Pinneberg. Im Kreiskulturzentrum zeigen 17 Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung „Hier & Hier“ ihre Werke.
Aus Anlass des fünfjährigen Bestehens des kleinsten Stipendiums der Welt hat die Drostei für die Sommerzeit alle Stipendiaten eingeladen, die bis heute im zwölf Quadratmeter kleinen Pavillon der Kunstremise am Fahltskamp 30 ausgestellt haben. 17 Künstlerinnen und Künstler sind der Einladung gefolgt und offenbaren in der neuen Ausstellung „Hier & Hier“ nicht nur eine hohe Qualität in ihren Arbeiten, sondern viel Experimentierfreude und Erfindungsgeist.
Pinneberg: Künstler setzt sich mit Flüchtlingsthematik auseinander
Die Initiatorin des Pavillonstipendiums ist die Künstlerin Mioq. Sicherlich weiß sie, dass nicht jeder Künstler geeignet ist, sich an einem solchen, jeweils einmaligen 24-Stunden-Projekt zu beteiligen. Wer mitmacht, will ausprobieren und improvisieren. Das hat sich am Sonntag auch in diesem Jahr wieder für einen Tag lang im Pavillon erwiesen, wo sich die nächsten Stipendiaten verwirklicht haben.
Doch zurück zur Drostei. Hier hat im größten Raum der ersten Etage Thomas Judisch scheinbar willkürlich verstreut Kunststoff-Weihnachtsbäume abgeladen, die in die typischen Transportnetze eingesponnen sind. Er provoziert damit die sofortige Verknüpfung mit der Vorweihnachtszeit, in der Tausende solcher Plantagenbäume verkauft werden. In einem anderen Raum setzt er sich mit der Flüchtlingsthematik auseinander, indem er selbst genähte Schlafsäcke aufeinanderstapelt und diese Arbeit zynisch „Tausend und eine Nacht“ nennt. „Er spielt mit dem Bildgedächtnis“, sagt die Kunsthistorikerin Lara Bader.
In einem zweiten Raum wird der Betrachter mit viel Neuem konfrontiert. Zum einen hat Chilli Seitz ein Triptychon geschaffen, in dem sie mit einem Tuschepinsel der Frage nachgeht, wie weit sich ein Landschaftsbild reduzieren lässt. Sie steht damit in einer Jahrhunderte alten Tradition von Landschaftsdarstellung, die bis ins Japan des 18. Jahrhunderts reicht.
Pinneberg: Silke Rath spielt mit Erinnerung, die sich täglich wandelt
Intensiv farbig sind dagegen die Bilder von Stephanie Baden, Landschafts-Fotografien, die sie mit Malerei auf ihrer Auto-Frontscheibe verfremdet hat. Davor hat die Künstlerin Si-Ying Fung auf einem kräftig blauen Tuch zeichenhafte Fragmente aus Keramik und anderes arrangiert – in ungewöhnlicher Formensprache aus noch ungewöhnlicherem Material geformt.
Filz hat die Künstlerin Katja Windau interessiert. Durch Künstler wie Joseph Beuys und Robert Morris ist dieser Werkstoff schon reichlich symbolisch aufgeladen, aber Windau nutzt ihn, um drei große Löcher in eine riesige Decke hineinzuschneiden – und so ist Platz entstanden, um etwa den Schrei von Edvard Munch hinein zu interpretieren. „Die Arbeit ist eine Reaktion auf den Angriffskrieg auf die Ukraine“, erklärt Kunsthistorikerin Lara Bader.
Silke Rath spielt dagegen mit Erinnerung, die sich täglich wandelt. Zunächst hat sie die Kachelkonturen aus der Küche eines alten, vertrauten Hauses nebst Küchenhandtuch am Haken gezeichnet. Der grelle Schriftzug „Lightning Strike“, den sie am Ende über Teile des Bildes sprüht, sei ein zerstörerischer Akt, der zur Arbeit gehöre. Denn Erinnerung sei schließlich nichts Konstantes, erläutert die Künstlerin.
Pinneberg: Farbfotos werden zu dystopischen Unterwasserlandschaften
Ganz oben im Obergeschoss überrascht Jutta Konjer mit aus dem sonstigen Rahmen etwas herausfallenden, witzigen Zeichnungen: kleine Original-Briefmarken haben sie veranlasst, die darauf befindlichen Motive oder Szenen sehr reduziert und einfach auf einem größeren Papier dahinter weiterzuführen, sodass etwa ein Schlittschuh fahrender Postbote dank Konjer nun eine Eisfläche hat, auf der er entlangschliddern kann. Weiter geht es zu den Überresten von Farbfotografien, die Adriane Steckhahn durch viele Schichten transparenten Acrylpolymers so verfremdet hat, dass sie wie dystopische Unterwasserlandschaften wirken.
Einen Raum daneben zeigen Pamela Coats und Ele Runge ihren wunderschönen, über die Zeitläufe gleitenden Film „Stimmungen eines Fauns“, in Anspielung an Ravels berühmtes Stück. Hier allerdings spielt die großartige Klarinettistin Coats das Stück der nahezu unbekannten Komponistin Ilse F0romm-Michaels, begleitet von Ele Runge.
Im letzten Raum schließlich eine Arbeit von Suse Bohse . In Obstkisten hat sie die Konturen diverser Alltagsgegenstände wie ein Schattentheater von hinten beleuchtet, in dem Glühbirnen eine Hauptrolle spielen. In einem Theaterstück scheinen sie lebendig zu werden. Eine sehr poetische Installation...
„Hier & Hier“, Ausstellung in der Drostei, geöffnet bis 21.8., Mi-So 11.00-17.00, Eintritt: 4 Euro/erm. 2 Euro, Schüler, Studierende und Bundesfreiwilligendienst frei