Pinneberg. Die GuGs ist mit modernster Technik ausgestattet. Schule komme aber nach wie vor auch ohne sie aus, sagt der Chef
Viele Jahre haben die Schulen Pinnebergs vergeblich auf Fortschritte bei der Digitalisierung gewartet, die derzeit als so wichtig bewertet wird. Jetzt holen sie auf – dank der beiden Digitalpakte des Bundes, überzeugter Politiker, einem engagierten Schulamtsleiter und vielen Lehrern, die unbezahlte Überstunden machen, damit das wirklich gelingt.
Im Zuge dessen ist die Grund- und Gemeinschaftsschule (GuGs) im Quellental zur digitalen Modellschule der Stadt und zur Perspektivschule geworden. Dort kehrt vom heutigen Montag an ein wenig Normalität in den Schulalltag ein. Für die Jahrgänge eins bis sechs findet Präsenzunterricht im Klassenverband nach Stundenplan statt. Die Jahrgänge sieben und acht kehren im Wechselunterricht in die Schule zurück.
Direktor Thomas Gerdes hat von Anfang an alle Pinneberger Schulen vor Augen gehabt und setzt sich als Teil eines zwölfköpfigen Schul-IT-Arbeitskreises weiter für die Ausstattung aller Schulen ein: „Das hier ist kein Ego-Trip. Eine einheitliche Struktur für Pinneberg ist fast erreicht. Wir profitieren alle davon. Und im Bereich der Medienpädagogik sind wir schon weit, weil wir früh angefangen haben“, sagt Gerdes.
Mit ihren drastischen Isolationsmaßnahmen hat die Corona-Pandemie Fortschritte in der Digitalisierung geradezu erzwungen. Inzwischen sagt Thomas Gerdes: „Es wird nicht zu wenig für die Digitalisierung getan. Wofür wir sonst fünf, sechs Jahre brauchen würden, kann nicht in einem Jahr nachgeholt werden. Aber wir holen gemeinsam auf und ziehen alle an einem Strang.“
GuGs ist erste digitale Pinneberger Modellschule
Eine digitale Modellschule habe keine feststehenden Merkmale. „Da wo sie einen sinnvollen Mehrwert schafft, setzen wir digitale Technik ein. Im Sprachunterricht machen wir zum Beispiel Lernverstehen über eine Lernsoftware, über die die Schüler ihre Aussprache besser einüben können. Für mich ist digitale Technik eine tolle Ergänzung. Schule kommt aber nach wie vor auch ohne sie aus.“
Die GuGs kann als erste digitale Pinneberger Modellschule künftig zur Orientierung für die übrigen Schulen dienen, vor allem als Referenzschule für den Einsatz von Medien im Fachunterricht. Deshalb ist die GuGs in der glücklichen Lage, im Gegensatz zu den meisten anderen schon jetzt komplett verkabelt zu sein und in allen Klassenräumen starkes WLAN zu haben.
Außerdem stehen diverse Koffer mit Notebooks zur Verfügung, die bedarfsgemäß von Klasse zu Klasse wandern. Ein Gerät pro zehn Schüler. Alle fünf Jahre werden sie ausgetauscht, denn sie sind nur geliehen. Die Leasing- und Stromkosten sind hoch, die Technik veraltet schnell, und der ständige Geräteaustausch verbraucht viele Rohstoffe. Aber diese Aspekte der Digitalisierung sind im Augenblick in den Hintergrund getreten.
Zurzeit wartet Thomas Gerdes auf die ersten Boards, die die gute alte Schultafel wohl irgendwann ersetzen werden. Das jedenfalls zeichnet sich ab. Ein solches Smartboard besitzt ein Touchpanel, also eine Oberfläche, die auf Berührung reagiert. Auf dieser können Lehrkräfte oder Schüler beliebig korrigieren, am Ende können die Lehrer den gesamten Text an alle Schüler schicken (Abschreiben, das vielen Pädagogen noch immer als Weg gilt, sich Dinge einzuprägen, entfällt), und diese wiederum können dann ihre Ergebnisse an das Board zurückschicken. Arbeitsergebnisse von Schülern können auf dem Board gesehen, diskutiert und wertgeschätzt werden. „Das ist eine Ergänzung, ein zusätzlicher Kanal. Kein Ersatz“, betont Gerdes.
Schüler lernen, Verschwörungstheorien zu hinterfragen
Kritikern und vielleicht auch Romantikern, die die gute alte Tafel wertschätzen und bevorzugen, hält er entgegen, dass das Internet schließlich Realität sei: „Kinder und Jugendliche müssen lernen, richtige von falschen Informationen zu unterscheiden, kritisch zu hinterfragen und zu durchdringen.“ Das sei schwerer geworden, „es ist aber die Grundfeste der Demokratie, sich eine Meinung zu bilden. Deshalb müssen wir Schulen da einen neuen Schwerpunkt schaffen.“ Das kritische Hinterfragen von Verschwörungstheorien und anderen Formen der medialen Manipulation etwa gehöre für ihn unbedingt dazu, sogar ein digitales Feedback der Schüler für die Unterrichtsstunde sei zum Teil schon Realität.
Aber auch in den Naturwissenschaften kann digitale Technik gute Dienste leisten. Schüler können etwa die Ergebnisse ihrer Untersuchungen am elektronischen Mikroskop an ihrem Computer weiter bearbeiten.
Thomas Gerdes sagt, er habe alle Lehrkräfte mit ins Boot holen können. Das ist extrem wichtig, denn ohne medienkompetente Lehrer ist digitale Technik an der Schule schlichtweg überflüssig. Ein Kernteam aus acht medienaffinen Lehrern bildet an der GuGs das Epizentrum der digitalen Modellschule, bei ihnen laufen alle Fäden zusammen. Das Medienlehrerteam hat zum Beispiel mit allen Kollegen Mini-Workshops gemacht, um sie einzuarbeiten und mit der neuen digitalen Technik vertraut zu machen. Auch Eltern haben sie instruiert.
Das ist ein langer Prozess, der bei den jüngeren, mit Computern länger vertrauten Kräften weniger Einsatz fordert als bei den älteren. „Schule ist für mich, den Kindern und Jugendlichen was fürs Leben weiter zu geben“, sagt Thomas Gerdes. „Und zwar etwas, das ihnen wirklich weiterhilft.“
Wie viel das Beherrschen der digitalen Technik und das Verstehen der digitalen Welt dazu beitragen kann, wird sich sicher erst in einigen Jahren abzeichnen.