Kreis Pinneberg. Am 3. März 2020 kam die Pandemie im Kreis an. Wie Gastronomen, Lehrer, Musiker oder ein Altenheim-Chef das Jahr erlebt haben.
Und? Wie war ihr Corona-Jahr? Diese Frage haben wir unterschiedlichen Menschen aus dem Kreis Pinneberg gestellt. Ob Soldat, Gastronom, Lehrer oder Berufsmusiker – jeder hat seine Geschichte zu einem Jahr unter Pandemiebedingungen. Denn obwohl für alle die gleichen Beschränkungen gelten, wirken sie sich unterschiedlich aus. Einige trifft es weniger schwer, andere sehr hart. Die Erfahrungsberichte:
Der Notfallsanitäter ist noch vorsichtiger geworden
Christian Mandel ist Notfallsanitäter (Foto oben) und Sprecher der RKiSH – der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein. Derzeit darf „wachfremdes“ Personal die Rettungswachen nicht betreten, deswegen telefoniert er mit dem Hamburger Abendblatt. „Unser oberstes Ziel ist die flächendeckende individualmedizinische Versorgung unserer Patienten, und die erhalten wir weiter aufrecht“, resümiert er über das letzte Jahr.
Auch für ihn haben sich die Arbeitsbedingungen verändert. Während Schichten ihre einsatzfreie Zeit im Sozialraum gemeinsam verbrachten, gilt es jetzt, diese Kontakte zu vermeiden. Wachen wurden wo möglich umgebaut, Fahrzeuge und ihre Besatzungen ausgelagert. „Wir versuchen so gut wie möglich, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ähnliche Arbeitsbedingungen zu bieten wie sonst auf den Wachen, aber in erster Linie müssen wir Verschleppungen des Virus verhindern“ sagt der Notfallsanitäter.
Dafür wurden Ferienwohnungen angemietet und Container aufgestellt, damit die Retter in der einsatzfreien Zeit auch mal durchschnaufen können.
Wenn er an den März des letzten Jahres denkt, dann war zu Beginn der Pandemie, wie überall, vieles unklar. „Anfangs gab es natürlich bei vielen Kollegen Unsicherheit, wie sich das mit dem Virus entwickelt, aber Infektionskrankheiten sind für uns nichts Neues. Wir haben hohe Hygienestandards im Rettungsdienst und unsere Schutzmaßnahmen noch mal verstärkt“, sagt er.
Konkret bedeutet das, dass bei Verdacht auf Atemwegserkrankungen, neben der FFP2-Maske auch Vollschutzkittel, Haarnetz und Schutzbrille getragen werden. Für ihn fährt die Angst daher nicht mit: „Natürlich besteht immer ein gesunder Respekt, auch weil wir aufgrund von Angehörigen und Patienten wissen, dass es nicht nur ältere Menschen trifft. Nicht selten haben wir junge Leute mit schweren Verläufen auf der Trage.“
Die Hoteldirektorin verwaltet leere Zimmer
Kein Hafengeburtstag, keine Touristen, keine durchreisenden Urlauber, keine Firmenseminare. Das Hotel Quickborn ist seit Monaten weitgehend leer. Nur Monteure oder Außendienstmitarbeiter sorgten zurzeit dafür, dass etwa 30 der 187 Hotelbetten nahe der A-7-Anschlussstelle Quickborn belegt sind, sagt Hotelchefin Carina Treumann. „Normal wäre eine gute Belegung von etwa 100 Zimmern zu dieser Zeit“, sagt sie. Aber wegen des abermaligen Corona-Lockdowns würde die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurzeit nicht gebraucht und die andere befinde sich in Kurzarbeit
Beim ersten Lockdown vor einem Jahr hätte der Run auf die Lebensmittelläden den Hotelbetrieb noch über Wasser gehalten. Weil die Leute aus Angst, es gebe bald nichts mehr zu kaufen, viele Dinge horteten, seien die Mitarbeiter aller Supermarktketten unterwegs gewesen und hätten in Quickborn übernachtet, bevor sie weitere Auslieferungen machten, berichtet Treumann. „Da waren die Zimmer noch einigermaßen gut gefüllt“, sagt sie. „Das war beim zweiten Lockdown nicht mehr der Fall.“
Weil sie sich kaum um neue Gäste kümmern müssten, hätten sie inzwischen alles auf Hochglanz gebracht, sagt sie. „So sauber wie zurzeit waren die Zimmer vielleicht noch nie. Auch der Frühstücksraum ist ständig gedeckt und wartet nur darauf, dass dort wieder mehr Gäste frühstücken. Das Hotelrestaurant ist sowieso die ganze Zeit schon geschlossen.“
Leider sei auch der Hamburger Hafengeburtstag für 2021 schon abgesagt worden, der dem Quickborner Hotel über ein langes Wochenende im Mai regelmäßig drei volle Reisebusse bescherte. „Allmählich geht uns die Luft aus“, sagt Carina Treumann und hofft, dass sie und all ihre Kolleginnen und Kollegen bald wieder Touristen empfangen dürfen, die von hier aus Hamburg sowie die Nord- und Ostsee erkunden wollen.
