Kreis Pinneberg. Neues Motto, neues Schiff, neue Marke: Tourismuskonzept zeigt, wie der Kreis sein Potenzial ausschöpfen kann.
Der Kreis Pinneberg will jetzt verstärkt in das Tourismusgeschäft einsteigen. Mit dem Nachbarkreis Steinburg soll dafür die „Marke Holstein“ entwickelt und ausgebaut werden. Motto: „Das wahre Holstein sind wir!“ So formuliert es jedenfalls Fachbereichsleiter Andreas Köhler von der Kreisverwaltung.
Tourismus: Neues Konzept für den Kreis Pinneberg
Zudem sollen erste touristische „Starterprojekte“ auf den Weg gebracht werden. Glanzpunkt könnte dabei die Anschaffung und der Betrieb eines „Tidenkieker“-Ausflugsschiffes sein. Ein gleiches Schiff gibt es bereits recht erfolgreich auf der niedersächsischen Elbseite. Übergeordnetes Ziel ist es, die Zahl der Übernachtungen allein im Kreis Pinneberg mittelfristig von 680.000 (im Jahr 2019) auf eine Million zu steigern. Auch die Zahl der Tagesgäste soll ausgebaut werden, und zwar auf sieben Millionen pro Jahr.
Der Wirtschaftsausschuss des Kreistages hat dazu jetzt ein Tourismuskonzept beschlossen, das ein Gutachterbüro ausgearbeitet hat. Es wurde zu 75 Prozent von den Kreisen Pinneberg und Steinburg gefördert und hat rund 25.000 Euro gekostet. Die Studie von Mareval aus Hamburg für das Naturerlebnisschiff Tidenkieker hat dazu noch einmal rund 50.000 Euro gekostet, wovon der Kreis Pinneberg allerdings nur etwa 2500 Euro zahlen muss. Indes würden der Bau eines solchen Schiffes rund fünf Millionen Euro und die jährlichen Betriebskosten etwa 1,1 Millionen Euro betragen.
100 Menschen und 50 Fahrräder soll der neue, kreiseigene Tidenkieker zwischen Wedel und Glückstadt über Elbe, Pinnau, Krückau und Stör befördern und in Elmshorn, Uetersen, Haseldorf, Kollmar und Itzehoe an- und ablegen können, schlägt das Gutachten vor. Die kürzeste Tour würde etwa eine Stunde von Wedel nach Haseldorf dauern. Acht Stunden Fahrtzeit würde es von Wedel nach Itzehoe und zurück brauchen. Die Finanzierung und das Betreiberkonzept sind allerdings noch nicht gesichert. Der Kreistag berät darüber auf seiner nächsten Sitzung am morgigen Mittwoch, 15. Juni.
Tourismus: Regionale Wirtschaft soll gestärkt werden
„Wir wollen mit dem Tourismuskonzept die Wirtschaftskraft hier vor Ort im Kreis stärken“, sagt Jens Petersen (FDP), der dem Wirtschaftsausschuss vorsitzt. „Die Tourismusbranche schafft Arbeitsplätze.“ Und zwar nicht nur unmittelbar in den Hotels und Gaststätten, erklärt Köhler. Auch Zulieferbetriebe, Cafés, Biohöfe, Freizeiteinrichtungen, Fahrradverleiher oder auch Kletterparks profitieren von den Tagestouristen.
„Tourismus bedeutet Stärkung der regionalen Wirtschaft, Sicherung der Lebensqualität und einen attraktiven Freizeitstandort“, heißt es in dem Gutachten von Projekt M aus Hamburg. Und: „Durch die Stärkung des Tourismus profitieren EinwohnerInnen, Facharbeitskräfte und lokale Unternehmen auch außerhalb des Tourismussektors.“
Das Einzugsgebiet ist groß. Rund eine Million Menschen leben in einem Radius von 30 Fahrminuten. Bei 60 Fahrminuten im Umkreis von Heide, Neumünster und Lüneburg sind es sogar 3,3 Millionen Bewohner und potenzielle Tagestouristen. Rund 4700 Menschen arbeiten in dieser Region in der Tourismusbranche, die bereits 270 Millionen Euro im Jahr umsetzt.
