Pinneberg. Regionalliga-Tennisspieler Jörn Hellfritsch schwört seit Jahren auf zusätzliches EMS-Training. Dabei wird er unter Strom gesetzt

Jörn Hellfritsch wirkt ausgepowert, er schwitzt noch leicht, doch er fühlt sich gut. Ein kurzer Gruß zum Abschluss an seinen Trainer am Eingang des Studios, dann verlässt der Tennisspieler des Pinneberger TC die „Turnstube“ an der Dingstätte und begibt sich auf die Heimfahrt. Woche für Woche wiederholt sich der Ablauf für Jörn Hellfritsch. Fast jeden Montag am frühen Abend hält sich der Herren-50-Regionalligaspieler mit einem Training der ungewöhnlichen Art fit: EMS.

Der 53-Jährige schwört auf diese Form des Ganzkörpertrainings mit der offiziellen Bezeichnung Elektro-Muskel-Stimulation. Mehr als 3000 Fitnessclubs in Deutschland bieten Trainingsmöglichkeiten in sogenannten Micro-Studios für Einzelpersonen an. Die Popularität dieses Fitnesssports hat in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen und gilt nicht etwa als vorübergehender Trend, zum Beispiel auch in prominenten Kreisen.

Dort ist in der Vergangenheit angeblich schon eine Art Besessenheit in Sachen Körper- und Fitnesskult beobachtet worden. So hat sich einst auch Boris Becker erfolgreich darin versucht, seine Fitness noch besser auszustatten. Und tatsächlich: Auch im Leistungs- und Hochleistungssport wurden mit der Zeit Vorzüge der EMS entdeckt. Die Anziehungskraft steigt weiter. Vor etwa 15 Jahren ging alles los – und die Tendenz zeigt weiter nach oben.

Die Muskulatur wird mit elektrischen Impulsen stimuliert

Bei EMS geht es darum, die Muskulatur mittels elektrischer Impulse gezielt von außen anzusteuern und zu stimulieren. Jörn Hellfritsch hat vor einem Jahr erkannt, dass regelmäßiges, wöchentliches Training auf ihn zugeschnitten sein könnte. „Im Fitnessstudio wurde es eintönig“, sagt die Nummer eins des Pinneberger Herren-50-Regionalliga-Teams.

Unter Sportlern, nicht nur im Tennis, ist mittlerweile zu hören: EMS-Aktivitäten seien etwa 20-mal intensiver als normales Training. „Schon nach 15 Minuten spüre ich meist, dass der Körper reagiert und sich etwas bewegt. Mit Gewichten muss ich mich zusätzlich nicht abgeben“, meint Linkshänder Hellfritsch, der eher zufällig über eine Probestunde zum EMS-Training kam. „Auch Stromstöße können mir nicht mehr viel anhaben, man wird schon ganz schön abgehärtet. Das bessere Körperfeeling ist hinterher ja auch der optimale Lohn.“

Auf dem Court ist Hellfritsch als zäher Widersacher bekannt

Jörn Hellfritsch ist auf dem Tenniscourt als zäher Widersacher bekannt, der körperlich zulegen kann, wenn seine Gegenüber zu schwächeln anfangen. Wer Hellfritsch, dessen „normal“ trainierender Sohn Lucas (24) in hiesigen Tenniskreisen zur Spitze zählt, auf dem Platz zusieht, wird feststellen: Der Mann spielt aggressiv, seine Schnellkraft kommt ihm bei überrissenen Schlägen zu Gute – auch dank der Reizstrom-Therapie in der „Turnstube“. Dort sind ihm mit seinem jeweiligen Personal-Coach zwei Dinge wichtig: Verbesserte Muskelkraft in kleinen Schritten und Ausdauersteigerung.

