Kreis Pinneberg. Initiative „Aktiver Umweltschutz Ellerhoop“ kritisiert die Ausbaupläne. Das sagt die GAB zu den Vorwürfen.

Es ist die einzige Gesellschaft des Kreises Pinneberg, die dem Kreis seit vielen Jahren jedes Jahr einen Millionengewinn beschert: die Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Abfallbehandlung mbH (GAB). Die Pläne des Unternehmens, das je zur Hälfte dem Kreis und dem Abfallkonzern Remondis gehört, die fast 50 Jahre alte Müllverbrennungsanlage (MVA) erneuern und vergrößern zu wollen, stößt bei Anliegern in der Gemeinde Ellerhoop auf Kritik. Deren Bürgerinitiative „Aktiver Umweltschutz Ellerhoop“ fordert jetzt die Kreispolitiker in einem Rundschreiben kategorisch auf, diese Ausbaupläne nicht weiterzuverfolgen. Eine Ausweitung der zu verbrennenden Müllmengen von derzeit etwa 80.000 auf 130.000 Tonnen sei „völlig unbegründet“, argumentiert BI-Sprecher Karl-Ernst Bürkner. „Wir fordern einen Planungsstopp.“

Kreis Pinneberg: Kritik an Vergrößerung der Müllverbrennungsanlage

Er fürchtet eine zu hohe Belastung für Mensch und Umwelt. Die GAB kontert, dass die neu geplante Anlage nur „den künftigen eigenen Bedarf des Kreises Pinneberg“ abdecke, was die anfallenden Abfallmengen angehe. Gleichwohl sei aber noch keine Investitionsentscheidung für das Projekt gefallen, das wohl weit mehr als 100 Millionen Euro kosten würde – es sei mit einer Bauzeit von zwei bis drei Jahren zu rechnen.

Zurzeit läuft das sogenannte Scopingverfahren für die Erneuerung des Müllheizkraftwerks in Tornesch-Ahrenlohe. Es ist eine von vier Anlagen dieser Art in Schleswig-Holstein neben Kiel, Neustadt und Stapelfeld, in der nach GAB-Angaben im vergangenen Jahr die 87.000 Tonnen Hausmüll der 320.000 Bürgerinnen und Bürger des Kreises thermisch behandelt, also verbrannt worden sind.

In diesem Verfahren stellt die GAB dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume (LLUR) ihre konkrete Planung vor. Sie beschreibt darin unter anderem die Technik der Verfeuerung, die Abgasreinigung und die Auswirkungen der zu erwartenden Luftschadstoffe. Der Schornstein des künftigen Ofens soll zum Beispiel 57 Meter hoch sein, heißt es in dem gut 50 Seiten umfassenden Papier.

Kreis Pinneberg: Bürgerinitiative befürchtet „Mülltourismus“

Ende 2020 ist die Geschäftsführung – wie berichtet – von ihren Gesellschaftern mit der Planung einer neuen Müllverbrennungsanlage beauftragt worden. Hauptgrund: Die alte MVA verursache heute bereits vier Millionen Euro an Instandhaltungskosten im Jahr. Tendenz steigend, erklärte der damalige Geschäftsführer Jens Ohde. Im aktuellen Geschäftsbericht bestätigt die Aufsichtsratsvorsitzende, Landrätin Elfi Heesch: „Ein Schwerpunkt der Beratung (im Aufsichtsrat) war die strategische Ausrichtung des GAB-Unternehmensverbundes mit einer Erneuerung des Müllheizkraftwerkes.“

