Kreis Pinneberg. Große Aufregung an den Zapfsäulen ist nicht nur aktuell ein Thema – wie ein Blick ins Archiv zeigt. Unsere Serie mit dem Jahr 2005.
Ende Dezember 2004 vernichtete ein Tsunami in Asien ganze Landstriche und viele Menschenleben. Menschen aus dem Kreis Pinneberg schildern Anfang Januar ihre Erlebnisse. Ein Haselauer Pärchen war mit einem Boot zu einem Tauchausflug auf hoher See etwa 30 Kilometer vor der Küste Khao Lak (Thailand) unterwegs und bekam von der Welle nichts mit. Andere Bürger aus dem Kreis werden verletzt. Zu dem Zeitpunkt werden noch 55 Urlauber aus Schleswig-Holstein vermisst.
Der Uetersener Kripobeamte Thomas Eidenberg reist freiwillig ins Katastrophengebiet, um bei der Identifizierung der Leichen zu helfen. Drei Einsätze, insgesamt elf Wochen. „Wir waren gekommen, um den Toten ihre Namen zurückzugeben“, sagt er. Oliver Hallas hilft auf Sumatra bei der Trinkwasserversorgung, Claus Böttcher unterstützt mit Aufklärungsflügen im September in New Orleans nach dem verheerenden Hurrikan Katrina. Beide sind für das Technische Hilfswerk vor Ort.
Smudo macht seine Pilotenlizenz im Kreis Pinneberg
Einen durchweg positiven Höhenflug gibt es für den Rapper Smudo (Die Fantastischen Vier): Er hebt auf dem Flugplatz Heist bei seinem Prüfungsflug ab und landet auch erfolgreich. Resultat: Eine Privat-Pilotenlizenz. Ab dem Schuljahr 2005/06 soll an Schulen nicht mehr geraucht werden. Diskussionen über Sinn und Unsinn dieser Maßnahme sind entbrannt. Einen schwarzen Tag erlebt der Halstenbeker Schützenverein, den es 118 Jahre gibt. Clubheim und Schießstand brennen bis auf die Grundmauern ab – es entstehen mehrere hunderttausend Euro Schaden.
4,3 Millionen Euro Steuern zahlen 187 reuige Einwohner im Kreis Pinneberg im Zuge der von der Bundesregierung eingeräumten Amnestie nachträglich. Bestimmt nicht gern, aber so gehen sie immerhin straffrei aus. Für drei Jahre in Haft geht ein Elmshorner Müll-Unternehmer – wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Bestechung. Er hatte einem Mitarbeiter der Deponie Ecklak zwischen 1999 und 2001 bestochen, um kostenlos Müll anzuliefern – schlappe 22.000 Tonnen.
„Vor zehn Jahren hatten wir im Kreis etwa 1000 organisierte Reiter. Heutzutage sind es etwa 5000“, sagt Klaus Mohr, Vorsitzender des Reiterverbandes. Viele Bauern satteln quasi um und bauen Reitställe, um finanziell besser über die Runden zu kommen. Auch viele Hamburger Pferdebesitzer suchen nach Unterbringungsmöglichkeiten für ihre Vierbeiner im Umland.
Frau stirbt nach Verirrung in Mexiko
Tragisch endet eine Mexiko-Rundreise für eine 65 Jahre alte Frau aus Brande-Hörnerkirchen. Sie entfernt sich nach einer Tempelbesichtigung von der Reisegruppe, um auf Toilette zu gehen und verirrt sich. 14 Tage später wird die Leiche im März in unwegsamem Gelände entdeckt. Die Frau starb eines natürlichen Todes in Folge der großen Hitze.
