Elmshorn. Bahnhofsmission in Elmshorn bietet obdachlosen Menschen einen warmen Schlafplatz und Hilfe bei der Suche nach einer dauerhaften Bleibe.

Es ist kalt, und die Temperaturen werden vermutlich auch noch bis zum Frühlingsbeginn nahe des Minusbereiches bleiben. Für die Diakonie in Schleswig-Holstein Grund genug, auch in diesem Jahr das Winternotprogramm für Menschen ohne Wohnung zu starten. Noch bis Ende April hat auch die Diakonie Rantzau-Münsterdorf in Elmshorn ihr Winternotquartier an der Gärtnerstraße geöffnet.

Durchreisende Menschen, die auf der Straße leben, finden hier einen warmen Schlafplatz und Hilfe bei der Suche nach einer dauerhaften Bleibe. Die Verantwortlichkeit für das Winternotprogramm liegt beim Diakonischen Werk Rantzau-Münsterdorf und gehört zum Aufgabengebiet der Bahnhofsmission.

Notunterkunft in Elmshorn bietet Schutz vor Kälte

In dem Haus, das von der Stadt zur Verfügung gestellt wird, stehen fünf Betten bereit, zwei davon im Frauenzimmer, drei im Herrenzimmer. Die kleine Küche und ein Hauswirtschaftsraum, in der eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner stehen, werden gemeinsam genutzt. Es ist alles spartanisch eingerichtet, sagt Wiebke Turkat, Fachbereichsleiterin der kirchlichen Sozialarbeit der Diakonie sowie Leiterin der Notunterkunft und der ortsansässigen Bahnhofsmission.

Und die Unterbringung ist auch in die Jahre gekommen, aber sie ist sauber. Die meisten seien dankbar für die Hilfe. Seit Oktober gab es insgesamt 76 Übernachtungen von 15 Hilfsbedürftigen, davon sieben Frauen und acht Männer im Alter zwischen 20 und 81 Jahren. Das Winternotprogramm ist ein Erfrierungsschutz, die Verweildauer in der kirchlichen Einrichtung beträgt in der Regel drei Nächte. Dann müssen sich die Männer und Frauen eine neue Bleibe suchen.

Wiebke Turkat, Fachbereichsleiterin der Sozialarbeit der Diakonie und Leiterin der Notunterkunft und der Elmshorner Bahnhofsmission.
Wiebke Turkat, Fachbereichsleiterin der Sozialarbeit der Diakonie und Leiterin der Notunterkunft und der Elmshorner Bahnhofsmission. © Unbekannt | Anne Dewitz

Die Aufgaben der sechs Mitarbeiter der Bahnhofsmission gehen aber weit über die Zuweisung eines warmen Schlafplatzes hinaus. „Wir sind Anlaufstelle für alle Menschen, oft auch für die, die Probleme haben. Und dann versuchen wir, hinter jedes Einzelschicksal zu schauen, müssen viel hinterfragen. Das brauche viel Zeit“, erklärt die Pädagogin. Und nicht immer ist die Notunterkunft die richtige Adresse wie beispielsweise bei psychisch erkrankten Menschen. Doch gut vernetzt vermitteln die Missionsmitarbeiter vielfach Stellen, wo den Menschen dann geholfen werden kann, denn „unser Anspruch ist, den Menschen auch eine Perspektive zu geben“.

Aber Ausnahmen kommen immer wieder vor, besonders zu Corona-Zeiten. Turkat erzählt die Geschichte einer Frau, die aufgrund des Messie-Syndroms ihre Wohnung verliert. Nach der Zwangsräumung meldet sie sich in der Bahnhofsmission. Es ist den Helfern bald klar, dass die Frau wegen ihrer Erkrankung und dem angespannten Wohnungsmarkt bei einer Wohnungssuche verzweifeln werde. „Wir konnten sie doch nicht auf der Straße lassen!“ So bleibt die 58-Jährige im Winternotquartier „unter Sonderkonditionen“, bis Turkat und ihre fünf Ehrenamtliche einen Platz in einer Pinneberger Wohngruppe finden.

