Kreis Pinneberg. Unversiegelte Gebiete nehmen stetig ab. Was der Kreis dagegen tun will und welche Kritik es an den Plänen gibt.

Jeden Tag werden im dicht besiedelten Kreis Pinneberg 2900 Quadratmeter Grund und Boden für Straßen und Häuser versiegelt. Pro Woche sind das drei Fußballfelder grüne Wiese weniger. In 20 Jahren hat der Kreis Pinneberg so mehr als 2100 Hektar freie Flächen verloren – ein Gebiet von der Größe der Gemeinde Appen.

Versiegelung: Kreis muss Flächenverbrauch stark drosseln

Dieser Flächenverbrauch müsse dringend reduziert werden, fordert nun die Landesplanung. Landesweit dürften nur noch 1,3 Hektar Land pro Tag versiegelt werden. Umgerechnet auf den Kreis Pinneberg bedeutet das: Der Flächenverbrauch muss um fast zwei Drittel gedrosselt werden – von zurzeit knapp 0,3 Hektar auf nur noch 0,1 Hektar pro Tag. Das Land fordert deshalb die Kreise auf, Flächenmanager einzustellen, die sich um diese Aufgabe kümmern sollen.

Die Siedlungs- und Verkehrsflächen im Kreis Pinneberg haben sich in den vergangenen 20 Jahren um ein Sechstel auf jetzt 14.792 Hektar erhöht. Fast jeder vierte Quadratmeter ist bebaut oder versiegel, der Anteil ist von 19,1 auf 22,3 Prozent gestiegen. Darum soll künftig äußerst sorgsam mit den wenigen freien Flächen umgegangen werden. Die Personalkosten für einen neuen Flächenmanager von 86.000 Euro im Jahr werden vom Land in den ersten fünf Jahren zwischen 90 und 50 Prozent gefördert. Blieben für den Kreis 124.000 Euro.

Versiegelung: Kreispolitiker und Kommunen skeptisch

Der Wirtschaftsausschuss des Kreistages berät am morgigen Dienstag darüber, ob der Kreis sich diesem kommunalen Netzwerk zum nachhaltigen Flächenmanagement anschließen soll – und ob er auch bereit ist, diese Personalstelle einzurichten. Die Resonanz in den Kreistagsfraktionen dazu reicht von zustimmend bis skeptisch. Und auch die Städte und Gemeinden sind nicht einhellig überzeugt, dass ihnen ein solcher Flächenmanager weiterhelfen würde. Vor allem die kleinen Gemeinden fürchten, dass der neue Mann oder die neue Frau ihre Entscheidungsfreiheit zu stark einschränken und die weitere Entwicklung behindern könnte.

Der Ausschussvorsitzende Jens Petersen (FDP) hält es für grundsätzlich richtig und wichtig, dass im landesweit kleinsten, aber bevölkerungsreichsten Kreis Pinneberg sorgsam mit dem Flächenverbrauch umgegangen wird. „Wir müssen aber vorher abklären, ob die Kommunen sich dabei beraten lassen wollen. Wenn sie das ablehnen, können wir es auch sein lassen.“ Die gleiche Position vertritt sein Stellvertreter, der CDU-Abgeordnete Torsten Hauwetter: „Wenn das in den Städten und Gemeinden auf kein Interesse stößt, hat es keinen Sinn.“ Zudem bedauern beide Kreispolitiker, dass das Land nur die Anschubfinanzierung übernimmt, sodass Hauwetter sich gegen die Schaffung einer zusätzlichen Personalstelle auf Kreisebene ausspricht.