BI-Sprecher Karl-Ernst Bürkner aus Ellerhoop will den Ausbau der Müllverbrennungsanlage im Nachbarort unbedingt verhindern.
BI-Sprecher Karl-Ernst Bürkner aus Ellerhoop will den Ausbau der Müllverbrennungsanlage im Nachbarort unbedingt verhindern. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Für Bürkner und seine Bürgerinitiative ist allerdings die geplante Ausweitung der Verbrennungskapazität auf 130.000 Tonnen ein Ärgernis. Sie fürchten einen „Mülltourismus“ im Kreis Pinneberg, wenn auf diese Weise zusätzlicher Abfall aus anderen Regionen den neuen Ofen am Laufen halten müsste. Denn aus dem Kreis Pinneberg würden nur etwa 70.000 bis 80.000 Tonnen dieser Abfälle stammen, argumentiert die Bürgerinitiative mit Blick auf das Abfallwirtschaftskonzept des Kreises Pinneberg. Dadurch würde unnötigerweise die Schadstoffbelastung im Umkreis der Anlage steigen.

Kreis Pinneberg: GAB widerspricht Aussagen der Bürgerinitiative

Zudem wäre es ein völlig falsches Signal einer zukunftsweisenden, umweltschonenden Kreislaufwirtschaft, wenn statt Müll zu vermeiden und für weniger CO2-Ausstoß zu sorgen, diese Mengen noch vergrößert würden.

GAB-Sprecher Julian Jenkel widerspricht diesen Aussagen. „Unsere jetzige thermische Anlage ist für bis zu 100.000 Tonnen pro Jahr genehmigt“, erklärt er auf Nachfrage. Die Darstellung der BI, dass eine Erweiterung von 80.000 auf 130.000 Tonnen angestrebt werde, sei daher falsch. Die genehmigten Abfallmengen lägen immer über der tatsächlich genutzten Kapazität, weil hierbei Stillstands- und Revisionszeiten einkalkuliert würden. „Bei einem solchen Neubau-Großprojekt müssen wir für mindestens 40 Jahre planen und nicht nur bis 2025.“ Das bedeute, dass der Kreis Pinneberg mit einer genehmigten Anlage bis 130.000 Tonnen pro Jahr „abzüglich der Stillstands- und Revisionszeiten bestens gewappnet ist und es hier zu keiner ‚Überversorgung‘ kommt.“

Somit könnte „keineswegs von ‚Mülltourismus‘ gesprochen werden, sondern die Anlage deckt den künftigen eigenen Bedarf des Kreises Pinneberg.“ Dazu hat die GAB in den Scoping-Unterlagen auch detaillierte Angaben zu den verschiedenen Abfallmengen der Vorjahre ausgewiesen. Demnach hat sie von 2016 bis 2019 zwischen 120.900 Tonnen und 129.500 Tonnen Haus- und Gewerbemüll in ihren Anlagen in Tornesch-Ahrenlohe verarbeitet, verwertet und verbrannt.

Kreis Pinneberg: Planungshorizont der Anlage beträgt mindestens 40 Jahre

Selbstverständlich würde in einer neuen MVA „die neueste Technik zur Abgasreinigung zum Einsatz kommen“, erklärt GAB-Sprecher Jenkel weiter. „Alle Emissionsgrenzwerte, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens festgelegt werden, werden somit strikt eingehalten“, sagt er. „Da die Anlage auf neuestem technologischem Stand sein wird, werden gesetzliche Grenzwerte zu Teilen auch deutlich unterschritten. Die Grenzwerte nach BVT (beste verfügbare Technik) sind gesetzlich bindend und werden mit der neuen Anlage sicher eingehalten.“

Für die Überwachung der Einhaltung der Grenzwerte ist das LLUR in Flintbek zuständig, erklärt deren Sprecherin Janine Wergin auf Nachfrage. „Abfallverbrennungsanlagen müssen die Anforderungen der 17. BImSchV (Bundes-Immissionsschutzverordnung) einhalten. Darüber hinaus gelten die in den BVT-Merkblättern genannten Emissionsbandbreiten für Neuanlagen auch ohne Umsetzung in nationales Recht.“ Bislang liege aber noch gar kein Genehmigungsantrag von der GAB vor. Erst dann beginne ein förmliches „Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit“.

