Norderstedt/Pinneberg. In ihrer Freizeit sucht eine Gruppe von freiwilligen Helfern gestorbene Tiere. In Pinneberg werden noch Mitstreiter gesucht.

Vor etwa sechs Jahren quält Sonja Vollertsen die Ungewissheit. Ihr grau-weißer Kater Titus kommt nicht nach Hause. Damals probiert sie alles: Sie läuft die Gegend ab, sucht im Schuppen der Nachbarn, schaltet eine Zeitungsannonce und druckt Flyer, die sie in die Briefkästen in der Umgebung wirft. Eine Woche lang widmet sie sich der Suche ihres Katers. Dann steht Titus plötzlich wieder vor der Tür. Was er erlebt hat, weiß die 53-Jährige bis heute nicht. Aber seit dieser Erfahrung ist sie sich sicher: „Die Ungewissheit ist das Schlimmste.“

Vollertsen beschließt, anderen Katzenbesitzern in solchen Situationen zu helfen. Sie will ihnen die Ungewissheit nehmen, wenn es möglich ist. Der Weg, den sie dafür wählt, ist ungewöhnlich. Im Sommer 2021 gründet sie eine Facebook-Gruppe. Der Name: Totfundkatzen Schleswig-Holstein. Die Mission: Verendete Katzen finden, identifizieren und ihre Besitzer informieren. Zusammen mit Jara Walther aus Norderstedt betreut sie die Seite.

Tote Katzen suchen: Gruppe organisiert sich über Facebook

Die morbide Freizeitbeschäftigung findet Anklang. Inzwischen helfen 140 Ehrenamtliche im ganzen Bundesland. Die Gruppe kommuniziert und organisiert sich hauptsächlich über Facebook. „Die Plattform ist durchaus umstritten, aber für unsere Zwecke ist es super“, so Vollertsen. Die beiden werden von Mitgliedern oder aufmerksamen Mitmenschen benachrichtigt, wenn eine Katze tot aufgefunden wurde. Daraufhin suchen sie in ihrer Mitgliederliste Helfer, die in der Nähe des Fundortes leben und kontaktieren sie.

Die örtlichen Helfer fahren zum Fundort und hoffen, dass die verendete Katze gechippt ist. „Das funktioniert wie ein Personalausweis“, erklärt Vollertsen. „Mit einem Chiplesegerät kann man eine Nummer auslesen.“ Diese übermitteln die Helfer an die Tierschutzorganisation Tasso. Wenn sich die Besitzer registriert haben, kann Tasso sie kontaktieren und reicht auch die Kontaktdaten der Gruppenmitglieder „Totkatzenfund“ weiter. So können die Besitzer, wenn sie es wollen, erfahren, wo der leblose Katzenkörper liegt.

„Viele Tiere sind nicht gechippt“

Doch so funktioniert es in der Praxis selten, weiß Vollertsen: „Viele Tiere sind nicht gechippt. Und wenn sie es sind, sind die Besitzer oft nicht registriert.“ In diesem Fall hat auch Tasso keine Kontaktdaten zu der jeweiligen Chip-Nummer. Vollertsen und Walther wünschen sich deswegen nicht nur eine Chippflicht für Katzen, sondern auch eine Registrierpflicht für Besitzer. Bisher können sie nur appellieren.

Etwa 60 Prozent der Helfer haben ein Chipkartenlesegerät, das etwa zwischen 30 und 50 Euro kostet. Die meisten Mitglieder kaufen sie sich privat – mit dem Gerät lässt es sich einfach besser helfen. Deswegen ruft Vollertsen im Internet immer wieder zu Spenden auf. Doch selbst wenn eine Katze nicht gechippt ist, geben die Mitglieder der Totfund-Gruppe nicht auf. „Wir klingeln oft in der Nachbarschaft und fragen, ob jemand diese Katze kennt. Gerade bei Freigängern ist das oft der Fall“, sagt Vollertsen. So könne dann manch einem Besitzer doch noch die traurige Nachricht überbracht werden. Seit Anfang 2022 schwärmten die Mitglieder zu 22 Fundorten aus. Davon waren sieben Katzen gechippt, davon wiederum sechs Besitzer registriert. Dennoch gelang es der Gruppe sechs weitere Besitzer zu finden: durch Annoncen im Internet oder durch das Herumfragen in der Nachbarschaft. Vollertsen betont: „Das kann nur im Team funktionieren.“