Vom 18. Tabellenplatz geht es nach der Verpflichtung des HSV-Trainers Thomas Doll im Winter rauf auf Platz fünf. Der Coach wohnt in Quickborn und wird von der Tennis-Sparte des TuS Holstein Quickborn zum zweiten Ehrenmitglied nach Bürgermeister Thomas Köppl ernannt. 1990 hat er dort den Schläger geschwungen, ehe der Fußball-Profi nach einer Saison vom HSV zu Lazio Rom wechselte. Das Abendblatt titelt humoresk: „Doll! Quickborn ehrt HSV-Trainer“.
Die Autos werden immer sicherer, das Verhalten der Autofahrer bleibt eher fahrlässig. Vor allem die Anschnallpflicht, auch die der Mitfahrer, wird missachtet. Laut Unfallstatistik sind 2004 neun Menschen im Kreis Pinneberg bei Unfällen gestorben, 2003 waren es fünf weniger. Es gibt 4,3 Prozent mehr Zusammenstöße als 2003. Allerdings sinkt der Anteil der Schwerverletzten seit Jahren kontinuierlich.
Gebiss unter 2000 Fundsachen im Kreis Pinneberg
Kein Scherz: Am 1. April nimmt die entlassene Kindergartenchefin in Borstel-Hohenraden ihren Job wieder auf. Sie hatte erfolgreich geklagt. Der Kindergarten ist leer. Die Eltern organisieren über Tage hinweg eigenständig eine Betreuung – bis es eine Einigung über eine Abfindung gibt. Etwa 2000 Fundsachen werden bei den Pinneberger Verkehrsgesellschaften (PVG) jährlich abgegeben. Etwa der untere Teil eines Gebisses. Etwas nuschelig fragte der ältere Herr telefonisch nach, kam in Schenefeld auf den Betriebshof und konnte wegen der perfekten Passform zweifelsfrei als Besitzer identifiziert werden.
Ein zweieinhalb Jahre dauerndes Familien-Drama in Schenefeld nimmt ein gutes Ende: Der leibliche Vater hat ein Besuchsrecht für seine Tochter erstritten und entführt die Zweijährige nach Serbien-Montenegro. Die Mutter zieht letztlich die Strafanzeige gegen ihren Ex-Mann zurück – er gibt die Tochter frei, die zurückkehrt nach Deutschland.
Vollkommene Glückseligkeit am 5.5.2005 – der als Schnapszahl-Tag, ausgerechnet an Himmelfahrt, zum Heiraten geradezu einlädt. Ein Wedeler Standesbeamter hat sozusagen „Ehe-Stress“, weil er neun Paare zwischen 11 und 15.30 Uhr traut. Das weitere Ranking der Eheschließungen an dem Tag: Uetersen (18), Elmshorn (12), Barmstedt (10), Pinneberg (9), Schenefeld (4).
Reetdachhäuser brennen nieder
Halter von Kampfhunden und anderen als gefährlich eingestuften Rassen müssen einen Nachweis erbringen, dass sie ihren besten tierischen Freund gut im Griff haben. Das Thema „Hundeführerschein“ ist bis heute aktuell. Schon damals empfiehlt der Rellinger Doggenzüchter Reinhardt Kussin, dass „nicht nur Besitzer gefährlicher Hunde die Hundeführerscheinprüfung ablegen sollten“. 297 Jahre steht ein Reetdachhaus in Elmshorn, ehe ein Blitzeinschlag einen verheerenden Brand auslöst und das historische Gebäude auslöscht. Auch in Halstenbek brennt eine Reetdachkate von 1670 im Sommer nieder.
Das Forschungsinstitut Desy möchte den Röntgenlaser Xfel in Schenefeld für 908 Millionen Euro bauen. 2012 soll auch ein dazugehöriges Forschungszentrum seinen Betrieb aufnehmen. Während der viereinhalbjährigen Bauzeit soll es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen kommen – das sorgt für heftige Proteste der Anlieger. Unter anderem sollen täglich 640 Laster durch den Ort rollen.