Der Soldat kämpft im Impfzentrum gegen das Virus
Hauptfeldwebel Thomas Bär ist Soldat an der Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen und programmiert für gewöhnlich Lernprogramme für Soldaten. Im Prisdorfer Impfzentrum koordiniert er fünf Soldaten, die den Betrieb des Impfzentrums unterstützen.
Das vorherige Jahr war auch für ihn herausfordernd, sagt er. Beruflich geht es ihm als Soldat gut, er schätzt die finanzielle Sicherheit. Schwierig war es hingegen, Kontakte zu anderen Menschen aufrechtzuerhalten. Im März 2020 wurden auch bei der Bundeswehr Soldaten, die ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen können ins Homeoffice geschickt. So auch Bär: „Ich arbeite projektbezogen, produziere neben den Lernprogrammen auch Grafiken für diese Programme. Das kann ich fast uneingeschränkt von zu Hause aus erledigen.“
Im Juni 2020 war es für ihn selbstverständlich, sich für einen Einsatz im Pflegeheim zu melden. Die Stadt Hamburg hatte mehrere Amtshilfeanträge gestellt, nachdem das Personal dort knapp wurde. Soldaten der Unteroffizierschule unterstützten von April bis Juni im Pflegeheim zum Heiligen Geist und weiteren Pflegeeinrichtungen. „Ich selbst war für die Materialverwaltung verantwortlich und Gruppenführer der Soldaten im Pflegeheim, dabei hat mir meine militärische Erfahrung geholfen. Als Soldaten sind wir es gewohnt, flexibel auf Lageänderungen zu reagieren“ erklärt er.
Als im November absehbar war, dass Personal für die Unterstützung der Impfzentren Prisdorf und Kaltenkirchen benötigt wird, meldete er sich erneut. „Seit dem 4. Januar unterstützen wir beim Einlass, der Anmeldung und im Bereich der Nachsorge“ erklärt der Hauptfeldwebel. Diese Arbeit macht ihm Spaß: „Ich freue mich, dass wir momentan unterstützen, die Situation zu verbessern.“ Was er sich für die Zukunft wünscht? „Ich hoffe, dass sich die Menschen nicht von Gerüchten und falschen Informationen täuschen lassen und sich genug Menschen impfen lassen.“
Die Lehrerin sorgt sich um die Psyche der Kinder
Videokonferenzen, E-Mail-Romane, Schülergespräche per Telefon – so sieht Conny Tralaus Alltag als Lehrerin nun schon seit einem Jahr immer wieder aus. Im Frühjahr 2020 fing in den Schulen das Home-Schooling an – und auch ein Jahr später ist noch kein Ende in Sicht. „Langsam ist eine Grenze erreicht. Bei Kindern, bei Eltern und auch bei den Lehrkräften“, sagt Conny Tralau.
Seit 15 Jahren unterrichtet sie am Wolfgang-Borchert-Gymnasium in Halstenbek die Fächer Sport und Deutsch.
Als Lehrerin und Mutter ist ihre größte Sorge in der Krise das mentale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler. Die sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen fehlten den Kindern einfach: „Nach dem ersten Lockdown ist in den fünften Klassen schon aufgefallen, dass die Klassengemeinschaft gelitten hat“, sagt sie.
Es sei dennoch bewundernswert, wie tapfer die Kinder und Jugendlichen in den zurückliegenden zwölf Monaten gewesen seien und wie schnell sie sich an die neuen Gegebenheiten angepasst hätten. „Trotzdem mache ich mir viele Gedanken um die Schülerinnen und Schüler“, sagt die Lehrerin.
Da Videokonferenzen und E-Mails meist der einzige Kontaktpunkt seien, erweise es sich manchmal als schwierig, den Kindern so zu helfen, wie sie es gern tun würde. Hinzu kommt, dass Tralau auch ihren eigenen Sohn unterstützen möchte. Vieles nehme mehr Zeit in Anspruch als vorher.
Dabei habe es im Sommer doch fast ausgesehen, als würde die Normalität bald zurückkehren... „Sogar auf Klassenfahrt durften wir mit einer sechsten Klasse fahren“, sagt Tralau.
