Elmshorn. Die mehr als 100 Jahre alte Thorarolle muss repariert werden. Welchen Plan die SPD im Kreis Pinneberg jetzt hat.
Es ist der größte Schatz, den die jüdische Gemeinde in Elmshorn besitzt. Er ist eingerollt in edlen Stoff und in einem Schrein der Synagoge sicher verschlossen: die mehr als 100 Jahre alte Thorarolle – „das Wertvollste, was wir haben“, sagt Gemeindeleiterin Alisa Fuhlbrügge und fügt traurig hinzu: „Sie ist stark beschädigt. Das Pergament löst sich auf.“
Ohne die Thorarolle, in der auf Hebräisch handgeschrieben die fünf Bücher Mose aufgezeichnet sind, sei kein Gottesdienst möglich. Darum hat sie sich jetzt an die Kreistagsfraktionen gewandt und um finanzielle Unterstützung gebeten, um die Thorarolle vom Ende des 19. Jahrhunderts zu retten und sie fachmännisch reparieren zu lassen.
Jüdische Gemeinde: SPD-Fraktion stellt Eilantrag
Die SPD-Fraktion hat dazu jetzt den Eilantrag für die nächste Sitzung des Kreiskulturausschusses gestellt, der am Donnerstag, 11. November, das nächste Mal tagt. Nur so sei durch den anschließend noch notwendigen Kreistagsbeschluss eine finanzielle Unterstützung durch den Kreis Pinneberg noch in diesem Jahr möglich, begründet Fraktionschef Hans-Peter Stahl die Eile. „Wir wollen der jüdischen Gemeinde bis zu 5000 Euro zur Verfügung stellen.“
Die SPD gehe davon aus, dass sich die Mehrheit der anderen Fraktionen diesem Antrag anschließen wird. Schließlich ist Alisa Fuhlbrügge vor drei Jahren für ihre langjährigen Verdienste für die jüdische Gemeinde und den historischen jüdischen Friedhof in Elmshorn offiziell in das Bürgerbuch des Kreises Pinneberg aufgenommen worden.
Jüdische Gemeinde nutzt zurzeit eine geliehene Thorarolle
Und in diesem Jahr hat sie der SPD-Kreisverband mit dem Walter-Damm-Preis ausgezeichnet, der nach dem ersten frei gewählten Landrat des Kreises Pinneberg nach dem Krieg benannt ist und mit dem Persönlichkeiten des Kreises geehrt werden, die sich vorbildlich für soziale Belange und die Allgemeinheit eingesetzt haben.
Eile sei auch deshalb geboten, weil ein ausgebildeter jüdischer Thorarollen-Schriftgelehrter, Sofer genannt, im Dezember aus Moskau nach Elmshorn kommen wird, berichtet Alisa Fuhlbrügge. „Die komplizierte und sehr aufwendige Reparatur der alten Schriftrolle kann nur ein erfahrener Experte vornehmen.“ Und die gebe es hierzulande nicht mehr, sondern sie müssten aus Israel, aus den USA oder aus Russland eingeflogen werden. Sie hoffe natürlich inständig, dass die alte Thorarolle noch zu reparieren sei. Eine neue herzustellen koste gut 20.000 Euro. Was sich die 75 Mitglieder zählende kleine Gemeinde in Elmshorn nicht leisten könne.
Diese strengen Regeln müssen Thorarollen-Schreiber befolgen
Um überhaupt zurzeit Gottesdienst feiern zu können, habe sich die Gemeinde eine Thorarolle ausleihen müssen, erklärt Alisa Fuhlbrügge. Aber die könnte jederzeit wieder zurückgefordert werden, und dann wäre es mit dem religiösen Leben für ihre Gemeinschaft auf einen Schlag vorbei. Dazu dürfe es keinesfalls kommen, sagt SPD-Fraktionschef Stahl und fordert die Abgeordnetenkollegen im Kreistag auf, auch für eine Unterstützung der Gemeinde zu stimmen.
Thora bedeutet wörtlich Lehre, erklärt Alisa Fuhlbrügge. Im jüdischen Gottesdienst dürften nur handgeschriebene Thorarollen benutzt werden, die der Schreiber nach sehr strengen Regeln anfertigen müsse. Die Vorschriften für die Schreiber hätten sich seit dem frühen Mittelalter nicht geändert und seien im Talmud festgelegt: Kein Buchstabe, kein Wort, kein Satz dürfe ein Thoraschreiber beim Anfertigen der Thora aus dem Gedächtnis schreiben, sondern müsse Buchstabe für Buchstabe von der Vorlage korrekt abschreiben, beschreibt sie diese Tradition ihrer Religion.
Für eine vollständige Thorarolle würden 40 Pergamentblätter benötigt. Damit der Text beim Berühren nicht verwischen kann, dürfe er nicht mit den Fingern berührt werden, sondern ausschließlich mit einem Zeigestäbchen.
Auch der jüdische Friedhof braucht Pflege
Aber nicht nur die Thorarolle beschäftigt die SPD: Der von historische jüdische Friedhof in Elmshorn brauche eine regelmäßige gärtnerische Pflege. Um die abzusichern, möchte die Kreis-SPD diese Arbeit in das Gesamtkonzept der Erinnerungskultur einarbeiten, zu dem auch der Erhalt der NS-Gedenkstätte des jüdischen Kriegsgefangenlagers im Quickborner Himmelmoor (Henri-Goldstein-Haus) und die KZ-Gedenkstätte Springhirsch in Kaltenkirchen gehören. Auch der Zaun des Friedhofes müsse noch für etwa 8000 Euro repariert werden.
Die jüdische Gemeinde in Elmshorn hat sich vor 20 Jahren wiedergegründet, nachdem sie von den Nazis in den 1930er-Jahren systematisch verfolgt und verboten worden war. Wie durch ein Wunder blieb der alte Friedhof der Gemeinde erhalten. Sie hatte ihren Ursprung 1685, als der damalige Reichsgraf zu Rantzau, Christian Detlev, dem Juden Berend Lewi erlaubte, hier ein Handwerk auszuüben, seine Kinder zu unterrichten und seinem Glauben nachzugehen.
Die Geschichte des jüdischen Lebens lässt sich die Gemeinde zurzeit in einer Smartphone-App erstellen, berichtet Alisa Fuhlbrügge. Denn das jüdische Leben in Deutschland existiert noch viel länger, nämlich seit 1700 Jahren.