Elmshorn. Gut 100 Menschen gehen am 1. Mai in Elmshorn für bessere Arbeitsbedingungen und für Klimaschutz auf die Straße.
Dutzende Verdi-Westen, selbst bemalte Banner und riesige Flaggen, die im Wind wehen, dazu schallt die Neufassung des italienischen Protestliedes „Bella Ciao“ aus den Lautsprechern. Am Tag der Arbeit lassen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen, gemeinsam zu demonstrieren.
Der Elmshorner Buttermarkt am Sonnabendvormittag: Erlaubt sind nur 100 Teilnehmer, dem Anschein nach haben sich jedoch einige mehr versammelt. Außer der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sind unter anderem auch der DGB, die IG Metall und die GEW präsent. Die Menschen stehen im Abstand mit Masken auf dem großen Platz, unterhalten sich oder hören den Vorträgen auf der kleinen Bühne zu. Ab und zu stockt das Mikrofon, aus der Ruhe bringen lässt sich niemand.
Am Rande der Menge, aber nicht zu übersehen, ist die Interessenvertretung der Beschäftigten der Kombibad GmbH, die auch die Wedeler Badebucht betreibt. „Wir sind hier, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Angestellten der Badebucht noch immer keine Tarifverträge haben“, sagt Anna-Lena Kaufmann, Verdi-Gewerkschaftssekretärin für die Kombibad GmbH. Dabei sei das Unternehmen eine Tochtergesellschaft der Wedeler Stadtwerke. Seit Ende letzten Jahres kämpften sie nun für die Einführung der Tarifverträge, bisher hätten sie jedoch noch keinen Erfolg gehabt. Zudem seien aktuell nur digitale Verhandlungen möglich, die der Arbeitgeber nicht gutheiße. „Ende Juli können wir hoffentlich in die Präsenzverhandlungen gehen“, so die 28-Jährige.
Auch die Beschäftigten des Aldi-Nord-Zentrallagers in Horst, das zum Ende des Jahres geschlossen werden soll, sind am 1. Mai zahlreich vor Ort, um gegen ihre Entlassung zu protestieren. Viele halten Schilder mit Aufschriften wie „Eure Gier ist unser Leid“ hoch. „206 Arbeitsplätze gehen durch die Schließung verloren“, sagt Betriebsratsmitglied Jens Glissmann. Alternative Perspektiven biete ihnen niemand: „Wir dachten, wir hätten einen sicheren Arbeitsplatz.“ Jetzt muss der 62-Jährige sich neu umsehen - vier Jahre vor der Rente.
Zwischen all den großen Plakaten und Schriftzügen sind auch die vertreten, um die es seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder geht: die Pflegekräfte aus den Krankenhäusern. Auf die schlechte Bezahlung und die hohe Belastung des Pflegepersonals wurde während der letzten Monate in den Medien häufig aufmerksam gemacht. Auch auf der Demonstration bestätigen Betroffene diese Probleme: „Wir arbeiten unter schlechten Bedingungen für schlechtes Geld“, sagt eine Krankenschwester, die anonym bleiben möchte. Sie habe dieses Jahr auf der Corona-Station ihres Klinikums gearbeitet, in vielen Schichten seien sie unterbesetzt gewesen.
Auch Norbert Wunder arbeitet im Krankenhaus, dort ist er im Rettungsdienst tätig. Sein Anliegen: weniger Arbeitsstunden. „Wir haben eine 48-Stunden-Woche, wenn wir auf unser Grundgehalt kommen wollen.“ Innerhalb des Krankenhauspersonals fühle er sich manchmal wie das fünfte Rad am Wagen, sagt der Wachleiter. Wer die Menschen im Notfall abholt, noch zu Hause erste Hilfe leistet und sie schließlich auch wieder nach Hause bringt, werde häufig vergessen. „Jemanden noch zu Hause zu versorgen ist häufig sehr schwierig“, so Wunder. „Und wenn kein Fahrstuhl da ist, müssen wir die Leute auf Tragen die Treppe herunterbringen.“ Bei überfüllten Krankenhäusern müssten die Sanitäter teilweise weit fahren, zum Beispiel nach Heide oder Lübeck. Insgesamt bedeute der Beruf eine extreme psychische und körperliche Belastung – die Bedingungen seien dafür schlecht.
In den Reden, die in der ersten Hälfte der zweistündigen Veranstaltung gehalten werden, geht es immer wieder um das diesjährige Motto „Solidarität ist Zukunft“. Solidarität bedeute heutzutage Weltfrieden, gerechtere Löhne und mehr Mitbestimmung, so die Sprecher. Auch die Jugendaktivistin Carlotta Löbner geht an diesem Sonnabend auf die Bühne und betont, dass beim Kampf gegen den Klimawandel niemand zurückgelassen werden dürfe. Aus dem Publikum gibt es viel Applaus, ab und zu ruft jemand zustimmend dazwischen.
Um 12 Uhr setzt sich ein Demonstrationszug durch Elmshorn in Bewegung. Ein offener VW-Bus fährt nebenher und beschallt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit lauter Musik.
Nächstes Jahr wollen die Gewerkschafter wieder feiern
Doch nicht alle Zuschauer sehen die Aktion ganz unkritisch. Für den Elmshorner Tull Kahl ist die Demo am Tag der Arbeit zu oberflächlich und nicht mehr zeitgemäß. „Das Ganze ist in erster Linie nur noch ein Ritual, bei dem nicht genug auf die aktuellen Probleme der breiten Bevölkerung, die von Ungerechtigkeiten betroffen ist, eingegangen wird“, meint er. Es seien mehrheitlich ältere Menschen vor Ort, obwohl genau diese im Alter meist schon irgendeine Absicherung hätten. „Von denen, die jetzt aktiv in der Arbeitswelt sind, stehen hier zu wenige“, sagt der 66-Jährige. Allgemein komme die Diversität der Gesellschaft hier nicht zur Geltung. „Dabei ist das Zusammenleben vieler Kulturen auch gerade in Elmshorn ganz präsent, diese Demos erreichen aber nur alteingesessene Deutsche.“ Auch die Probleme von Geringbeschäftigten oder Selbstständigen, die häufig finanzielle Probleme hätten, blieben unbeachtet.
Ansonsten scheinen alle voll bei der Sache zu sein. So auch Ralf Schwittay, Bezirksgeschäftsführer der Verdi für den Bezirk Pinneberg-Steinburg, der am Ende betont: „Zwar bin ich froh, dass wir zum 1. Mai dieses Jahres wieder zusammenkommen durften, aber ich hoffe, dass wir nächstes Jahr richtig feiern können!“ Für ihn sei der Tag der Arbeit auch so besonders, da er manche Personen nur an diesem Feiertag wiedertreffe.