Klein Nordende. Familienbetrieb in Klein Nordende erhält Innovationspreis. Hightech sucht man vergeblich. Der Erfolg liegt woanders.

Geht’s dem Rind gut, ist auch der Bauer zufrieden. Mit dieser Intention hat die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein am Donnerstag den Kammerehrenpreis für innovative Rinderhaltung an den Familienbetrieb Blohm in Klein Nordende verliehen. Mit kleinen Umbauten und einer Klauenpflegestraße haben Blohms stetig das Wohl ihrer Rinder verbessert – und damit auch ihre Produktionsfähigkeit. Ein gelungenes Beispiel, wie sich tiergerechte Haltung und Wirtschaftlichkeit vereinen lassen, meint die Jury.

Der Familienbetrieb in vierter Generation züchtet seit Ende der 90er-Jahre sowohl Rotbund Doppelnutzung als auch Holstein Schwarzbunte. Blohms haben ihn über die Jahre stetig vergrößert und zählen nennen heute etwa 150 Rinder ihr Eigen. Hinzu kommen die Nachzucht sowie eine Bullenmast mit etwa 70 Tieren. Die Familie bewirtschaftet mit einem Angestellten und einem Lehrling zudem 170 Hektar mit Grünland, Getreide- und Maisanbau.

Schleswig-Holstein ist ein echtes Weideland

Mit mehr als 300.000 Hektar Grünland ist Schleswig-Holstein ein echtes Weideland. Außer Kühen werden auch Pferde und Schafe von diesen Flächen ernährt. Von den mehr als eine Million Rindern landesweit sind etwa 700.000 Milchkühe – vor allem Holstein Schwarzbunte –, rund 90.000 Fleischrinder wie Limousin oder Galloway sowie mehr als 200.000 Doppelnutzungsrinder für Milch und Fleisch.

In Klein Nordende züchten die Brüder Blohm ihre Rinder selbst, sodass sie keine dazukaufen müssen. Im Gegenteil, sie verkaufen jedes Jahr etwa 20 Färsen an einen Landwirtschaftsbetrieb in Nordfriesland. Dirk Blohm leitet den Betrieb, und sein Bruder Ulf Blohm, der als IT-Fachmann arbeitet, kümmert sich um die Zucht. „Für uns sind Tiergesundheit und Langlebigkeit die obersten Zuchtziele“, sagt Ulf Blohm. Das sei auch in älteren Ställen möglich. Sie sind so umgebaut, dass die Tiere, die auch raus auf die Weide können, ausreichend Platz und Ruhe haben. Außerdem haben die Brüder eine Klauenpflegestraße integriert. „Die Kühe in der Klauenpflege bleiben in Sichtkontakt mit ihren Artgenossen“, sagt Ulf Blohm. Das entstresst.

Wiederkäuer brauchen viel Ruhe

Sowieso brauchen die Wiederkäuer viel Ruhe. Die Ställe sind mit einer Extraportion Stroh ausgestattet für hohen Liegekomfort, berichtet der Kuhliebhaber beim Gang durch den Stall. An einer Bürste schubbert sich eine Kuh genüsslich den Rücken. Andere liegen mit Artgenossen zusammen, legen ihren Kopf auf dem Rücken der anderen ab und dösen vor sich hin. Breite Trogtränken sind in Reichweite aufgestellt. Die Familie zieht zudem regelmäßig einen Futterberater hinzu.

„Wir lieben alte Kühe“, sagt Betriebsleiter Dirk Blohm. Dahinter steckt eine einfache Rechnung: Gesunde Kühe erreichen eine hohe Lebensleistung. Während eine Kuh in den ersten zwei Jahren nur kostet und erst ab dem dritten Jahr Milch gibt, rentiert sich eine gesunde Milchkuh mit zunehmendem Alter. Jahr für Jahr konnten die Milchbauern mit guter Pflege die Lebensleistungen der Kühe ausbauen.

Kleinigkeiten haben große Auswirkungen aufs Tierwohl

Die Familie macht nicht jeden Techniktrend sofort mit, somit gibt es auf dem Hof nicht die eine Innovation. „Es sind eher die vielen kleinen Stellschrauben, die eine große Wirkung auf die Tiergesundheit und -leistung haben“, sagt Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer. Sie überreichte den Tierhaltern einen Bronzeteller für ihre Innovationen.

Der Druck auf die Nutztierhaltung wächst. Die Gesellschaft fordert vermehrt Tierwohl ein, gesetzliche Vorgaben nehmen zu, Verbraucher wollen aber nicht unbedingt mehr zahlen. Betriebswirtschaftlich muss sich die Landwirtschaft aber auch noch lohnen. Beide Seiten in Einklang zu bringen sei eine große Herausforderung, so Volquardsen.

Mehr Ehrlichkeit im Handel gefordert

Die Politik hatte in den vergangenen zwei Jahren zwei Kommissionen eingesetzt – die Borchertkommission und die Zukunftskommission Landwirtschaft. „Ich selbst habe in der Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundesregierung mitgewirkt“, so Volquardsen bei der Verleihung. „Die Abschlussberichte machen deutlich, dass der Umbau hin zu einer nachhaltigeren, wirtschaftlich erfolgreicheren und gesellschaftlich anerkannten Landwirtschaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, bei der die Landwirtschaft nicht allein gelassen werden darf.“

Zudem sei Ehrlichkeit im Handeln gefordert. „Es kann nicht sein, dass Aldi im Dezember 2020 die Preise für deutsche Schweinefleischprodukte um einen Euro pro Kilogramm zugunsten der Tierhalter erhöht, um diese nach nicht einmal zwei Monaten wieder einzustellen, da der Markt diesem Signal nicht gefolgt sei.“ Ein anderer Discounter habe vor einigen Wochen das Ziel formuliert, dass bis 2030 100 Prozent des Frischfleischsortiments aus den Haltungsstufen drei und vier kommen soll. „Jedem Verbraucher muss bewusst sein, dass es dies nicht zum Nulltarif geben kann“, sagt Ute Volquardsen.

Landwirte sollten den Takt vorgeben

Ihr Appell: Landwirte sollten nicht darauf warten, dass unterschiedliche Interessengruppen um sie herum den Takt vorgeben, sondern die Landwirtschaft sei aufgerufen, die zukünftige Entwicklung der Branche aktiv zu gestalten. Auf diesem Weg seien insbesondere Betriebe entscheidend, die neue und zukunftsweisende Denkansätze mutig verfolgten und somit Leuchtturm-Charakter hätten. Die ausgezeichneten Betriebe folgten diesem Ansatz.

Außer dem Betrieb in Klein Nordende wurde in diesem Jahr noch die Holsteiner Pferdezucht von Reimer Deflef Hennings in Bendorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) mit dem Kammerpreis für Innovation in der Tierhaltung geehrt.