Elmshorn. Alle Arbeit ist nun doch vergebens; Elmshorn Fighting Pirates melden Bundesligateam ab. Abteilungsleiterin Sylvia Nowak zieht Bilanz
Der Traum von Erstliga-Football in Elmshorn war ganz nah, doch dann kam alles anders. Der Aufsteiger Fighting Pirates hatte noch im November fristgerecht sein erstes Team für die GFL-Saison 2021 angemeldet. Nur knappe sechs Wochen später haben die Verantwortlichen ebenso fristgerecht ihre GFL 1-Lizenz zum Jahresende zurückgegeben. Grund: Das finanzielle Risiko in schwierigen Corona-Zeiten ist zu groß; der angestrebte Etat weist eine enorme Unterdeckung auf. Wenn jetzt nicht die Entscheidung getroffen worden wäre, hätte eine Verbandsstrafe im niedrigen fünfstelligen Euro-Bereich gedroht für den Fall eines Nichtantritts.
Lizenzrückgabe zieht Auflösung des ersten Teams nach sich
Die Folgen der Lizenzrückgabe sind indes eklatant. Das erste Herren-Team der Elmshorner löst sich auf, die Fighting Pirates II unter Cheftrainer Michael Schernick sollten ursprünglich bereits 2020 antreten und werden nun als erste Mannschaft 2021 in der Landesliga auflaufen – sofern die Corona-Situation einen regulären Spielbetrieb zulässt.
„Wir haben wirklich lange daran gearbeitet, dass es doch noch klappt und quasi seit dem Beginn der Corona-Situation im März 2020 gewirbelt. Wenn uns diese Zeit etwas gelehrt hat, dann die Schwierigkeit etwas langfristig zu planen. Man musste das nehmen, was eben ging. Dinge, die in einer Woche noch möglich waren, waren es in der nächsten nicht mehr“, sagt Pirates-Präsidentin Sylvia Nowak.
Zum angestrebten Saisonetat von 500.000 Euro fehlen am Ende 150.000 Euro
In Zeiten dieser Unwägbarkeiten einen sicheren Etat für die Spielzeit 2021 aufstellen zu können, hat nicht funktioniert. Bis zu 500.000 Euro wollten die Pirates-Verantwortlichen um Geschäftsführer Herwig Eggerstedt, die Vorstände Nowak und Hauke Seger, sowie Headcoach Jörn Maier und die ehemalige Geschäftsführerin Anißa Nowak einsammeln.
Wie viel Euro genau insgesamt zur Verfügung gestanden hätten, darüber möchte niemand offiziell sprechen. In der Pressemitteilung des Clubs ist von „mindestens 150.000 Euro“ die Rede, die noch fehlten. „Wir wollten wirklich alle gerne GFL 1-Football möglich machen, aber wir mussten zu diesem Zeitpunkt einfach die Reißleine ziehen. Das ist einfach die vernünftigste Entscheidung“, so die 53 Jahre alte Nowak.
Sylvia Nowak blickt auf über fünf Jahre Vorstandsarbeit zurück
2015 übernahm sie den Vorstandsposten vom 2019 verstorbenen Jörg Lorenz. Doch ihre Vereinsvita ist viel länger. Sohn Jannik ist heute 26 Jahre alt, im Alter von acht Jahren begann er mit Football bei den Pirates. Sylvia Nowak kümmerte sich um das Team. Ihre Töchter Anißa und Celina starteten ebenfalls in der Cheerleading-Sparte. Diese wird es auch nach dem Ende der Footballer weiter geben.
„Es ist traurig und bitter. Und es ist wie Abschied nehmen“, gibt die Pirates-Präsidentin ehrlich zu. Schließlich gab es einen Fünf-Jahres-Plan, der vorsah, die Pirates in die GFL 1 zu bringen. Mit einer Professionalisierung der Strukturen und großer Kompetenz auf und neben dem Feld. Um im Football voranzukommen braucht es auch Geld – Das Futterhaus um Firmengründer Herwig Eggerstedt ebnete als Hauptsponsor den Weg von der Regionalliga nach oben.