Nach einem Jahr wünscht die Lehrerin sich endlich die Rückkehr zur Normalität. Aber auch, dass der Druck aus der Politik etwas nachlässt. Denn sie selbst sehe, dass viele Kinder mit dem Home-Schooling auch gut zurechtkommen. „Meine Sorge ist weniger, dass Bildungslücken auftreten, sondern eher, dass die Psyche der Kinder leidet.“
Der Weinhändler sitzt auf dem Trockenen
Bundesweit ist der Weinkonsum in Deutschland laut dem Weininstitut auf knapp 21 Liter pro Person und Jahr gestiegen. Bei Matthias Fischer-Willwater ist diese Entwicklung nicht angekommen. Im Gegenteil. Der selbstständige Weinhändler in Quickborn hat im Corona-Jahr das schlimmste Jahr in den 27 Jahren des Bestehens seiner Weinhandlung erleiden müssen. „Freitagnachmittag kommt bei mir der erste Kunde. Sonnabendmittag der letzte“, sagt Willwater, der aber jeden Tag bis auf Sonntag geöffnet hat. Nur zwei bis drei Kunden pro Woche. Er müsse einen Umsatzeinbruch von gut 80 Prozent verkraften. Immerhin hätten ihn die staatlichen Hilfen über die Runden kommen lassen, sagt der sehr gefrustete Unternehmer.
Sein Problem sei, dass viele seiner Stammkunden, die überwiegend der älteren Generation angehören, völlig verunsichert seien und große Angst hätten, sich anzustecken. Darum kauften die jetzt ihre Weinvorräte lieber über das Internet oder gleich im Supermarkt, wo sie ohnehin ihre Lebensmittel einkaufen müssten. „Das hat mir eine ältere Stammkundin auch so gesagt, als sie mich vom Auto draußen vor der Geschäftstür herausgerufen hat“, erzählt Willwater. Ihr sei das beinahe peinlich gewesen.
Er habe ja Verständnis für die Ängste und Sorgen der Menschen, vor allem für die der älteren Generation. Aber dass von drei Dutzend Stammkunden jetzt nur noch ein einziger übriggeblieben ist, sei schon bitter.
Existenzängste plagten ihn zunehmend, sagt Willwater. „Ich habe schon fast alle meine Versicherungen gekündigt.“ Jeden Abend überlege er aufs Neue, wo er was einsparen oder wie er den Umsatz steigern könnte. Aber da falle ihm nicht viel ein.
„Ich wünsche mir jetzt ein Umdenken im Sommer“, sagt der Weinhändler. Er hofft, dass ihm die alten Kunden bald wieder die Treue halten werden.
Der Altenheim-Chef empfindet die Situation als sehr belastend
Es war ein schwieriges, aufwühlendes Jahr für die 80 Mitarbeiter und 91 Bewohner der Seniorenresidenz am Rantzauer See. Das gilt wohl für alle 50 Pflegeheime im Kreis, die um das Wohl und Leben ihrer hochbetagten Risikogruppen zu fürchten hatten. „Wir sind froh, dass wir die Situation bislang einigermaßen bewältigen konnten“, sagt Heimleiter Christoph Merker. Da die Bewohner in sieben Hausgemeinschaften leben, konnten sie gut voneinander getrennt und konnte das Personal entsprechend fest zugeordnet werden. So blieb ein Corona-Ausbruch im Oktober weitgehend handelbar, auch wenn sich am Ende sieben Mitarbeiter und 15 Bewohner ansteckten, von denen auch zwei verstarben.
„Doch die potenzielle Gefahr im Nacken stellt für alle im Haus Tätigen eine ständige psychische Belastung dar“, sagt Merker. „Das gesamte organisatorische Handling ist ein dauernder Drahtseilakt.“ Auch dass inzwischen durchgängig mit FFP2-Masken und anderer Schutzkleidung gearbeitet werden müsse, zehre an den Kräften. „Wir arbeiten inzwischen nur noch in geschlossenen Systemen. Die Außenkontakte sind auf ein Minimum reduziert.“ Leider fehle dafür zurzeit der notwendige Ausgleich im Privatleben aufgrund der allgemeinen Beschränkungen, bedauert der Heimleiter.
Selbst wenn die Bewohner Besuch erhalten und das Haus verlassen könnten, spüre man, dass die eingeschränkte Freiheit von vielen als sehr belastend empfunden wird, so Merker. Das gelte auch für die Angehörigen. Demenzkranke Bewohner könnten das Ganze sowieso nicht verarbeiten.
Inzwischen würden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Dienstbeginn auf Corona getestet. Was einen erheblichen personellen Aufwand bedeute, so Merker. Der sei finanziell kaum aufzufangen. Darum plädiert der Einrichtungsleiter dafür, mobile Teststationen auf öffentlichen Plätzen einzurichten, um die Heime zu entlasten.