Es lässt sich erahnen: Der Einsatz ist herausfordernd. Jara Walther: „Ich erkläre die Beschäftigung gegenüber meinem Umfeld gar nicht mehr – ich mache das einfach.“ Sie schätzt, dass sie mindestens eine Stunde täglich allein mit der Organisation für die Gruppe beschäftigt ist. Und bei einer neuen Benachrichtigung wollen sich die Tierfreunde nicht allzu viel Zeit lassen: „Wir müssen schneller sein als die Straßenmeisterei oder die Bauhöfe.“ Die sind für die Straßenreinigung und das Wegräumen von Kadavern zuständig und machen sich meist nicht die Mühe, die verendeten Tiere zu identifizieren. Sie entsorgen sie einfach. Wenn die Tiere auf der Autobahn oder an brenzlichen Verkehrspunkten liegen, mache das manchmal auch die Polizei oder die Feuerwehr. „Die haben aber selten Zeit und Nerven, die Tiere zu identifizieren“, sagt Vollertsen. „Allerdings konnten wir bereits in einigen Orten eine Zusammenarbeit anregen“, freut sie sich. „Die Leute von der Straßenreinigung rufen dann direkt die örtlichen Helfer an.“

Manchmal rufen Mitarbeiter der Straßenreinigung an

Der Zeitaufwand ist die eine Sache. Die andere ist es, vom Sofa aufzustehen, um zu einer toten Katze zu fahren. Dazu muss sich auch Vollertsen manchmal überwinden: „Am schlimmsten ist es im Sommer. Da riecht es sehr unangenehm. Da brauche ich manchmal mehrere Anläufe, um dem Tier nahekommen zu können.“ Trotzdem macht sie weiter: „Ich muss immer daran denken, dass die Katze irgendwo vermisst wird oder Kinder nach ihr weinen.“

Um neue Interessenten nicht zu überfordern, sprechen die beiden vorab mit ihnen und erklären, was auf sie zukommt. „Viele springen doch ab, weil sie sich das ganze anders vorgestellt haben“, sagt Walther. Aber so seien auch alle der 140 Mitglieder immer aktiv dabei. „Es ist das persönliche Herzensengagement der Helfer“, so die 61-Jährige.

Auch sie denkt nicht ans Aufhören. Obwohl sie teilweise noch um 23 Uhr Fragen beantwortet wie „Hatte die am Stadtpark gefundene Katze eine weiße Schwanzspitze?“

Jara Walther hat auch schon Hospizarbeit geleistet und sieht in ihrem aktuellen Engagement eine Parallele: „Es klingt vielleicht komisch, aber es geht um die Liebe zum Leben.“ Dass Tiere von der Gesellschaft oft als Gegenstand gesehen werden, stört sie: „Es ist ein hochemotionales Thema. Für viele sind Katzen wie ein Familienmitglied. Ich möchte, dass so viele wie möglich identifiziert und zu ihrer Familie zurückgebracht werden können, damit sie ihre Familie beerdigen und ordentlich verabschieden kann.“

Die Gruppe sucht dringend neue Mitglieder. Wer mitmachen will, braucht ein großes Herz für Tiere und deren Besitzer, Zeit und Ausdauer. Wer helfen möchte, meldet sich bei Ralf Block, 0151/50 94 93 07 oder unter tf-katzen-sh@web.de