Kreis Pinneberg. Praktisch keine Apotheke im Kreis bietet Termine an. Das liegt an einigen Voraussetzungen – und besonderen Ansprüchen.

Theorie und Praxis klaffen manchmal weit auseinander: Theoretisch dürfen Apotheker seit Januar 2021 impfen. Theoretisch haben laut Apothekerverband Schleswig-Holstein auch sechs Apotheken im Kreis Pinneberg die Berechtigung dazu. Praktisch „impft bisher aber noch keiner“, sagt Kai Christiansen, Präsident der Apotheker-Kammer Schleswig-Holstein. Denn die Apotheker können oder wollen es nicht. Zumindest noch nicht.

Corona: Apotheken in Pinneberg bieten bislang keine Impfung an

Das liegt unter anderem an den Vor­aussetzungen. Die Apotheker, die impfen wollen, müssen eine Schulung absolvieren. Die Vorbereitungen neigen sich dem Ende zu: „Die vorerst letzte Schulung bieten wir am ersten Februarwochenende an“, sagt Christiansen. „Damit haben wir rund 150 Menschen für das Impfen geschult.“

Die gesamte Zahl der zur Impfung berechtigten Apotheker in Schleswig-Holstein dürfte höher liegen. So bietet etwa auch die Ärztekammer Schulungen an. Zudem sind Apotheker, die an einem seit 2020 laufenden Modellprojekt zur Grippeimpfung teilgenommen haben, berechtigt, Menschen ab zwölf Jahre gegen Corona zu impfen.

Technik streikt – Apotheker in Pinneberg skeptisch

Dort, wo das Personal bereit ist, hapert es allerdings an der Programmierung: „An der technischen Anbindung wird noch gearbeitet: von der Impfstoffbestellung über die Abrechnung bis hin zur Meldung der Impfung an das RKI“, erklärt Christiansen. Zuständig dafür ist die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Laut dieser kann es ab dem 8. Februar losgehen. Krempeln die Apotheker dann die Ärmel hoch? Die Branche zeigt sich zwiegespalten: „Viele sagen: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Andere wollen trotz Hürden mithelfen“, so Christiansen.

Zu den Skeptikern zählt Christoph Schostek, Inhaber der Flora-Apotheke in Pinneberg und selbst im Vorstand der Apothekerkammer: „Die Frage ist, ob das überhaupt noch sinnig ist. Ich sehe den Bedarf an mehr Impfangeboten gerade nicht.“ Bis jetzt könne man nicht sagen, ob sich der Aufwand lohne: „Es wäre toll zu wissen, wer überhaupt Interesse an dem Angebot hätte. Zahlen gibt es dazu nicht. Außerdem sind sowohl unsere Räumlichkeiten als auch unser Personal mit dem Testzentrum gut ausgelastet.“

Christoph Schostek ist Inhaber der Flora-Apotheke in Pinneberg und Vorstands-Mitglied der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. 
Christoph Schostek ist Inhaber der Flora-Apotheke in Pinneberg und Vorstands-Mitglied der Apothekerkammer Schleswig-Holstein.  © Johanna Wagner | Johanna Wagner

Die gleichen Argumente bringt Frank Wiese, Inhaber der Löwen-Apotheke in Uetersen. Auch er betreibt ein Testzentrum, das personelle und räumliche Kapazitäten belege. In seinem Haus gebe es zwei Ärzte, die impfen würden – so wie das fachlich vorgesehen sei: „Das Testen gehört in unseren Bereich, das Impfen in den der Ärzte.“ Petra Weinreich, Inhaberin der Eichen-Apotheke in Halstenbek, will aus den gleichen Gründen nicht impfen: Kein Personal, kein Platz, kein Bedarf. Außerdem fürchtet sie finanzielle Verluste: „Der Aufwand ist groß, allein die Organisation: Die Impfstoffbestellung, die Terminvergabe, die Meldung an das RKI. 28 Euro decken da kaum die Kosten.“

Apotheken in Pinneberg fehlt das Personal zum Impfen

Kammer-Präsident Christiansen kennt das Problem: „Die Branche leidet unter Personalmangel.“ Die Corona-Pandemie habe zu Überlastung geführt. „Viele gehen auf dem Zahnfleisch.“ Die Impfung sei nicht das lukrativste Geschäft für Apotheker: „Mit 28 Euro bekommen Apotheker so viel wie die Ärzte pro Impfung, das war uns wichtig. Aber reich werden sie damit nicht.“