Pirates erfüllen pünktlich ihren sportlichen Fünf-Jahres-Plan
2019 gelang der Aufstieg in die GFL 1, 2020 sollte das I-Tüpfelchen der Erfolgsgeschichte werden. Selbstbewusst peilten die Piraten eine Platzierung auf den Play-off-Rängen an. Als Kanonenfutter wollte niemand enden – es wurde mehr geklotzt als gekleckert. Dann kam Corona – und das Piratenschiff schlug erst leck, um dann mit Verspätung zu sinken.
„Eigentlich bin ich kein Fan der Salami-Taktik, aber es ging eben nicht anders. Wir alle haben viel gelernt in dieser Zeit. Nun ist es endgültig entschieden“, so die Präsidentin, die sich trotz allem ein „größeres Entgegenkommen“ der Elmshorner Wirtschaft gewünscht hätte, wohlwissend, dass auch bei anderen Unternehmen aufgrund der Krise das Geld nicht mehr so locker sitzt wie früher.
Nowak, die sich zur Ablenkung komplett auf ihre selbständige Arbeit in der Elmshorner Jugendhilfe stürzen kann, möchte ihre Traurigkeit nicht verstecken: „Das war ein familiäres Projekt, eine echte Herzensangelegenheit und ein großer Bestandteil meines Lebens. Mal sehen, wie es sich in der Zukunft entwickelt. Aber für den Moment ist das Kapitel erst einmal vorbei.“
Neu gegründete Liga ist ebenfalls Problemfaktor bei Spieler- und Sponsorensuche
Welchen Einfluss hatte die Ankündigung, es solle eine europäische Football-Liga mit einem Hamburger Team geben, auf dem Elmshorner Rückzug? Die Coaches Patrick Esume – Football-Pionier, TV-Moderator und Gründer dieser ELF –, Andreas Nommensen und Sören Hauff sowie Sportdirektor Max Paatz verließen den Verein. Ein Großteil der Pirates-Mannschaft liebäugelte daraufhin ebenfalls mit dem Sprung in eine professionelle Liga.
„Das hatte natürlich einen Einfluss. Das hat ja nicht nur uns betroffen. Viele weitere Teams im Norden hatten ebenfalls Anfragen für das Team in Hamburg“, so die Elmshornerin. Die Hildesheim Invaders meldeten ebenfalls nicht für die GFL 1, künftig sollen die neugegründeten German Knights 1367 Niedersachsen in der European League of Football an den Start gehen.
Doch auch bei dieser neuen Football-Liga kann niemand vorhersagen, was das Virus letztendlich zulassen wird. Neben sechs Teams aus Deutschland sollen noch jeweils ein Team aus Polen (Panthers Wroclaw) und Spanien (Costa Daurada) die European League of Football komplettieren.
Headcoach Jörn Maier zieht sich ebenfalls zurück
In Elmshorn war die letzten sechs Jahre Headcoach Jörn Maier an Bord. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern der Pirates, die 1991 den Verein gründeten, der anschließend eine Abteilung im Elmshorner MTV darstellte. Auch er wird als Kapitän und letzter Mann das gesunkene Schiff verlassen. „Natürlich ist es extrem schade, dass wir nicht die Früchte unserer jahrelangen Arbeit ernten können“, sagt Maier. „Da ist jetzt auch Wehmut dabei, klar. Wir hatten das Ziel, in die 1. Liga aufzusteigen. Und das Ziel haben wir auch erreicht. Dann kam Corona und hat verhindert, dass wir eine mutmaßlich ebenfalls gute Saison 2020 spielen“, so der 49-Jährige, der in diesem Jahr voraussichtlich pausieren möchte. Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, könnte Jörn Maier nicht der einzige sein, der nach 2020 auch 2021 nicht im Football aktiv wird.