Kreis Pinneberg. Vor 80 Jahren marschierten Adolf Hitlers Truppen in die Sowjetunion ein. Gedenkveranstaltungen in Quickborn, Uetersen, Wedel und Elmshorn.
Zum 80. Mal jährt sich dieser Tage der militärische Überfall des Nazi-Regimes auf die Sowjetunion. Am 22. Juni 1941 ließ Adolf Hitler drei Millionen deutsche Soldaten mit 4000 Panzern und 3000 Flugzeugen das heutige Russland angreifen, mit dessen bolschewistischem Führer Josef Stalin der deutsche Diktator erst zwei Jahre zuvor einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte. Damit war die Ostfront des zweiten Weltkrieges eröffnet, der laut Historikern allein auf russischer Seite 28 Millionen und auf deutscher Seite 6,3 Millionen Todesopfer gefordert hat.
Friedensaktivisten erinnern an Todesopfer
Erstmals erinnern Friedensaktivisten im Kreis Pinneberg mit Reden und Feierstunden an diesen Angriffskrieg, der Nazi-intern „Unternehmen Barbarossa“ genannt wurde. In Quickborn, Uetersen, Wedel und Elmshorn sind dazu vom 18. bis 22. Juni eigene Gedenkfeiern geplant. Eine landesweit zentrale Veranstaltung mit dem Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU) wird es zudem am 22. Juni in Gudendorf in Dithmarschen unter dem Motto „Blumen für Gudendorf“ geben.
Die Veranstalter im Kreis Pinneberg wollen vor allem auf die vielen sowjetischen Zwangsarbeiter aufmerksam machen, die durch Hunger, Gewalt und Krankheit in großer Zahl hierzulande zu Tode kamen. Allein in deutscher Kriegsgefangenschaft starben damals nach Angaben des Quickborner NS-Forschers Jörg Penning 3,3 Millionen sowjetische Soldaten. In den genannten Städten im Kreis gibt es heute noch Gräber, die davon zeugen.
1995 hat die Quickborner Kirche 15 Grabsteine gesetzt
So befinden sich auf dem inzwischen stillgelegten Nordfriedhof in Quickborn heute noch 15 Grabstätten, über denen die russischen Namen der Toten auf den Grabsteinen eingraviert sind. Die evangelische Kirche hat diese Gedenksteine erst 1995, vier Jahrzehnte später, angelegt, weiß NS-Forscher Penning.
Es handelte sich um ganz junge Männer, die meist nach kurzer Zwangsarbeiterschaft in Quickborn verstorben sind. Einer starb schon nach nur vier Tagen, andere überlebten fünf Monate. „Aus Schwäche“ lautete meist die offizielle Todesursache. Tatsächlich war es die harte Zwangsarbeit und schlechte Versorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln und Medikamenten, die sie fern ihrer Heimat hier sterben ließ. Denn alle bis auf einen kamen gesund in Quickborn an.
So wie der Zimmermann und Rotarmist Iwan Duchnow, der am 19. Mai 1942 nur neun Tage nach seiner Ankunft im Straflager 935 im Quickborner Himmelmoor verstarb. Der erste russische Kriegsgefangene starb bereits im November 1941 in Quickborn, hat NS-Forscher Penning aus offiziellen Quellen des heutigen Russland recherchiert, wo diese Daten aus den Kriegszeiten zusammengetragen wurden.
Babys der weiblichen Gefangenen verhungerten
Die 15 bekannten Opfer waren zwischen 19 und 36 Jahre jung. Sie mussten nicht nur im Himmelmoor von frühmorgens bis spätabends Torf zum Heizen stechen. Sie hatten auch schwere Feldarbeit auf den örtlichen landwirtschaftlichen Betrieben, beim Maschinenbau und in der Küche von Gasthöfen zu verrichten.
Sie wurden abseits des Friedhofes ohne Grabstein anonym unter der Erde verscharrt und erst 1949 namentlich registriert, so Penning. Insgesamt seien es wohl bis zu 600 ausländische, überwiegend russische Kriegsgefangene gewesen, die in acht Sammellagern in Quickborn untergebracht waren. „Das entspricht einem Anteil von 20 Prozent an der damaligen Gesamtbevölkerung“, sagt Penning.
In Uetersen gibt es 27 Todesopfer unter russischen Kriegsgefangenen, sagt Erhard Vogt von der Geschichtswerkstatt, der in der Rosenstadt den Gedenktag organisiert. Sie sind auf dem neuen Friedhof in 17 Gräbern mit Namensgrabsteinen und acht ohne Grabstein beerdigt worden. Von zwei Toten seien die Namen nicht bekannt. Auch hier handelte es sich überwiegend um russische Soldaten in Gefangenschaft, die hier zur Zwangsarbeit angehalten wurden.
Stolpersteine für Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder
Aber auch sechs russische Kinder seien darunter, deren Mütter zum Beispiel im damaligen Maschinenbau-Rüstungsbetrieb Hatlapa arbeiteten und ihre Kinder im Krankenhaus Uetersen entbunden hatten. Die Kinder seien alle kurz nach ihrer Geburt wieder gestorben, weil ihre Mütter sie nicht ausreichend versorgen durften. Infolge „einer akuten Mangelernährung“, wie es Vogt beschreibt.
Für diese armen Mütter und ihre Kinder sind vor einigen Jahren Stolpersteine in Uetersen angelegt worden, berichtet er.
Und auch in Wedel gibt es heute noch Spuren sowjetischer Kriegsgefangener, berichtet Friedensaktivistin Irmgard Jasker, die die dortige Gedenkfeier am 19. Juni organisiert. Für die acht bekannten in der Rolandstadt Verstorbenen habe es auch ein Holzkreuz auf dem Friedhof gegeben, auf dem geschrieben stand: „Hier ruhen acht Sowjetbürger, die 1941 bis 1945 in Wedel in der Gefangenschaft der Faschisten starben“. Auf einem Schild daneben waren die Namen der Toten aufgeführt. Beides sei aber inzwischen verschwunden, bedauert Irmgard Jasker. „Wir fühlen uns diesen Gefangenen verpflichtet und versuchen, deren Schicksale zu recherchieren.“