Jörn Hellfritsch in Aktion auf dem Tennisplatz.
Jörn Hellfritsch in Aktion auf dem Tennisplatz. © HA | Ha

Ein Beispiel lieferte Hellfritsch beim Punktspiel der Herren 50 gegen den THC Blau-Weiß Bad Oldesloe. Der PTC verlor die Regionalliga-Partie zwar mit 1:5, den Ehrenpunkt erkämpfte der ehemalige Spieler des LTC Elmshorn und der SV Halstenbek-Rellingen mit 10:8 im entscheidenden Match-Tiebreak. Eigentlich kaum zu glauben, denn der Waldenauer hatte eine lange Nacht hinter sich, feierte mit Freunden auf der Reeperbahn fast bis zum Morgengrauen. Und dann das. Teamkollege Andreas Otto hielt etwa acht Stunden später nicht so lange durch: 3:10 im Match-Tiebreak. Jüngst, beim 3:3 gegen den THC Neumünster, lief es für Hellfritsch als den wohl Fittesten nicht so gut. Er unterlag dem Dänen Henrik Nodskov Aaen, wenn auch nur knapp mit 5:7, 5:7.

Vier Jahrzehnte Tennis sind bislang ohne ernsthafte Verletzungen geblieben

Bei allem Ehrgeiz steckt die Nummer eins des PTC derartige Niederlagen zügig weg. Er hat schließlich nur gute Erfahrungen in fast vier Jahrzehnten Tennis gemacht – keine ernsthaften Verletzungen, kaum einmal krank ausgefallen. Sind es die guten Gene? Der Ehrgeiz beim Training? Dabei weiß Hellfritsch, dass viele Tennisanhänger sich von ihrem Sport abwenden, wenn sie älter werden. „Man kann durch den Sport Schmerzen bekämpfen“, erklärt der Besitzer des Boschdienstes an der Haderslebener Straße.

Turnstuben-Inhaber Soner Canbulat (54) benennt ebenfalls den Zusammenhang zwischen Sport und Gesundheit. „Es gibt viele Tennis- und Golfspieler mit körperlichen Problemen, die sich nicht gut bewegen und vom Orthopäden zu uns kommen. Zum Glück kann ich sagen, dass ihnen dank EMS oft geholfen werden kann.“

Keine Bange vor dem Strom – die Spannung macht das Training effizientBeim EMS-Training wird für die Elektronische Muskel Stimulation Reizstrom angewandt. Eine durchschnittliche bis gute gesundheitliche Grundkonstitution ist erforderlich. Vorrangiges Ziel ist: Stärkung der Muskelmasse, nicht nur bei Jüngeren. Erste Verbesserungen sind oft schon nach etwa drei Monaten spürbar.Der nieder- oder mittelfrequente Strom dringt in die tiefer liegenden Muskelschichten ein, fördert die Durchblutung und bringt Muskeln zum Kontrahieren. Das beeinflusst den Fettabbau positiv.Damit der Strom in die Muskeln gelangt, tragen die Trainierenden Funktionskleidung mit verkabelter Weste, Hüftgurt, Manschetten für Arme und Beine sowie eine Gesäßweste. Das Outfit ist vor dem Training angefeuchtet, damit der Strom besser leitet.Im Gegensatz zu „normalen“ Kraftübungen werden beim EMS alle großen Muskelgruppen zeitgleich über elektrische Impulse stimuliert. So ist ein effizientes Ganzkörpertraining möglich. Studien zeigen, dass EMS tatsächlich effektiv sein soll: Schneller Muskelaufbau, aber auch Lösen von Verspannungen, Linderung von Rückenschmerzen sowie Gewichtsreduzierung treten ein. Auch bei Arthrose, Bandscheibenvorfällen oder Knieproblemen kann EMS nützlich sein.
Im Normalfall reichen ein bis zwei Einheiten pro Woche
, jeweils genügen ungefähr 20 bis 30 Minuten. Das Training kostet je nach Studio etwa 20 bis 25 Euro. Ein Probetraining kann meist vereinbart werden. Mitgliedschaften dauern drei, sechs, zwölf oder 24 Monate.
Soner Canbulat (54)
, Inhaber der „Turnstuben“ in Pinneberg, Wedel und Iserbrook, sowie sieben Trainerkollegen bieten Schnupperkurse an, bei denen sie Interessierte unter fachkundiger Betreuung anleiten.Die erste „Turnstube“ ist vor acht Jahren in Iserbrook eröffnet worden. Es folgten die Filialen in Wedel vor fünf Jahren und die in Pinneberg vor drei Jahren. Hier trainieren 20 bis 80 Jahre alte Sportler oder auch Nichtsportler, die körperlich etwas für sich tun wollen. Informationen gibt es unter Telefon 04101/555 95 75 und auf der Webseite des Studios: www.turnstube.
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