Tourismus: Worauf der Kreis Pinneberg setzt
Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen soll sich der Jahresumsatz um 40 Millionen Euro im Jahr steigern. „Wir wollen aber einen eher sanften Naturerlebnis-Tourismus fördern, der sich mit Natur, Umwelt und Menschen verträgt“, betont Fachbereichsleiter Köhler.
Auch die Angebote zur Naherholung und Freizeitgestaltung seien im holsteinischen Unterelberaum recht groß, weist das Gutachten auf die Stärken hin. Es gibt zahlreiche interessante Fahrrad- und Wandertouren, Hof-Cafés mit regionalen Produkten, Obstanbau, Aktivangebote, Binnenflüsse, kleinstädtische Strukturen, Naturerlebnisparks und eine vielfältige maritime Landschaft. Es fehle allerdings eine klare Werbestrategie und eine Marke Holstein.
Zudem lasse die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr noch Wünsche offen, heißt es in der Studie. Marken-Motto sollte deshalb sein: „Nachhaltig erfrischender Natur- und Freizeitgenuss mit Holstein-Flair“, um „aktive Natururlauber, naturnahe Entschleuniger und neugierige Entdecker“ in den Kreis zu locken.
Tourismus: Neues Konzept mit neuer Marke
Ein Konzept mit Vorschlägen liege jetzt vor, sagt Köhler. Dies könne aber nur ein erster Schritt sein. Wichtig sei nun, die „Marke Holstein“ werbemäßig zu etablieren und mit dem Kreis Steinburg zu gestalten. Dafür werde auch ein festes finanzielles Budget nötig sein, das Köhler mit einem Betrag von etwa einer Viertelmillion Euro für den Kreis Pinneberg beziffert. Konkrete Vorschläge werde die Verwaltung der Kreispolitik dazu Ende des Jahres für den Doppelhaushalt 2023/24 vorlegen, kündigt der zuständige Projektleiter in der Kreisverwaltung an.
„Das wird ein Kraftakt für die Region sein. Denn wir wollen die Marke Holstein als Gemeinschaftsaktion mit den Nachbarkreisen entwickeln.“ Als erste „Starterprojekte“ schlägt das Gutachten zum Beispiel die Einführung eines „Holstein-Siegels“, die Überarbeitung der Web-Seiten und digitale Buchungsmöglichkeiten vor.
Mit dem Holstein–Tourismus und der Haseldorfer Marsch könnte zudem das beliebte Ausflugsziel an der Hetlinger Schanze ein erstes Vorzeigeprojekt werden. Dort könnte gezeigt werden, wie ein naturnaher Tourismus mit den Bewohnern vor Ort weiterentwickelt werden könnte, schlägt Köhler vor.
Tourismus: Neue Ideen für den „Tidenkieker“
Beim „Tidenkieker“-Konzept hat Ausschussvorsitzender Petersen allerdings noch „einige Bauchschmerzen“, wie er sagt. Grundsätzlich sei die Idee gut, aber es müsse noch geklärt werden, wer ein solches 35 Meter langes Naturerlebnisschiff betreiben soll. Denn die Betriebskosten für ein Schiff in dieser Größe mit eigener Gastronomie an Bord werden sich mit einem prognostizierten Jahresumsatz von rund zwei Millionen Euro so gerade eben refinanzieren lassen.
So ist angedacht, den Tidenkieker an sieben Tage die Woche in 42 Wochen zwischen Wedel und Glückstadt tagsüber und auch abends fahren zu lassen. „Das wird kein Selbstläufer“, warnt Petersen. Einen privaten Betreiber werde der „Holstein-Tourismus“ dafür kaum gewinnen können. Eher ein Verein werde dafür benötigt. Und auch Köhler glaubt: „Viel Geld lässt sich damit nicht verdienen.“