Die zunehmende Einsamkeit ist ein bestimmendes Thema

In einem anderen Fall hilft die Leiterin einer 81-Jährigen. Adrett gekleidet stand sie mit zwei großen Taschen nachts auf der Straße, bis die Polizei auf sie aufmerksam wurde und sie in die Bahnhofsmission brachte. „Sie hat die Eigenbedarfskündigung ihres Vermieters nicht ernst genommen“, sagt Turkat. Die Frau konnte ihr Mobiliar zwar noch unterbringen, aber eine Bleibe für sich konnte sie nicht finden, denn sie hatte keine Freunde mehr. Turkat gibt ihr ein Zimmer. Mehr war nicht nötig, denn die Rentnerin verfügte über genug Rücklagen, um sich selbst zu verköstigen. 18 Tage blieb sie in der Gärtnerstraße, bis sie dann in ein Hotel zog. „Keine Freunde, stellen Sie sich das mal vor!“

Die vermehrte Einsamkeit ist in Elmshorn ein bestimmendes Thema. Viele Menschen, die sich in der Bahnhofsmission melden, seien einsam, denn es haben sich die Familienmitglieder oder Freunde abgewandt. „Corona hat diese gesellschaftliche Entwicklung befeuert“, ist sich Turkat sicher.

Die Mission wird nicht nur von Obdachlosen aufgesucht. „Viele der Gäste besuchen uns regelmäßig, um über ihre Situation und Ängste zu reden“, sagt die 61-Jährige. Oft leben sie in ärmlichen Verhältnissen und suchen in den Räumlichkeiten den sozialen Kontakt, der ihnen durch ihre Lebensumstände so sehr fehlt. Denn hier trifft man auf Gleichgesinnte, man kann sich austauschen, ein wenig klönen. „Ihr seid die Einzigen, mit denen ich sprechen kann.“ Diese Aussage eines Gastes der Elmshorner Bahnhofsmission steht stellvertretend für viele, die seit den coronabedingten Einschränkungen darunter leiden, dass ihnen mit dem Lockdown wichtige soziale Bezüge verloren gegangen sind. Sie finden nur noch schwer Menschen, denen sie sich anvertrauen oder bei denen sie Rat, Zuspruch und auch Ermunterung finden könne. Doch Ängste, Depressionen und auch Aggressionen haben zugenommen.

Mit großer Sorge blickt Turkat auf die Kriminalität im Umfeld des Bahnhofs. Der Alkoholkonsum und der Drogenhandel haben zugenommen, stellt sie fest. Das Aggressionspotenzial ist entsprechend höher und die Hemmschwelle zu Pöbeleien und Gewalt niedriger. So komme es immer wieder vor, dass ihre Stammgäste in der Wandelhalle „aus oft haltlosen Gründen angegangen“ werden. Die Mission tauscht sich daher regelmäßig mit der Polizei, mit Streetworkern und auch dem Kriminalpräventiven Rat der Stadt aus, um Lösungen zu finden.

Das Winternotprogramm wurde 1996 ins Leben gerufen

Alleinreisende Mädchen zu schützen, war Hauptanliegen der ersten Bahnhofsmission in Berlin anno 1894. Mehr als ein Jahrhundert später klingt das beschaulich angesichts der gewaltigen Aufgaben, die die Einrichtungen heutzutage zu bewältigen hat. Sie sind eine der wichtigsten Anlaufstellen für Obdachlose, unabhängig von deren Herkunft, Geschlecht und Religion, und erster Anlaufpunkt für Menschen, die neu in der Stadt angekommen sind, etwa Flüchtlinge.

Am 1. Dezember 2007 ist die Bahnhofsmission in Elmshorn gestartet. Das Winternotprogramm wurde bereits 1994 Jahren ins Leben gerufen, nachdem in Elmshorn ein Obdachloser auf der Straße erfroren war. Seitdem fanden Hunderte von Menschen ohne feste Bleibe in der Gärtnerstraße über Nacht einen warmen Platz zum Schlafen. Sie werden von fünf Ehrenamtlichen betreut. Sie schließen die Räume – in wechselnden Schichten – täglich um 18 Uhr auf, morgens um 9 Uhr müssen die Menschen die Notunterkunft wieder verlassen.