Die Gastronomen vermieten ihr Café an Paare
„Es ist anstrengend und zehrt an den Nerven“, sagt Shari Albrecht, die mit ihrem Mann Hendrik seit 2016 das Palmen-Café an der Kieler Straße in Hasloh führt. Dutzende Tische der 110 Plätze unter hoch sprießenden Palmenbäumen sind in dem lichtdurchfluteten Lokal seit Monaten unbesetzt.
„Im ersten Lockdown vor einem Jahr haben wir noch Speisen außer Haus verkauft. Das lohnt sich jetzt nicht mehr“, sagt Hendrik Albrecht. Die elf Mitarbeiter und Aushilfen seien alle abgemeldet oder in Kurzarbeit. „Das ist alles nicht einfach im Moment“, sagt Shari Albrecht. „Wir leben von unseren Rücklagen“, sagt die junge Mutter zweier kleiner Kinder.
Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Und so haben sich die beiden Junggastronomen, die seit knapp fünf Jahren das Palmen-Café leiten, eine neue Geschäftsidee ausgedacht. Da sich ja im Moment nur einzelne Menschen treffen dürften, vermieten sie das ganze Lokal für einen Schlemmerabend zu zweit. Ob die Geburtstage, Jubiläen oder Hochzeitstage zu feiern hätten – die Paare könnten für ein paar Stunden ganz allein unter sich und den Palmen ein dreigängiges Menü mit einer Flasche Wein genießen.
„Unser ‚Dinner for Two‘ kommt sehr gut an“, haben Shari und Hendrik Albrecht festgestellt. „Wir sind an den Wochenenden bis Ende März ausgebucht.“
Wenn es die Hygieneregeln bald zulassen sollten, würden sie die Dinner-Idee auf zwei oder drei Paare ausweiten wollen. Und ab dem 6. März würden sie zumindest sonntags doch gern wieder mit dem Außer-Haus-Verkauf starten
Natürlich hoffen sie, bald auch wieder ganz aufmachen zu können. Schließlich sei ihr Café gerade sonntags immer gut besucht gewesen. Dann tischt Shari Albrecht dort normalerweise bis zu 30 verschiedene Torten auf, die die gebürtige Französin zum großen Teil nach eigenen Rezepten oder denen ihres Heimatlandes kreiert.
Der Berufsmusiker hat einen Job als Bauleiter angenommen
Vor einem Jahr im März seien sie das letzte Mal mit ihrer Coverband „Waterloo – A Tribute to Abba“ im Münsterland aufgetreten, sagt Bernhard Froh etwas wehmütig. Seitdem sind etwa 35 Konzerte ausgefallen, sagt der Musiker, der den Bass spielt in der Coverband, die die Hits des einstigen schwedischen Erfolgs-Quartetts nachspielt. Die ganze Sommertournee musste abgesagt werden, darunter zahlreiche Open-Air-Veranstaltungen. „Jetzt haben wir unser nächstes Konzert am 18. April in Stuttgart“, sagt Froh, der ehrenamtlicher Bürgermeister von Langeln ist. „Aber ob das stattfinden wird, da habe ich meine starken Zweifel.“
Auch sonst konnte der Berufsmusiker kaum etwas mit seiner Leidenschaft anfangen. Mit einer Band aus Bönningstedt, die er musikalisch betreut, mussten die Studioaufnahmen für eine CD abrupt abgebrochen werden. „Da waren die Abstandsregeln nicht einzuhalten.“ Auch das Stadtfest in Kaltenkirchen, das er seit Jahren organisiert hatte, fiel aus. Und auch alle Auftritte der Multi-Vokalband Soateba, in der er Bandleader ist, mussten wegen Corona gestrichen werden, berichtet Froh. „Nicht einmal mehr Proben waren möglich.“
Somit sei er von heute auf morgen seines Hauptberufs und seines Einkommens beraubt worden. „Ich musste mich wirtschaftlich komplett umorientieren“, berichtet der Langelner Bürgermeister von einer Zeit voller Sorgen und Nöte.
Sein Bruder Martin, der in Berlin ein erfolgreiches Architekturbüro leitet, habe ihm schließlich aus der Klemme geholfen, erzählt Froh. Der erhielt zufällig den Auftrag, das neue Amtsgebäude für die Verwaltung des Amtes Kaltenkirchen-Land zu planen, das nun für sechs Millionen Euro für 35 Verwaltungsmitarbeiter ganz in der Nähe von Langeln in Nützen errichtet wird. „Da bin ich jetzt Bauleiter. Ich muss ja sehen, wo die Kohle herkommt“, sagt Bernhard Froh. „Ein Bürgermeister, der vo