Pinneberg. Die Ernst-Paasch-Halle, Heimat des Forum Theaters, ist seit jetzt vier Jahren gesperrt. Der Vereinsvorsitzende hat einen Plan...

Die Stadt Pinneberg tut so einiges, um ihren Amateurbühnen Auftritte zu ermöglichen. Sie stellt gegen geringes Entgelt Jugendzentren zur Verfügung, Schulaulen und sogar den Ratssitzungssaal. Ihre vielleicht bekannteste Theatertruppe, das Forum Theater, feiert jetzt ihr 25-jähriges Bestehen – nach stolzen 111 Stücken und rund 440 Aufführungen. Sogar eine eigene Spielstätte hatten die engagierten Amateurmimen. Bis die Ernst-Paasch-Halle an der Lindenstraße von einem Tag auf den anderen wegen Einsturzgefahr geschlossen wurde. Das war vor vier Jahren. Seitdem ist die schöne, denkmalgeschützte Turnhalle gesperrt.

„Sie ist wunderschön“, schwärmt der Theatervereinsvorsitzende Andreas Hettwer, der sich im nasskalten Januarwetter die Hände reibt. Von innen zeigen kann er sie nicht, denn er darf nicht rein, weil ihm theoretisch das Dach auf den Kopf fallen könnte. Die Tatsache, dass sie seit vier Jahren nicht mehr geheizt wird, verschlimmert den baulichen Zustand und den Verfall der historischen Halle von Jahr zu Jahr.

Bis wieder offen ist - was heißt offen?

Die Ernst-Paasch-Halle ist eines der wenigen historischen Gebäude in Pinneberg, sie hat eine schöne, historisierende Backsteinfront. Drei verwaiste Rosenstöckchen und die Plakate vergangener Premieren am Portal erinnern noch daran, dass hier einmal eine Theatergruppe zu Hause war – und ein neuer Anschlag, in dem die Schauspieler auf ihr Jubiläum hinweisen und ihre Fans darum bitten, durchzuhalten, bis wieder offen ist.

Offen – das wird sich so oder so noch einige Jahre hinziehen. Offen heißt bis dahin: Gespielt wird im Ratssitzungssaal.

Sanierung seit mehr als 20 Jahren in der Diskussion

Seit mehr als 20 Jahren stehen Sanierung und Umbau der Halle immer mal wieder auf den Tagesordnungen der Gremien. Aktuelles Ziel ist, sie zum Kulturzentrum umzubauen und damit für viele Theater-, Literatur- und Musikgruppen nutzbar zu machen. Zuletzt hatte die Pinneberger Verwaltung Mitte 2019 konkretere Pläne vorgelegt, die die Politik dann auch verabschiedete. Demnach soll die Halle künftig statt der bisherigen 200 nur noch 150 Plätze haben, eine Guckkastenbühne erhalten und am Eingang Garderoben. Aus der bisherigen Hausmeisterwohnung soll ein Technikraum werden. Das Geld für den faktischen Umbau fehlt aber weiterhin, weil die Sanierung von Schulen und der Bau von Kindertagesstätten die Budgets der Stadt über Jahre ausschöpfen.

Alle Hoffnungen ruhen daher auf der Aussicht, über kurzfristige Investitionsprogramme für kulturelle Einrichtungen, die Bund und Länder zuletzt aufgelegt hatten, doch noch eine Realisierung zu erreichen. „Wenn Planungen da sind, wird das für die Entscheider viel griffiger. Jetzt haben wir etwas in der Schublade, das wir sofort einreichen können“, sagte Bürgermeisterin Urte Steinberg Mitte 2019 dazu. Das Architekturbüro, das die Planung gemacht hat, rechnet mit Kosten von gut 1,3 Millionen Euro.

Zentrales Stück Stadt- und Industriegeschichte

Nicht zuletzt geht es mit der Ernst-Paasch-Halle auch um ein zentrales Stück Pinneberger Stadt- und Industriegeschichte. Denn es war der international aktive Emaille-Produzent Herman Wupperman, der im Jahre 1878 in Pinneberg eine Fabrik erwarb und für seine Arbeiter nicht nur nebenan eine Siedlung baute, die noch heute steht, sondern für deren Gesunderhaltung auch eine Turnhalle, die heutige Ernst-Paasch-Halle. Die wurde 1891 errichtet und ist bis heute eines der Symbole sozialreformerischen Unternehmertums in der Stadt.

Das Forum Theater kann die ehemaligen Umkleiden und Duschen der benachbarten Schule gegen geringe Miete als Lager nutzen. Doch weil die Corona-Pandemie die gesamte Theatersaison 2020 verhagelt hat, sind schon lange keine Kostüme und Requisiten mehr herausgeholt worden. Das letzte Stück, für das die Amateurschauspieler geprobt hatten, heißt „Alles auf Krankenschein“. Damit war im März 2020 Schluss. Die Proben für eine hoffentlich wenigstens teilweise spielbare Saison sollen beginnen, sobald es wieder erlaubt ist, „ich muss den ganzen Text von vorn lernen. Das ist viel“, sagt Andreas Hettwer. Er spielt einen von drei Ärzten, eine Hauptrolle, und er fragt sich noch, wie er die Kussszene lösen soll...

Seit 1997 ist der Pinneberger nun schon beim Forum Theater dabei. Er war Kassenwart, Inspizient, Souffleur, Schauspieler, Regisseur und ist 2014 in die Position des Vereinsvorsitzenden gerutscht. Im Hauptberuf arbeitet er bei einer Hamburger Software-Firma.

Warum der Bühnenchef jetzt Lotto spielt

Für die Bühne hat er Fechten gelernt, Liebhaber, Karrieristen, Frauenversteher, Intriganten, notorische Verlierer und einen Transvestiten gespielt, Kindertheater gemacht, gesungen, getanzt und sich als Sheriff von Nottingham rücklinks auf den Boden fallen lassen – alles für eine gelungene Aufführung. „Wir machen das für uns“, sagt Andreas Hettwer. „Weil es uns Spaß macht. Und für unsere Zuschauer, um ihnen das Leben zu versüßen.“

Und er kann improvisieren: Nachts, nach dem Rauswurf aus der Halle im Dezember vor vier Jahren, haben er und seine Mitstreiter im Regen Plastikplanen über Bühnenscheinwerfern festgehalten, damit sie nicht wegfliegen, und die Aufführungen in den Tagen danach doch noch stattfinden konnten – unterm Sternenzelt. 

Aber Hettwer, Amateurschauspieler aus Leidenschaft, geht auf seine Weise mit dem Dilemma um: „Seit wir nicht mehr drinnen auftreten dürfen, spiele ich Lotto. Wenn ich anderthalb Millionen Euro gewinne, geht das in die Halle. Wir hoffen sehr, dass sie nicht abgerissen wird.“