Kreis Pinneberg: Bürgerinitiative fordert Akteneinsicht

Grundlage für einen Baubeginn sei eine Genehmigung der Behörden nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, „die aber noch nicht beantragt wurde“, bestätigt GAB-Sprecher Jenkel. „Die finale Investitionsentscheidung erfolgt nach Erteilung der Genehmigung.“ Aufgrund der zurzeit steigenden Rohstoffpreise könne er noch keine genauen Angaben zu den möglichen Investitionskosten machen. Zudem ist mit der neuen Anlage geplant, das Fernwärmenetz in Pinneberg, das heute schon etwa 2700 Haushalte mit Abwärme versorgt, weiter auszubauen.

BI-Sprecher Bürkner fordert zudem Akteneinsicht in die konkreten Pläne der GAB, die diese bislang verweigere. Jenkel verweist darauf, dass diese ohnehin im Rahmen des Verfahrens vier Wochen öffentlich ausgelegt werden müssten. Zudem sei die BI seit gut einem Jahr mit den betroffenen Bürgermeistern, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften in einem Umweltbeirat eingebunden, in dem sie Kritik und Anregungen vorbringen könne. Dieser hat gerade erst wieder getagt. Bürkner hält dieses Forum eher für eine „Alibi-Veranstaltung“. Das sieht Ellerhoops Bürgermeisterin Wiebke Uhl etwas anders. „Es ist gut, dass wir da Informationen von der GAB aus erster Hand erhalten“, sagt sie und ergänzt: „Die jetzige Müllverbrennungsanlage ist alt. Der Müll muss verbrannt werden.“ Kritisch sehe sie nur die Müllmengen, sagt sie. Wobei sie davon ausgehe, dass die größere Kapazität gut begründet sei und nicht etwa auf Profitstreben seitens der GAB beruhe.

Amtskollegin Erika Koll aus Kummerfeld begrüßt es ebenfalls, durch den von der GAB eingesetzten Umweltbeirat Einfluss auf die Entscheidungsfindung der GAB-Gremien nehmen zu können. Die Geschäftsleitung habe darin zugesichert, dass die Erhöhung der Müllmengen durch die verbesserte Technik der Verbrennung nicht zu erhöhter Schadstoffbelastung führe, erklärt sie. Auch die Verkehrsbelastung im Dorf Kummerfeld dürfe sich dadurch nicht erhöhen, fordert sie.

Kreis Pinneberg: GAB erwirtschaftet Überschuss von 1,9 Millionen Euro

Der langjährige Kreistagsabgeordnete Hannes Birke (SPD) verweist auf die seit Jahren stabilen Müllgebühren für die Bürger des Kreises, die sich gerade durch die jahrzehntelang gute Entwicklung der GAB ergeben hätte. Zudem sei bereits 2008 der GAB der Ausbau der Müllverbrennungsanlage behördlicherseits auf sogar 280.000 Tonnen genehmigt worden, also für eine doppelt so hohe Kapazität wie jetzt geplant. Trotz der damaligen Genehmigung war dann die Entscheidung für eine damals veranschlagte 110-Millionen-Euro-Investition nicht getroffen worden. Im Jahr 2020 hat die GAB bei einem Umsatz von 39,2 Millionen Euro einen Jahresüberschuss nach Steuern von 1,9 Millionen Euro erwirtschaftet. 51 Prozent davon sind in den Kreishaushalt geflossen.

Im aktuellen Abfallwirtschaftsplan des Landes Schleswig-Holstein heißt es, dass die derzeit in Schleswig-Holstein verfügbaren Behandlungskapazitäten für Restabfälle in den bereits genannten vier Anlagen sowie denen in Lübeck, Neumünster und Glückstadt die tatsächlich anfallenden Abfallmengen „deutlich“ übersteigen. Gut eine Million Tonnen Müll pro Jahr könnten verarbeitet werden, 617.000 Tonnen fielen landesweit tatsächlich an. „Damit ist die Entsorgungssicherheit für die Behandlung gemischter Siedlungsabfälle und gemeinsam damit zu entsorgender Abfälle über den Betrachtungszeitraum gewährleistet.“