Elmshorn. Tjade Carstensen ist Einreiter bei der Versteigerung – und im deutschen Nachwuchsnationalteam. Warum er in Elmshorn fast zu Hause ist.

Wenn Pferde auf Auktionen angeboten werden, ist das immer ein Hingucker und zugleich eine Markttaxierung für Züchter, Liebhaber, Reiter und Käufer. Dreh- und Angelpunkt ist die Fritz-Thiedemann-Halle in Elmshorn; 28 Pferde standen hier diesmal zum Verkauf, der Holsteiner Verband als Veranstalter nennt diese Versteigerung „Elite-Reitpferdeauktion“.

Diese Elite wird grundsätzlich von erfahrenen Reitern präsentiert. Einer von ihnen ist Tjade Carstensen, der selbst zur Elite der deutschen Springreiter gehört – und das, obwohl er erst 18 Jahre alt ist. Denn der neue, seit September amtierende Junioren-Landesmeister aus der kleinen schleswig-holsteinischen Gemeinde Sollwitt ist Kaderreiter im deutschen Springsport. Das bedeutet, er gehört zur Nationalmannschaft der Nachwuchsreiter.

Auktion: Wie es ist, 125.000 Euro teure Pferde in den Ring zu reiten

Und der Nordfriese ist bestens mit Elmshorn vertraut. Schon als 14-Jähriger assistierte er seinen älteren Schwestern Teike (25) und Beeke (22), wenn sie in Elmshorn Auktionspferde präsentierten. „Die Fritz-Thiedemann-Halle ist gefühlt mein zweites Wohnzimmer. Ich kenne hier jedes Schlagloch“, sagt Carstensen.

Egal, ob in Elmshorn Meisterschaften ausgetragen werden oder Auktionen auf dem Programm stehen, Tjade Carstensen war und ist immer dabei. Und war nach und nach bei Turnieren so erfolgreich, dass er von der deutschen Reiterhochburg FN in Warendorf in den Kader der Springreiter berufen wurde. Das ist natürlich auch eine Visitenkarte für die Auktionspräsentationen des Holsteiner Verbands. Leistungen, Fachwissen im Sport und die Erfahrungen mit jungen Pferden zählen.

Hofleben: „Meine Oma Margit bekocht jeden Tag pünktlich um 13 Uhr die Familie“

Da kann Tjade komplett aus dem Vollen schöpfen. Die Zucht auf seinem elterlichen Hof in Sollwitt (Kreis Nordfriesland) ist mit mehr als 70 Pferden, darunter Sportpferde, Zuchtstuten, Fohlen und Aufwuchspferde, voll bestückt. „Wir nennen es auch liebevoll Pferdekindergarten.“ Der Tag beginnt im Stall um 7 Uhr, füttern, misten, Pferde rausbringen, putzen, je nach Ausbildungsstand. Was so einfach klingt, ist mit harter Arbeit in einem Familienbetrieb verbunden.

„Meine Oma Margit bekocht jeden Tag pünktlich um 13 Uhr die Familie zur Mittagszeit.“ Im Schnitt sitzen elf Personen am Tisch - inklusive Mitarbeiter. Eben noch der alte Schlag und für den Teamgedanken gut. „Probleme, Lieferungen und Ratschläge rund um die Landwirtschaft werden besprochen. Und ganz wichtig, es wird immer über Anpaarungen mit Hengsten philosophiert“, sagt Tjade.

Abstimmung in der Familie: „Das klappt bestens, Papa und ich verstehen uns blind“

Sein Opa hält mit seinen 75 Jahren alles zusammen, die Logistik zwischen Tierarzt, Hufschmied, Futterlieferanten läuft in Abstimmung mit dem Team und Tjades Vater Jörg Carstensen (51). „Das klappt bestens, Papa und ich verstehen uns blind“, sagt Tjade, der als kleiner Junge zum ersten mal auf dem Pferd saß und nun seine Ausbildung zum Pferdewirtschaftsmeister komplett im elterlichen Betrieb anstrebt. Mit erstklassigen Lehrern. Seine Mutter Yvonne (50) nahm als Springreiterin bis zu 1,40 Meter hohe Hürden, sein Vater Jörg hat das goldene Reiterabzeichen im Spring- und Dressursport.

