Elmshorn. Doppelehrung für Elmshornerin: Sie schneidet bei einem Fremdsprachenwettbewerb gut ab und rettet ein Schulboot.
Sie spricht gut Englisch. Sie schreibt gern. In ihrer Fantasie trinkt sie mit der Queen Tee. In der Realität fährt sie lieber Kanu. Es sind viele Facetten einer Geschichte, die an einem Nachmittag im Mai am Ufer der Krückau in Elmshorn für Emilia Bruno plötzlich alle zusammentreffen.
Dort steht an diesem Tag Kevin Amberg, Leiter der Elsa-Brändström-Schule (EBS). Emilia geht in die Klasse 9e. Die Krückau fließt am Schulgelände vorbei, hier liegen auch die schuleigenen Kanus vertäut. Amberg will Emilia auszeichnen, und er hat diesen unscheinbaren Ort dafür mit Bedacht gewählt. „Es ist sozusagen eine Doppel-Ehrung, sagt er. Für den dritten Platz beim Bundeswettbewerb Fremdsprachen in der Wettbewerbssprache Englisch. Und für die beherzte Rettung eines führerlosen roten Kanus aus Seenot. Der Reihe nach.
Auf eine Tasse Tee mit der Queen?
Emilia ist England-Fan, obwohl sie die Insel noch nie besucht hat. Trotzdem kann sich die Elmshorner Schülerin gut vorstellen, wie ein Besuch bei der Queen im Londoner Buckingham Palace ablaufen könnte.
Im Januar meldet sie sich beim Bundeswettbewerb Fremdsprachen im Einzelwettbewerb (Kategorie: „Solo“) an. Dieser renommierte Wettbewerb, den das deutschlandweit agierende Talentförderzentrum Bildung & Begabung seit 1979 jedes Jahr ausrichtet, ist für Schülerinnen und Schüler der Klassen 6 bis 13 sowie Auszubildende gedacht.
Er soll Neugier auf fremde Sprachen und Kulturen machen und bietet Raum für interkulturellen Austausch. Bei den Aufgaben geht es nicht nur um Grammatik- und Vokabelwissen, sondern vor allem auch um Kreativität und Spaß im Umgang mit Sprache. Rund 15.000 Jugendliche treten jedes Jahr bei diesem Wettbewerb an.
Was hält die Queen vom zwischenmenschlichen Klima?
Emilia hat eine Sprachpräferenz, was nicht verwunderlich ist, denn die Jugendliche ist zweisprachig aufgewachsen – deutsch und italienisch.
Die Idee, Emilia zu diesem Wettbewerb anzumelden, kommt von ihrer Englischlehrerin Stefanie Freudenthal. Emilia beherrscht die Sprache sehr gut, hat nicht nur Grammatik und Vokabeln drauf, sondern ist auch kreativ, erklärt die Pädagogin. Die intensive eigenständige Vorbereitung auf ein vorgegebenes Thema ist wichtig, denn das Niveau des Bundeswettbewerbs geht deutlich über das im Unterricht Geforderte hinaus – das traut sie ihrer Schülerin zu.
Auswirkungen von Corona aufs zwischenmenschliche Klima
Aufgrund der Corona-Lage kann alles allerdings nicht wie üblich in der Schule ausgerichtet werden, sondern muss digital zu Hause erfolgen. Diesem Umstand werden auch die verschiedenen Aufgaben angepasst. Und so erstellt die Gymnasiastin in Eigenregie ein Video zum vorgegebenen Thema Klima.
Und dies natürlich in englischer Sprache, die ja letztendlich das zentrale Element darstellen soll. In dem zweiminütigen Werk geht der Teenager nicht etwa klassisch auf den Klimawandel ein, sondern zeigt, was für Auswirkungen die Corona-Krise auf das zwischenmenschliche Klima hat. Für die Lehrerin absolut nicht verwunderlich: „Emilia ist ein sehr sozialer Mensch, sehr engagiert, immer um ihre Mitmenschen bedacht“, sagt Stefanie Freudenthal.
Corona-Zeit bedeutet viel Langeweile
Der zweite Teil, der normalerweise aus einer Klausur besteht, in der Lese-, Hör- und Sehverstehen sowie sprachliches und landeskundliches Wissen geprüft werden, wird in diesem Jahr durch einen Aufsatz ersetzt. Und hier kommt jetzt die Teatime bei der Queen ins Spiel. In ihrem circa 400 Wörter umfassenden Essay zum Thema „The Commonwealth Of Nations“ schreibt die Schülerin dann über ein fiktives Treffen mit der Königin von England, der sie bei einer Tasse Tee – was sonst? – Fragen zu diesem Thema stellt..