Versiegelung: Wohnungsbau braucht viele Flächen

Auch SPD-Kreisfraktionschef Hans-Peter Stahl ist „skeptisch“, ob ein Flächenmanager den Kreis Pinneberg weiterbringt. „Einerseits ist es absolut notwendig, dass wir den Flächenverbrauch reduzieren“, sagt er. „Andererseits brauchen wir aber Flächen für den Wohnungsbau.“

Klarer Befürworter ist Grünen-Fraktionschef Thomas Giese. „Das ist eine gute Idee und längst überfällig“, sagt er. „Wir können nicht immer weiter auf der grünen Wiese bauen. Davon haben wir bald nicht mehr viel.“ Ein nachhaltiger Flächenverbrauch sei in der Vergangenheit nicht mit sonderlich viel Vehemenz angegangen worden, kritisiert Giese. Mit der finanziellen Landesförderung könnte das jetzt mit mehr Drive geschehen.

Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl verspricht sich von einem Flächenmanager durchaus Vorteile für seine Kommune. „Ich sehe das positiv. Guter Rat ist immer wertvoll.“ Eine solche Anlaufstelle beim Kreis könnte helfen, verdichteter zu bauen statt freie Flächen auf der grünen Wiese zu versiegeln. „Ich sehe darin kein Reinreden in die politische Kompetenz der Kommunen, sondern eine beratende und begleitende Hilfestellung.“

Versiegelung: „Kommunale Entwicklung nicht behindern“

Elmshorns Bürgermeister Volker Hatje lehnt das Konzept dagegen rigoros ab. „Aus städtischer Sicht brauchen wir keinen, der uns dabei Tipps gibt.“ Die freien Entwicklungsflächen in Elmshorn seien ohnehin rar und gut bekannt. Ihr Zweck sei für die nächsten zehn Jahre überwiegend bestimmt. „Als Mittelstadt sind wir da Herr unseres eigenen Vorgehens.“ Wenn, dann würde ein Flächenmager eher für den ländlichen Raum sinnvoll sein, findet Hatje.

Doch auch dort wird diese Aufgabe eher „kritisch“ gesehen, wie Moorreges Amtsdirektor Rainer Jürgensen sagt. Er ist zugleich Kreisvorsitzender des Gemeindetages. „Wir sehen das kritisch und befürchten dadurch einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit unserer Gemeinden.“ Sein Stellvertreter im Gemeindetag, Rellingens Bürgermeister Marc Trampe, äußert sich ähnlich: „Wir haben die Sorge, dass Bauleitverfahren dadurch weiter verzögert werden und länger dauern. Aus kommunaler Sicht können wir auf eine solche Stelle verzichten.“

Wenn aber der Kreistag die Stelle eines Flächenmanagers einrichten sollte, wünsche er sich, dass die Städte und Gemeinden in die konkrete Ausgestaltung dieser Aufgabe eingebunden werden. „Ein Flächenmanager darf kein Vetorecht erhalten oder die kommunale Entwicklung behindern.“

Versiegelung: Projekt wird am Dienstag im Kreistag vorgestellt

Die neue Stelle dürfe nur beratende Funktion haben, die Kommunen über gute Beispiele in anderen Orten im Sinne einer „Best-Practice“-Politik informiere, sie mit wichtigen Daten versorge und für sie die Kommunikation mit anderen wichtigen Partnern übernähme.

Tobias Kuckuck, zuständiger Regionalplaner in der Kreisverwaltung, interpretiert diese unterschiedlichen Rückmeldungen aus den Kommunen so, dass für die Städte und Gemeinden die beratende Dienstleistung bei einem nachhaltigen Flächenmanagement im Vordergrund stehe. Das sollte die Landesplanung in ihren Förderungsrichtlinien entsprechend berücksichtigen, rät der Regionalplaner.

„Eine enge Zusammenarbeit zwischen Flächenmanager*in des Kreises und den Städten und Gemeinden mit eigenen kommunalen Maßnahmen zum nachhaltigen Flächenmanagement ist beabsichtigt.“ Das gemeinsame Ziel aller sollte dabei sein, dass der Flächenverbrauch im Kreis Pinneberg zurückgeht.

Ein Vertreter der Landesplanung wird am morgigen Dienstag das Projekt des kommunalen Netzwerkes eines Flächenmanagements dem Wirtschaftsausschuss vorstellen, erläutern und diskutieren. Die Sitzung beginnt als Videokonferenz um 18.30 Uhr.