und Ausbildung angefangen, für das Auswärtige Amt zu arbeiten“, erinnert sich Ingeborg Crause. „Meine erste Station war dann Brasilien, São Paulo. Für eine alleinstehende Frau von 20, 22 Jahren wie mich war es zu der Zeit praktisch nur über das Auswärtige Amt möglich, alleine ins Ausland zu gehen.“
Auf der zweiten Auslandsetappe in Portugal lernt Crause ihren späteren Ehemann kennen
Eine erste Erfahrung, die bei Ingeborg Crause Lust auf mehr geweckt hat. „Meine zweite Versetzung führte mich nach Portugal, wo ich dann auch meinen Mann kennengelernt habe“, erzählt sie von dem Moment, der ihr Leben fortan prägen sollte. „Und das war dann mein Schicksal; er war Hamburger. Deshalb bin ich dann letzten Endes hier im Norden gelandet.“
Allerdings nicht ohne eine weitere Etappe in der Ferne, die auch noch zusätzlich Bedeutung für ihr jetziges Leben bekommen sollte. „Von Portugal ging es für uns beide nach Singapur; ganze sieben Jahre lang. Und als es dann aus Singapur zurückging, landeten wir in Pinneberg. Das war dann doch zuerst ein kleiner Schock.“
Nach sieben Jahren in Singapur geht es zurück nach Deutschland – nach Pinneberg
Zwar arbeitete ihr Mann in Hamburg, „aber meine Schwiegermutter hatte in Vorbereitung unserer Rückkehr für uns eine Bleibe gesucht. Und das wurde dann eben Pinneberg, in Thesdorf leben wir jetzt.“ Doch von besagtem kleinen „Pinneberg-Schock“ wollte sich Ingeborg Crause, für deren zwei Töchter der Funke nicht übersprang und die sich ihre Lebensmittelpunkte in Frankfurt und bei Lübeck gesucht haben, nicht lange beeindrucken lassen.
„Da habe ich mir nach kurzer Zeit gesagt: Flucht nach vorne“, erinnert sich Ingeborg Crause an die Entscheidung, die ihr weiteres Leben bis jetzt beeinflussen sollte. „Über das Kursheft von der Volkshochschule kam ich auf die Idee, dass ich Kurse bei der VHS anbieten könne, und halt auch Sport beim VfL. Das hat gleich von Anfang an sehr viel Spaß gemacht.“
Bei der VHS Pinneberg bietet die Heimkehrerin asiatische Kochkurse an
Bei der Volkshochschule bot die Heimkehrerin aus dem Fernen Osten Kochkurse an. „Asiatische Küche. Und die war überraschenderweise sofort ein Erfolg“, wundert sich Ingeborg Crause immer noch darüber, dass ihr „Mitbringsel“ als Weltenbummlerin so gut ankam. „Fast 40 Jahre lang habe ich dann Kurse angeboten. Thailändisch, chinesisch, indisch, orientalisch – das alles hat viel Spaß gemacht, hat mich aber nie von meiner ganz großen Leidenschaft abbringen können: Bewegung.“
Denn ein altes geflügeltes Wort birgt (nicht nur) nach Ansicht von Ingeborg Crause eine große Wahrheit in sich: Wer rastet, der rostet. „Man darf nie aufhören mit bewegen, das ist die Devise“, mahnt die 82-Jährige. „Ich habe keine Knie-, Schulter oder Hüftprobleme; Sport ist auch gesund halten.“
Jane Fonda ist das große Aerobic-Vorbild für Ingeborg Crause
Und da kamen der VfL Pinneberg und Jane Fonda ins Spiel. „Jane Fonda hat den Aerobic Sport wunderbar in Szene gesetzt und hat dabei auch so wichtige Elemente wie das Aufwärmen salonfähig gemacht“, berichtet Crause von ihrem Vorbild, das fast ein Jahrzehnt lang mit Aerobic-Videos die Szene beherrscht hatte. „Diese Leichtigkeit und Freude wollte ich vermitteln.“
Das ist der „Wahl-Pinnebergerin“ offenbar gelungen. Ihre Aerobic-Kurse werden gut und immer wieder besucht. So beständig, dass sie der VfL Pinneberg nun beim Traditionstreffen 2023 für über 35 Jahre als Übungsleiterin mit der Silbernen Verdienstnadel des größten Pinneberger Breitensportvereins ausgezeichnet hat.
VfL-Geschäftsführer Uwe Hönke weiß ganz genau, was er an der stets lächelnden 82-Jährigen hat: „Ingeborg Crause lebt wie kaum eine Zweite den VfL-Slogan ,unser sportliches Zuhause‘. Sie stellt damit immer wieder unter Beweis, dass Sportvereine viel mehr als bloße Bewegungsanbieter oder Dienstleister sind.“
Neben weiteren Sporteinheiten nur für sie selbst liest Ingeborg Crause auch viel
Dabei lässt Ingeborg Crause nicht nur andere auf Touren kommen. „Ich selbst treibe für mich auch noch zweimal pro Woche Sport“, sagt das unermüdliche Energiebündel, das aber auch den Kopf auf seine Kosten kommen lässt. „Ich lese viel, vor allem auch Zeitungen. Ich halte noch sehr viel von analogem Lesen. Auf einem Display etwas zu lesen ist für mich immer anstrengender als etwas Gedrucktes.“
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Bewegung für Körper und Geist sind essenziell für das Wohlergehen, weiß Crause. „Aber halt auch die sozialen Kontakte. Und dafür spielen Volkshochschule und der VfL Pinneberg eine wichtige Rolle in meinem Leben“, sagt die in Pinneberg sesshaft gewordene Weltenbummlerin, die 1986 im Keller des VfL ihre ersten Fitnessübungen absolviert hat. „Ein Verein ist einfach anders als ein Fitnessstudio, hier ist es weniger oberflächlich, menschlicher. Dort und in der VHS haben sich sogar Freundschaften gebildet.“
Zufriedenheit erlangen und weitergeben, das ist Crauses Ziel beim Aerobic
Und um diese engen Kontakte noch lange pflegen zu können, wird die Bewegung immer diesen hohen Stellenwert für Ingeborg Crause behalten. „Denn im normalen Alltag wird der Körper nicht sonderlich gefordert, aber er will gefordert werden“, betont die 82-Jährige, der ihr Geburtsjahrgang nicht ansatzweise anzusehen ist.
Ihr Rezept ist einfach: „Bewegung ist ja wie gesagt positiv für die Psyche, sie erzeugt eine innere Zufriedenheit. Und die ist doch das wichtigste Gut, das wir haben können. Diese Zufriedenheit weiterzugeben, das ist mein Ziel in den Kursen, die ich anleite.“