„Ich fand es nicht so schwer“, erzählt Emilia, schließlich möge sie die englische Sprache sehr und sei in den sozialen Medien „viel auf englischsprachigen Blogs unterwegs“. „Emilia hat tatsächlich auch alles allein gemacht“, sagt Freudenthal, „wir haben uns tatsächlich nur zur Anmeldung getroffen.“ Dass sie auf sich gestellt war, hat die 15-Jährige weder gestört noch gestresst. Ganz im Gegenteil, es habe ihr viel Spaß gemacht und sie sei froh gewesen, sich die Zeit vertreiben zu können. „Die Corona-Zeit bringt auch viel Langeweile mit sich.“
Führerloses Kanu beim Joggen entdeckt
In so einer Zeit kommt eine Teenagerin auch schon mal auf die Idee, ihre Mutter beim Joggen zu begleiten. Es ist der 4. Mai, ein regnerischer, kalter Abend gegen 19 Uhr, als das rote Kanu ins Spiel kommt. Die Mutter läuft, Emilia fährt mit dem Fahrrad nebenher. Auf ihrem Weg passieren sie den Anlegesteg des Gymnasiums, alles ist in Ordnung.
Dann, 20 Minuten später, auf dem Rückweg, sieht die Schülerin ein rotes Kanu am gegenüberliegenden Ufer treiben. Sie erkennt sofort, dass es sich um ein schuleignes Boot handelt, sind diese doch mit einem blauen Band und der Aufschrift der Sparkasse gekennzeichnet. Ihr ist sofort klar, dass etwas nicht stimmt, denn das Kanu ist nicht am Ufer vertäut, es bewegt sich führerlos. Sie will sofort in den Fluss springen. „Ich war voller Adrenalin“, erklärt sie. Glücklicherweise hält ihre Mutter sie davon ab.
Bei der Kanurettung Mamas gute Lederschuhe getragen
Die Strömung hilft ihnen, sie treibt das Kanu zurück an die richtige Seite des Ufers. Emilia, die selbst mehrere Jahre in der Kanu-AG der Schule gefahren ist und den Fluss daher sehr gut kennt, weiß sofort, an welcher Stelle sie das Boot stoppen und aus dem Wasser ziehen kann. Sie steigt auf ein Unterwasserrohr. „Das war ganz schön rutschig. Ich hatte schon Angst, ins Wasser zufallen. Aber nicht, weil es da tief ist, sondern wegen des Schlamms – ich hatte Mamas schwarze Lederschuhe an“, erklärt Emilia.
Gemeinsam ziehen Mutter und Tochter den Dreisitzer aus dem Wasser. Das ist ein Kraftakt, wiegt das Boot doch um die 40 Kilogramm. Aber sie schaffen es und tragen das Kanu in die abgezäunten Stellfläche am schuleigenen Zugang zur Krückau. Die Torflügel des Unterstands sind geöffnet, allerdings ist das Schloss nicht aufgebrochen. „Wahrscheinlich war einer der Schließzylinder der Tore nicht ordnungsgemäß im Boden verankert, sodass die Diebe, die Tore durch heftiges Ruckeln öffnen konnten“, mutmaßt Schulleiter Kevin Amberg. Emilia verschließt das Tor mit ihrem Fahrradschloss und kontaktiert einen Lehrer. Da kein Sachschaden entstanden ist und auch keine weiteren Boote gestohlen wurden, wird die Polizei nicht benachrichtigt.
Doppelte Ehrung für Emilia Bruno
Von der Kanu-Rettungsaktion erfährt die Schulleitung genau an dem Tag, an dem auch feststeht, dass Emilia der dritte Landespreis beim Bundeswettbewerb zuerkannt wird. Und so gratulieren nicht nur die Sportlehrer mit Süßem für den Rettungseinsatz, sondern auch die Schulleitung. „Die Kanurettung war ein ganz toller Einsatz“, sagt Schulleiter Kevin Amberg. „Das hätte kein anderer Schüler gemacht. Das ist typisch für die so sozial engagierte Schülerin“, sagt auch Englischlehrerin Stephanie Freudenthal. „Für mich war das nichts Besonderes“, sagt Emilia nüchtern. „Wenn man was tun kann, sollte man das auch tun“.
Die Schokolade hat sie bereits gegessen, die offizielle Urkunde will Emilia in ihrem Zimmer aufhängen „Wäre viel zu schade, wenn das in einem Ordner verschwinden würde“. Die 70 Euro Preisgeld wandern in den Spartopf, den sie für eine Reise nach England angelegt hat. Sie plant, sich erneut zum Wettbewerb anzumelden, dann mit den Sprachen Englisch und Spanisch.