Wedel. Die Stadt ist hoch verschuldet und muss sparen. Wie ein Einsparpotenzial von 85.000 Euro erzielt werden kann.
Die Stadt Wedel ächzt unter einer hohen Schuldenlast. Für 2022 wird im Haushaltsentwurf ein Minus von gut acht Millionen Euro veranschlagt. Circa 85 Millionen Euro Schulden hat die Rolandstadt angehäuft. Es soll und muss gespart werden, um den Haushalt zu konsolidieren. Etwa 85.000 Euro jährliches Entlastungspotenzial könnte entstehen, wenn die gemeinnützige Einrichtung Die Villa, ein städtisches Beratungs- und Kulturzentrum, mit anderen sozialen Institutionen der Rolandstadt zusammengelegt werden würde. Seit 2019 hat Wedel den Betrieb in dem Haus an der Mühlenstraße übernommen.
Wedel: Politiker wollen Die Villa erhalten
Wie häufig haben sich die Verantwortlichen eigentlich in der jüngeren Vergangenheit schon Sorgen machen müssen, ob der Betrieb fortgeführt werden kann? Mareike Jaeger überlegt: „Ich würde sagen, fast jedes Jahr.“ Zuletzt übergab Jens Ballaschke von der Musikinitiative Wedel den Mitgliedern des Sozialausschusses der Stadt eine Unterschriftenliste mit gut 2000 Namen – für den Erhalt der Villa. Vor der Gebrüder-Humboldt-Schule, dem Sitzungsort, versammelten sich mehr als 150 lautstarke Demonstranten.
„Aktuell zeichnet sich bei den Beratungen in den politischen Gremien folgende Linie ab: Grundsätzlich soll der Betrieb der Villa fortgesetzt werden. Kooperationen innerhalb des Gebäudes mit anderen sozialen Trägern können geprüft werden. Die sich daraus ergebenden Veränderungen sollen aber nicht zu Lasten des heutigen Betriebes gehen“, sagt Stadtsprecher Sven Kamin. Jegliche Themen, die zu einer möglichen Haushaltskonsolidierung führen sollen, werden erst im September im Wedeler Rat behandelt.
Im Jahr 2020 hatte die Villa einen Zuschussbedarf von 267.000 Euro. In der Planung für das Jahr 2022 sind 286.100 Euro veranschlagt. Etwa 120.000 Euro Personalkosten sind hierin jeweils enthalten. Bis zum Jahr 2006 war der Träger der Internationale Bund, danach folgte die MiKo Kinder- und Jugendhilfe. Früher gab es langfristige Verträge über bis zu fünf Jahre, jetzt wird von Jahr zu Jahr neu geschaut, ob das Budget der Stadt ausreicht, Drei Ziele haben sich die Villa-Verantwortlichen um Jaeger (38) und Sadi Ünlü (61) gesetzt. Es geht um Integration in den Arbeitsmarkt, die Teilhabe am sozialen Leben und darum, einen Raum zu schaffen für kulturelle Bereicherung und Selbstverwirklichung. Es gibt Konzerte und Veranstaltungen.
Wedel: Die Villa ist eine Anlaufstelle für viele Menschen
Neben den beiden Teilzeitkräften Jaeger und Ünlü gibt es noch einen FSJler bis September und eine Honorarkraft mit fünf Wochenstunden im Team. Plus viele Ehrenamtler „Wir machen das hier mit Herzblut. Für viele Hausbesuchenden, die hier beraten werden, sind wir auch so etwas wie ein Anker“, meint die Leiterin. „Unser Klientel deckt eine hohe gesellschaftliche Bandbreite ab. Es ist quasi ein Abbild der Welt im Kleinformat. Es kommen hier viele unterschiedliche Menschen mit verschiedensten Hintergründen zusammen, um sich für die eine gute Sache einzusetzen“, sagt Ünlü.
Die Villa steht jedem offen, egal ob er Schwierigkeiten hat oder nicht. Es gibt Berufsberatungen, Tipps und Hilfestellung für das Verfassen von Bewerbungen. Für Jugendliche oder Wiedereinsteiger. Dank einer Spende des Pharma-Herstellers Medac können auch Bewerbungsfotos vor Ort geschossen werden. Jeden Montag ist das Motto zum Beispiel „Kuchen und Quatschen“, mittwochs gibt es das Frauenfrühstück, bei dem Frauen aller Altersklassen und Herkunftsländer essen und klönen. 2021 waren Frauen aus 26 verschiedenen Nationen dabei. Männer müssen draußen bleiben.
Fünf Computer mit Internet-Anschluss sind vorhanden. Musiker und Bands können sich zu günstigen Konditionen einen Probenraum mieten und teilen. Es wird auch gemeinsam gekocht. Mit der Corona-Krise hätten sich Anfragen und Anliegen in der Villa noch erhöht, erzählen beide. Gab es 2019 noch 1752 Beratungen, waren es 2020 2124. Im Jahr darauf hörten Mitarbeiter und Ehrenamtliche 2436-mal zu und gaben Hilfestellung.
Wedel: Die Villa besteht seit Ende der 1980er-Jahre
Wegen der Krisen und Konflikte auf der Welt ist die Villa stets auch eine hochfrequentierte Anlaufstelle für Geflüchtete. Es gibt auch Deutsch-Nachhilfekurse. Klappt es denn bei den Mitarbeitern, die Probleme nicht mit nach Hause zu nehmen? „Abgrenzung ist schon wichtig, aber den einen oder anderen Gedanken hat man auch nach Dienstschluss trotzdem immer. Wir haben hier oft Menschen, die aufgrund ihres Lebenslaufes traumatisiert sind“, sagt Jaeger. Als Afghanen in Wedel um Unterstützung baten, nach dem Abzug der US-Truppen und der Machtübernahme der Taliban, ihre Angehörigen aus jenem Land zu bekommen, flossen viele Tränen. Auf allen Seiten.
Die Villa ist in Wedel eine Institution mit Tradition. 1972 gab es die Anfänge der Musikinitiative, 1988 wurde die Einrichtung unter die Trägerschaft des Internationalen Bundes für Sozialarbeit gestellt und hieß JUKZ. Im Juli 1991 wurde das Jugendzentrum in Die Villa umgetauft. Seit November 2021 ist die Musikinitiative sogar ein eingetragener Verein. Der Tidenhub Wedel Liveclub, als Teil der Kunstförderung Nord, setzt sich dafür ein, dass die Villa ein „sozialer, kultureller und auch sozial-politischer Anlaufpunkt bleibt.“
Die Villa kooperiert auch mit Einrichtungen wie beispielsweise Frauenhaus oder VHS. Bereits in der Vergangenheit gab es Überlegungen, kulturelle Begegnungsstätten zusammenzufassen, um Kosten einzusparen. Für die Villa gibt es die Idee, Räumlichkeiten zu vermieten, um Einnahmen zu generieren. Dieses sei nur sinnvoll, wenn der laufende Betrieb nicht gestört werde. Zuletzt gab es Erste-Hilfe-Kurse. Sie könne nur für den Fortbestand der Villa plädieren, „auch wenn mir bewusst ist, dass Wedel sparen muss““, sagt Leiterin Jaeger.