Pinneberg. Im Museum der Stadt ist jetzt eine interaktive Anwendung an den Start gegangen, die den Wandel auf interessante Art zeigt.

Zu schildern, wie Orte sich über die Jahrzehnte verändert haben, ist fast unmöglich in einer Ausstellung, die sich innerhalb einer Epoche bewegt. Deshalb hatten die beiden Hamburger Designer Tina Polster und Sebastian Hager vom Büro Una schon während sie im Pinneberg Museum über die Neugestaltung der Dauerausstellung zur NS-Geschichte nachdachten, die Idee gehabt, einen interaktiven Stadtplan zu installieren. So weit kam es aus finanziellen Gründen vorerst nicht, aber nun hängt der brandneue Plan doch im ersten Stock des Pinneberg Museums an der Wand.

Die Dauerausstellung tritt gegen das Vergessen an

Gras und Grund sind geduldig, Straßennamen sind geduldig, wenn es darum geht, Vergangenes zu vergessen, Altes abzureißen, vorhandene Strukturen zu überformen und Geschichte zu tilgen. Dagegen tritt das Museum mit seiner besonders für Schulklassen und Jugendliche konzipierten Dauerausstellung an – und jetzt auch mit dem interaktiven Stadtplan. „Wie können wir anschaulich machen, was wo gestanden hat?“ Das habe im Zentrum der Überlegungen gestanden, sagt die Direktorin Ina Duggen-Below.

Wer den Knopf des Plans betätigt und immer weiter nach unten bis zum Buchstaben S drückt, bis er beim Schäferkamp stoppt, sieht plötzlich auf einem Foto einen dunklen Flur mit Schränken. Im Vordergrund blicken zwei Frauen etwas misstrauisch in Richtung Kamera. Die Frauen lebten in einem Behelfsheim für Vertriebene am Schäferkamp. Aber über die historische Aufnahme hinaus sind auch aktuelle Fotos vom gleichen Ort hinterlegt, der direkte Vergleich wird also möglich.

Manche Fassade am Rübekamp trug in den 30er-Jahren die Hakenkreuzfahne. Die Flucht der Straße wirkte weniger grün.
Manche Fassade am Rübekamp trug in den 30er-Jahren die Hakenkreuzfahne. Die Flucht der Straße wirkte weniger grün. © Pinneberg Museum | Pinneberg Museum

Dasselbe gilt beispielsweise für das Stadion I neben dem Rosengarten, wo einst Bürgermeister Henry Glissmann Anstoß zu einem wichtigen Fußballspiel gab und Massenaufmärsche der nationalsozialistischen Sportlerjugend stattfanden. Rauf und runter geht es durch das Alphabet entlang der Pinneberger Orte, über die die Ausstellung vieles zu erzählen hat. „Interaktion macht eigentlich immer Spaß“, sagt Ina Duggen-Below, die es nach 27 Jahren am Haus wissen muss.

„Wir wollten eine Brücke schlagen, um zu zeigen, wie die Orte, die sich die Besucher hier aus der Zeit 1933 bis 1945 angucken, heute aussehen“, sagt Sebastian Hager. Entscheidend sei dabei gewesen, „die Suchgewohnheiten der Schüler aufzugreifen“, erklärt Wolfgang J. Domeyer, der mit seiner VHS-Geschichtswerkstatt die Forschungsarbeit für die Ausstellung geleitet hat. Denn gesucht wird heute meist über Schlagworte.

Heute hingegen sieht der Rübekamp geradezu grün aus. Auch wenn die Bebauung sich auf der rechten Bildseite gerade ändert.
Heute hingegen sieht der Rübekamp geradezu grün aus. Auch wenn die Bebauung sich auf der rechten Bildseite gerade ändert. © Pinneberg Museum | Pinneberg Museum

I wie ILO: Auf dem Gelände der ILO-Motorenwerke, wo heute viele neue Wohnungen entstehen, waren einst Bretterbaracken gebaut worden, um die Zwangsarbeiter unterzubringen. Und auf dem Areal der Eggerstedtkaserne, wo heute zwar noch einige Gebäude stehen, der größte Teil des Geländes aber neu bebaut wurde, ließen sich der NS-Ortsgruppenleiter Alfred Krömer und Bürgermeister Heinrich Backhaus von der Hitlerjugend feiern, die Hakenkreuzbinden gut sichtbar am Oberarm. Auf dem Gelände der Wupperman-Fabrik wurden Kriegsgefangene untergebracht.

Schon früher konnten die Museumsbesucher den QR-Code unter dem jeweiligen Kapitel auf dem eigenen Telefon speichern, um den Ort später persönlich aufzusuchen. Der interaktive Stadtplan ermöglicht jetzt vor Ort die schnelle Zeitreise vor und zurück – auf Wunsch der Museumsdirektorin mit einer langlebigen Technik. Touch-Screens, mit denen die junge Handy-Generation sowieso den ganzen Tag zu tun hat, wollte sie keine. Aber da winkt die Designerin Tina Polster ab: „Die junge Generation hat davon schon mehr als genug. Wir haben den Plan auf Holz gedruckt und eine Mischung zwischen moderner Technik und Haptik angestrebt.“ Denn haptische Erfahrungen hätten sich als einprägsamer erwiesen, als das ewige Wischen auf glatter Oberfläche.

Die Informationen im Plan können stets ergänzt werden

Hinter der Wand befindet sich allerdings ein Computer, über den der Plan gesteuert wird. Alle Daten sind im Internet hinterlegt. Die Programmierung kann jederzeit dezentral erweitert werden. 17.000 Euro hat das neue Ausstellungselement gekostet, das alle geschichtsrelevanten Häuser, Orte, Straßen und Plätze aus der Ausstellung abbildet. Finanziert wurde es vom Förderverein, von Stadt, Land und Kreis, außerdem von der Stiftung Sparkasse Südholstein und dem Rotary Club Pinneberg.