Elmshorn. Kreissportverband kritisiert unterschiedliche Modelle für die nächste Zukunft. Vereine haben im Jahr 2020 rund 5800 Mitglieder verloren

Wie der erste Eindruck doch täuschen kann. Als Karsten Tiedemann, Geschäftsführer des Pinneberger Kreissportverbands, Einblick in seinen Terminkalender für den verbleibenden Wochenverlauf gewährt, wirken die Punkte eher unspektakulär. „Der digitale Neujahrsempfang der CDU steht gleich am Dienstag an, und Mark Müller und ich beschäftigen uns mit der endgültigen Installation unserer neuen EDV-Anlage in der Geschäftsstelle; ansonsten steht wenig außer der Reihe auf dem Plan“, sagt Tiedemann.

Doch begonnen hat die Woche mit einem absoluten Schwergewicht im Kalender: in einer rein internen Online-Konferenz haben sich Landessportverband und Vertreter der Kreissport­verbände mit der Landesregierung unter Mitwirkung von Ministerpräsident Daniel Günter zum Thema Sport und dessen Wiederbelebung ausgetauscht.

Noch fehlen die genauen Regeln für eine erste Öffnung des Sports zum 1. März

Ein heißes Eisen, das Tiedemann jeden Tag bewegt, auch ohne Einträge in seinem Terminkalender. „Wir wissen, dass die schleswig-holsteinische Innenministerin an Horst Seehofer einen Brief geschrieben hat, um das Thema Sport hochzuheben“, so Tiedemann. „Denn für die nahe Zukunft wissen wir bislang nur, dass Sport innen und außen mit der Familie oder einer weiteren Person möglich sein wird. Man wird also zum Beispiel wieder zu zweit Tennis spielen können. Aber die genaue Ausgestaltung ist noch nicht geklärt; wie viele Personen also bei welcher räumlichen Anordnung Sport treiben dürfen; das sind die Informationen, die uns noch fehlen.“

Wie es wieder losgehen könne, dazu gibt es verschieden lautende Denkmodelle in Form eines Stufen- und eines Perspektivplans aus Innenministerium und Landesregierung. Letzterer hat Ende Januar den Landessportverband auf den Plan gerufen. Nachbesserungen seien dringend erforderlich. So sei Kindern bis zwölf Jahren schnellstmöglich und prioritär der Zugang zu Sport und Bewegungsangeboten, also auch sämtlichen hierfür notwendigen Anlagen zu eröffnen. Auch sei zum Beispiel die Aufteilung in „kontaktarme Sportarten“ und „Kontaktsportarten“ vollkommen praxisfern. „Viel mehr Sinn macht es doch, das in jeder Disziplin mögliche Training ohne Kontakt zuzulassen und eben nur die Sportausübung mit Kontakt zu reglementieren“, verdeutlicht Tiedemann.

Die Schwimmausbildung im Land liegt seit einem Jahr brach

Dem KSV-Geschäftsführer liegt dabei besonders ein Thema im Bereich des Kinder- und Jugendsports auf dem Herzen. „Rund eineinhalb Jahre Schwimmausbildung sind kaputt. Ein riesen Nachholbedarf ist da, da muss zusätzliches Geld her; Schwimmvereine, DLRG und Schulen müssen zusammenarbeiten“, sagt Tiedemann. „Viele Kinder lernen seit einem Jahr kein Schwimmen – und Schwimmen ist ja nicht nur körperliche Betätigung; es ist eine Fertigkeit, die auch Leben retten kann.“

Barbara Ostmeier, Landtagsabgeordnete der CDU aus Hetlingen.
Barbara Ostmeier, Landtagsabgeordnete der CDU aus Hetlingen. © HA | Andreas Baum

Damit aber – nicht nur Schwimmen – unterrichtet werden kann, bedarf es des Zugangs zu Sportstätten und eines zulässigen Miteinanders. Ein wichtiger Punkt, bei dem Sportverbände und -vereine nun weitere Unterstützung aus der Politik erhalten. Am Montag äußerte sich die Landtagsabgeordnete Barbara Ostmeier mit mahnenden Worten zur Lage der Vereine und des Sports.

„Um den Sport wirklich durch die Krise zu bringen, bedarf es einer klaren Perspektive für eine stufenweise Öffnung des Sportlebens, welches sich stets an den Inzidenzen orientiert“, schreibt die Hetlingerin. „Ich betone dabei, dass es nicht um die Bevorzugung des Sports gegenüber anderen Bereichen geht, sondern um eine Gleichbehandlung. Der Breitensport ist nicht als Herd für Infektionen aufgefallen und verfügt über gute sportartbezogene Hygienekonzepte. Ich wünsche mir mehr Vertrauen in den Sport und seine Verlässlichkeit.“

Im Zuge dieses Gedankens erhebt Karsten Tiedemann eine klare Forderung: „Wenn jetzt Schulen und Kitas wieder geöffnet werden, dann ist es nur konsequent, wenn Kinder auch wieder gemeinsam Sport treiben dürfen“, so der KSV-Geschäftsführer. „Ich hoffe, dass der Stufenplan, der sich deutlich vom Perspektivplan unterscheidet, den wir in der Form ablehnen, Einfluss nimmt in die weiteren Beratungen im Land Schleswig-Holstein, dass alles noch mal in Zusammenarbeit zwischen dem Landessportverband, dem – dem Sport sehr zugetanen – Innenministerium und der Staatskanzlei überdacht wird. Schwimmen sowie Kinder- und Jugendsport ganz vorne an.“

Sportvereine verlieren 5800 Mitglieder; Trend ist nur durch Öffnung zu stoppen

Und noch ein Aspekt macht einen erkennbaren Aufschwung für den Sport nicht nur in Tiedemanns Augen dringend notwendig. „Die Erfassung ist zwar noch nicht vollständig abgeschlossen, aber es läuft wohl darauf hinaus, dass 2020 die Vereine im Kreis wie schon in ersten Schätzungen befürchtet rund 5800 Mitglieder, davon 57 Prozent Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren, verloren haben. Dieser Trend ist nur zu stoppen, wenn es endlich wieder weitergeht.“