Betrüger macht Reibach mit Lotto-King-Karl-Konzert
Einen Skandal gibt es im Juni in Heist: Ein vorbestrafter Hilfskellner aus Uetersen wirbt damit, ein Open-Air-Konzert mit Lotto King Karl und Torfrock zu veranstalten. Eine Genehmigung für den Flugplatz liegt nicht vor. Er setzt sich mit dem Geld aus dem Ticket-Vorverkauf ab. Es gibt 2000 Geschädigte.
Preisdruck führt dazu, dass ein „Pflanzensämlings-Tourismus“ bei den Baumschulen eingesetzt hat. Jene werden aus Kostengründen quer durch Europa nach Ungarn oder Polen gebracht, um sie dort per Hand sortieren zu lassen. Der Ellerhooper Baumschuler Lars Harder hat mit einer holländischen Firma eine Sortierungsmaschine entwickelt, um sinnvoller direkt vor Ort sortieren lassen zu können. Ohne ökologisch bedenklichen Transport, bei dem auch ein Großteil der Pflanzen leidet.
Währenddessen stimmt der Aufsichtsrat der Stadtwerke Pinneberg zu, den brachliegenden Freibadsee in eine Wasserski-Arena umzuwandeln. Wenig später folgt in Wedel die Grundsteinlegung für die Badebucht. Die Kosten liegen bei mehr als elf Millionen Euro, Eröffnung: Sommer 2006.
Spritpreise auf hohem Niveau
Im Juni berichtet das Abendblatt, dass Ende 2005 die 17 Jahre alten Fahrer in Begleitung eines Erwachsenen ans KfZ-Steuer dürfen. Schleswig-Holstein führt diesen Modellversuch ein. Gut auf Kurs liegt auch Gina Mohr (20), Schwimmerin des Swim-Team Elmshorn. Sie wird deutsche Meisterin auf der Langstrecke im Freiwasser über zehn Kilometer (2:04:32 Stunden) und erreicht anschließend bei der WM in Montreal (Kanada) Platz zwölf. Die Spritpreise steigen auf Werte um 1,20 Euro pro Liter Super. „Diese Spritpreise ruinieren uns noch!“, titelt das Abendblatt. Vor allem Taxi-Fahrer, die Verkehrsbetriebe und Speditionen klagen über Mehrkosten, etwa von monatlich 3000 Euro.
Unterdessen ist der Trassenverlauf der A20 behördlich genehmigt. Die Autobahn soll nördlich an Bokel, Wester- und Osterhorn entlangführen und bei Glückstadt die Elbe überqueren. Wegen Protesten wird die geplante Abfahrt von Westerhorn nach Bokel verlegt.
Anfang August steht die Frage im Raum, ob der Kulturbetrieb in der Pinneberger Drostei noch zu retten sei. Wenn der Kreiszuschuss ab 2007 wegfällt, fehlen 150.000 Euro jährlich. Die Pläne für eine Neuausrichtung des Kulturkonzeptes beginnen.
Esso hält Absprachen in Wedel nicht ein
Am Wedeler Hochelbe-Ufer will der Esso-Konzern nur ein Drittel der Fläche seiner ehemaligen Raffinerie sanieren. 1995 hieß es noch, dass der mit Öl verseuchte Boden auf dem gesamten 180.000 Quadratmeter großen Areal gereinigt werden soll. Das möchte der Konzern aus Kostengründen nicht, obwohl der weltweite Gewinn bei 38 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2005 liegt. 30 Millionen Euro statt 150 stehen bereit, um das Gelände zu sichern. Eine Sprecherin: „Und das bedeutet nicht, dass wir da nur eine Schicht Mutterboden ausfahren werden.“ Durch Fliegerangriffe der USA 1944 ist der Boden mit weiteren giftigen chemischen Verbindungen kontaminiert. Wedel möchte die ganze Fläche als Industriegebiet nutzen.
