Barmstedt. Ehepaar Marion von Oppeln und Lars Bessel war vor Ort, um mit Hilfe von „Taten statt Worte“ eine Berufsschule zu renovieren.
Kamakwie im Norden von Sierra Leone ist etwa so groß wie Barmstedt. Anders als im Kreis Pinneberg gibt es dort jedoch weder Strom noch fließend Wasser. Das westafrikanische Land gehört zu den acht ärmsten der Welt. Der Barmstedter Verein „Taten statt Worte“ unterstützt in der Distrikt-Hauptstadt seit kurzem eine Berufsschule mit etwa 200 Schülern - auch während der Covid-19-Pandemie.
Gerade sind die Initiatoren des Projekts, Marion von Oppeln und Lars Bessel, von dort zurückgekehrt. „Die Schule wurde direkt nach dem Bürgerkrieg 2002 erbaut und war dringend renovierungsbedürftig“, sagt Bessel. In der vergangenen Regenzeit war die Mauer eines Klassenraumes durch die Wassermassen einfach weggerissen worden.
Insgesamt 15.000 Euro flossen in die Grundinstandsetzung aller Gebäude, die Hälfte davon stammt aus Barmstedt. „Die korrekte Mittelverwendung über 7500 Kilometer hinweg sicherzustellen, ist nicht ganz einfach“, erklärt von Oppeln ihre Sorgen aus dem vergangenen Jahr, als eine Reise wegen der Pandemie nicht möglich war. Doch der diesjährige Besuch brachte die beruhigende Erkenntnis, dass alle Spenden ordnungsgemäß verbaut worden sind.
Das Ehepaar war 2017 zum ersten Mal in Sierra Leone für ein Buchprojekt, erzählt Bessel, der als Journalist arbeitet. Seine Frau ist Illustratorin. „Wir stießen zufällig auf die Berufsschule, wo Schneider, Maurer und Elektriker ausgebildet werden und unterhielten uns mit dem Schulleiter“, erinnert sich Bessel. „Er erzählte uns, das es viele Schulabbrecher gebe, weil sie sich das Schulgeld von 15 Euro im Jahr nicht leisten konnten. In Deutschland ist das zweimal Currywurst mit Pommes.“
Wieder zurück in Nortorf bei Wilster im Kreis Steinburg, wo sie leben, beginnt das Paar, Spenden zu sammeln, um den bedürftigsten Schülern in Sierra Leone Stipendien zu ermöglichen. Unterstützt werden sie auch vom Verein „Taten statt Worte“ mit Sitz in Barmstedt. Seitdem überzeugen sie sich jedes Jahr vor Ort davon, dass die Spenden auch ankommen und besprechen Probleme vor Ort mit den Zuständigen. Nur 2020 musste die Reise wegen Corona ausfallen. Im Februar 2021 unternahmen die Beiden einen erneuten Versuch und buchten Flüge nach Sierra Leone - nicht ohne Probleme. Für den Flughafen in der Hauptstadt Freetown reichte ein sieben Tage alter PCR-Test, doch als sie einchecken wollen, werden sie am Schalter der Lufthansa darauf hingewiesen, dass der einstündige Zwischenstopp in Brüssel einen höchstens drei Tage alten PCR-Test erfordere. „Wir mussten den Flug verschieben“, sagt Bessel. Im zweiten Anlauf klappte es dann. „In Freetown lief am Flughafen alles sehr professionell ab. Wir wurden erneut getestet.“
Corona sei in dem bettelarmen Land zudem ein untergeordnetes Thema. Ein Ebolaausbruch im Nachbarland sorgte für mehr Aufregung. Zudem sei der Bevölkerungsdurchschnitt sehr jung. Risikogruppen wie in Deutschland gebe es kaum, weil viele Menschen gar nicht alt werden. Und es gibt nicht viele Menschen mit schweren Vorerkrankungen, weil diese schlichtweg aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung an schweren Erkrankungen sterben. Trotz all der Armut und Probleme in diesem Land, sei die Sicherheitslage sehr gut und die Menschen ausgesprochen gastfreundlich, so Bessel.
Mit Geld aus Barmstedt hat das engagierte Ehepaar bereits zehn pedalbetriebene Nähmaschinen für die Schneider-Klasse der Schule angeschafft und die Hauswirtschaftsabteilung mit einer Grundausstattung versorgt. Dazu zählt eine kleine Gefriertruhe, die dank der Solaranlage auf dem Schuldach mit Strom versorgt wird. Die altersschwache Solaranlage selbst, die einst von der Hilfsorganisation „Ingenieure ohne Grenzen“ installiert wurde, wurde ein paar Jahre zuvor generalüberholt. „Wir sind sehr dankbar für diese Co-Finanzierung“, sagt Bessel, „ohne dieses Geld wäre das alles nicht möglich gewesen.“
Und die beiden haben weitere große Pläne, bei denen „Taten statt Worte“ sie unterstützen wird: Ein zweistöckiger Neubau soll dafür sorgen, dass die stetig wachsende Schülerzahl auch künftig genug Platz hat, vor allem die Computerabteilung, die regen Zulauf registriert. Auf mehr als 50.000 Euro schätzt von Oppeln die Kosten. „Gemeinsam möchten wir den Jugendlichen im Busch eine Perspektive im eigenen Land bieten und auf diese Weise auch Fluchtursachen bekämpfen“, sagt sie.
Der Verein „Taten statt Worte“ war 1979 von Rainer Sanchez in Barmstedt gegründet worden. Seitdem hat die Organisation vielfach Hilfe in Afrika, Asien und Lateinamerika geleistet und nach eigenen Angaben im Jahr 2020 Spenden in Höhe von 108.479,22 Euro erhalten. Unterstützt werden damit unter anderem Selbsthilfeprojekte in Guatemala, Sierra Leone und Tansania. „Taten statt Worte“ fördert Bildungsarbeit, Schulbau, Schulbesuch, Lebensmittelverteilung und nachhaltige Landwirtschaft. Einige Spenden erfolgten zweckgebunden für die medizinische Versorgung von KZ-Überlebenden im Baltikum.
„Die Pandemie schränkt gerade vieles ein - nicht aber die Spendenbereitschaft. Im Gegenteil: Obwohl zahlreiche Präsenzveranstaltungen ausfallen mussten, darunter unsere Spendenaktion auf dem Barmstedter Weihnachtsmarkt, bleibt die Hilfsbereitschaft auf einem hohen Niveau“, sagt Stefan Bolln, Vorsitzender des Vereins. „Viele wollen gerade jetzt Menschen an anderen Orten der Welt unterstützen, die auf Solidarität dringend angewiesen sind und auch unter Corona erheblich leiden.“ Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Dafür arbeiten die Vereinsmitglieder mit Menschen vor Ort zusammen, die sie persönlich kennen und überzeugen sich vor Ort, welche Fortschritte durch die Spenden ermöglichen. „Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Auch alle Mittel, die zum Beispiel für administrative Aufgaben oder Reisen aufgebracht werden müssen, finanzieren wir aus der eigenen Tasche“, sagt Bolln. „Wir sind dankbar für jede Spende.“
Wer helfen möchte: „Taten statt Worte e.V.“ hat das Spendenkonto DE96 2305 1030 0113 1497 36 bei der Sparkasse Südholstein. Weitere Infos: www.taten-statt-worte.org