Tjade Carstensen
Tjade Carstensen reitet im Holsteiner Verband Pferde ein. © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Beim Holsteiner Verband sind bei Auktionen und Hengstpräsentationen reiterliches Können und ein feines Händchen gefragt. Gut, dass Tjade Carstensen in die Szene reingewachsen ist. Junge Tiere laufen manchmal nicht in der Spur, Training und Kondition sind nicht alles. Pferde lesen zu können und im Sattel zu spüren, was kann ich wie bei einem jungen Pferd abrufen, geht nur mit viel Erfahrung.

Für die Elite braucht Carstensen erfahrene Pferde

Um sich im Kadersport mit Hindernissen bis zu 1,50 Meter Höhe zu bewähren, braucht Carstensen erfahrene Pferde. Der ganze Stall seiner Eltern ist voll mit Nachwuchspferden, da musste die Familie geeignete Tiere zukaufen. Seine neun Jahre alte Stute Zapzarap und seine acht Jahre alte Holsteiner Stute Capricioso entsprechen diesen Anforderungen und haben in dieser Saison beindruckende Leistungen gebracht.

Die schriftliche Einladung der FN zur Jumping Youngstars in Aachen ist eine reine Formsache; es sei denn, Tjade Carstensen würde verletzungsbedingt ausfallen. In Aachen treffen sich vom 7. bis 10. Dezember die besten Nachwuchsreiter der Nation. Wenn er dort erfolgreich sein sollte, folgt die nächste Einladung – und zwar zu den VR Classics in Neumünster vom 15. bis 18. Februar 2024. „Dort teilnehmen zu dürfen, wäre ein persönliches Highlight“, sagt der amtierende Landesmeister. „Es ist ein Stück Heimat für mich.“

Auktion: Das teuerste Pferd ging für 125.000 Euro weg

Unterdessen hat Auktionator Hendrik Schulze-Rückamp fast alle angebotenen Pferde auf der „Elite-Reitpferdeauktion verkauft. Der Durchschnittspreis liegt bei rund 40.000 Euro pro Pferd. Der Pinneberger Züchter Carsten Lauck erzielte für seinen Hengst Fien Jung 48.000 Euro. Das teuerste Pferd ist mit 125.000 Euro der vierjährige Nightwish.

Der Wallach aus der Zucht des Holsteiner Verbandes gehört künftig zum Deutschen Olympischen Komitee für Reiter (DOKR) im Dachverband FN; Auktionsleiter Felix Flinzer prophezeit dem „hochtalentierten Nightwish eine erfolgreiche Karriere im Top-Sport“.

Auch Familie des Einreiters ging nicht leer aus

Zweitteuerstes Pferd wurde May M, Kunden aus Italien war die turniererprobte Stute 72.000 Euro wert. 63.000 Euro zahlte eine US-Amerikanerin für die Schimmelstute Miss Colman. Das Pferde ist bereits im Springsport bis 1,30 Meter Höhe platziert. Für 57.000 Euro wechselte Cornelius von Cascadello den Besitzer. Der Fünfjährige war bereits bei Turnieren bis 1,20 Meter siegreich. Ein Kolumbianer ersteigerte für 50.500 Euro den Bundeschampionatsqualifikanten Kai von Kannan-Carpaccio.

Und auch die Familie von Tjade Carstensen fährt nicht mit leeren Händen nach Hause. Für deren Stute Merci hat ein Italiener 18.000 Euro bezahlt. „Wir sind zufrieden“, sagt Tjade Carstensen.

Weitere Informationen unter www.holsteiner.auction