Mitte August stirbt die zweitälteste Frau Deutschlands. Die Pinnebergerin Bertha Flessau wird als älteste Schleswig-Holsteinerin 109 Jahre alt. Teppich Kibek möchte das größte Geschäft seiner Art weltweit eröffnen und siedelt sich im Industriegebiet Süd in Elmshorn an. Der Gesamtkomplex aus Verkaufsräumen, Verwaltung und weiteren Geschäften kostet 40 Millionen Euro.
Im September gibt das Statistische Landesamt bekannt: 298.199 Einwohner hat der Kreis – 73 weniger als zuvor. Das Durchschnittsalter steigt auf 42,1 Jahre. Christiane Küchenhof (SPD) wird im ersten Wahlgang mit 55,1 Prozent Bürgermeisterin in Schenefeld – erstmals ist dort eine Frau Bürgermeisterin.
Drei Kreispolitiker im Bundestag
Nach der Bundestagswahl steht fest: Drei Politiker aus dem Kreis gehen nach Berlin. Ole Schröder (CDU) gewinnt den Wahlkreis mit 80.935 Stimmen, gefolgt von Ernst Dieter Rossmann (SPD, 78.235 Erststimmen). Auch Rainder Steenblock (Die Grünen) ist in der Hauptstadt dabei.
Aus Kostengründen hatte ein Investor verzichtet, die historische Bauernmühle in Pinneberg zu einer Kneipe umzugestalten, Ende September stimmt die Ratsversammlung einem Abriss zu. Klaus tho Seeth aus Horst-Hahnenkamp wird Europameister der Trabrenn-Amateure. Er ist der zweite Deutsche, dem der Sieg auf dieser Ebene gelingt. In der Spar-Zentrale in Schenefeld geht die Angst um, 662 von 929 Arbeitsplätzen sollen nach der Übernahme durch Edeka wegfallen.
Drei 14 und 15 Jahre alte Schüler versprühen im Eingangsbereich der Wedeler Ernst-Barlach-Schule Reizgas. 84 Schüler werden Ende Oktober leicht verletzt. Für den Rettungsdienst ist das der größte Einsatz seit Jahren. In Quickborn geht die Angst vor einem Feuerteufel um. Innerhalb von fünf Wochen gibt es drei Brände in Häusern. Zwei davon brennen komplett aus.
Peter Kölln haut die Flocken raus
Ein grausames Verbrechen in Elmshorn erschüttert ganz Deutschland: Der kleine Tim (2) stirbt nach Misshandlungen durch den Freund seiner Mutter. Der Täter packt die Leiche in eine Sporttasche und versteckt sie auf dem Grundstück eines Hauses in der Gärtnerstraße, das er renovieren soll. Dort wird sie Mitte November entdeckt.
6584 chemische Altlasten sind vom Fachdienst Umwelt des Kreises Pinneberg vermerkt worden und schlummern teilweise als „Zeitbomben“ seit Jahrzehnten in den Böden. Sorgloser bis unverantwortlicher Umgang der Gewerbebetrieben sind der Hauptgrund. Und erst 117 von 230 registrierten und „wilden“ Müll-Deponien sind erfasst.
Peter Kölln haut im Dezember die Flocken raus: Für eine neue Produktionshalle in Elmshorn werden fünf Millionen Euro investiert. Der Kreistag gibt grünes Licht für die Umwandlung der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft GeWoGe in eine Genossenschaft. Der Verkauf der Kreisanteile soll 47 Millionen Euro bringen. Mieter von 2223 Wohnungen, die beitreten, sind juristisch gesehen künftig die Eigentümer.
Jubel gibt es auch in Bönningstedt, Hasloh und Quickborn. Die B4 wird für Lkw zu einer Mautstraße. Und die Sporthallen-Konstruktion „Knick-Ei“ in Halstenbek ist wohl endgültig Geschichte. 70,2 Prozent der Bürger stimmen gegen einen Wiederaufbau der zweimal eingestürzten Dachkonstruktion.