Der finanzielle Aufwand hängt seiner Einschätzung nach von Nachfrage, Räumlichkeiten und Organisation ab: „Wenn die nur zwei bis vier Impfungen in der Stunde erlauben, verdient man mehr mit der Durchgabe von Rezepten.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Claus Niemeyer, Kaufmännischer Leiter der Apo-rot-Apotheke in Pinneberg, lacht, wenn man ihn zum aktuellen Stand befragt: „Uns ist noch nicht klar, welche räumlichen Anforderungen wir erfüllen müssen. Es heißt, wir bräuchten einen Empfang, einen Warte- und einen separaten Impfbereich. Das wird in den wenigsten Apotheken möglich sein, vor allem während des laufenden Betriebs.“ Die Entscheidung fälle man, sobald eine Ansage der Apothekerkammer käme.

Kai Christiansen ist Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein.
Kai Christiansen ist Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. © Apothekerkammer | Apothekerkammer

Auf Nachfrage erklärt Christiansen, dass die Erteilung einer Berechtigung von Fall zu Fall variiert und gerade bei räumlichen Vorgaben schwierig sei. Er hofft, dass sich dieser Punkt noch „in der Praxis zurechtruckelt“. Und betont: „Die Anforderungen an Apotheken sind deutlich höher als an Arztpraxen. Das fängt bei den Räumlichkeiten an und streckt sich bis hin zum Personal. Arzthelferinnen dürfen in Praxen impfen, in Apotheken nur studierte Apotheker.“

Trotz all der Hürden gibt es aber auch Apotheker, die alles tun, um impfen zu können – und dann doch nicht impfen. Einer von ihnen ist Jan Henning Staggenborg. Er ist Inhaber von drei Apotheken im Kreis. Zwei in Elmshorn, wo er auch das Test-Zentrum im E-Center betreibt, eine in Prisdorf. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen „Bereits am dritten Advent haben vierzehn meiner Mitarbeiter die Ausbildung absolviert“, sagt er. Doch Impfungen will er in seinen Apotheken nicht anbieten – zumindest noch nicht.

Corona-Impfungen von Apothekern komme zu spät

„Das Angebot kommt einfach zu spät. Die Omikron-Welle bricht bald, die Hausärzte machen einen Superjob. Wir helfen gern, wenn Not am Mann ist. Aber das ist nicht der Fall.“ Könnten die Ärzte den Bedarf nicht mehr decken, weil beispielsweise ein Omikron-Impfstoff verimpft werden müsse, würde er sofort Impfungen anbieten. Allerdings nur im Testzentrum im E-Center Elmshorn. Eine seiner Apotheken ist ohnehin in dem Gebäude: „Wenn wir impfen, dann nur unter perfekten Bedingungen. Die sind im Testzentrum mit drei Kabinen und einem Check-in gegeben.“

Jan Henning Staggenborgist Apotheker im Kreis Pinneberg.
Jan Henning Staggenborgist Apotheker im Kreis Pinneberg. © Stefan Karstens-Stimmungsfaenger.de | Stefan Karstens-Stimmungsfaenger.de

Ähnlich sieht es Gunnar Stehr, Inhaber der Pinnau-Apotheke in Quickborn. Er organisierte bereits Impfaktionen im Quickborner Rathaus. Die Fortbildung zur Corona-Schutzimpfung wird er besuchen. Ob er aber sein Wissen je einsetzen wird, ist unklar – wegen der geringen Nachfrage: „An den Impftagen im vergangenen Jahr haben wir oft mehr als 400 Impfungen pro Tag geschafft. Bei unserer letzten Aktion im Januar kamen wir auf mehr als 100. Solange das etablierte System noch funktioniert und Kapazitäten hat, ergibt es keinen Sinn, dass Apotheker impfen.“

Vor allem, weil nur wenige Termine vergeben und eingehalten würden „Man braucht 20 Impfwillige, bekommt aber nur fünf“, sagt Stehr. „Der übriggebliebene Impfstoff wandert in den Müll. Wenn es Ärzten und Apothekern gleichermaßen so geht, schmeißen wir mehr Impfstoff weg, als wir verimpfen. Das kann nicht das Ziel sein“

Jede dritte Apotheke in Schleswig-Holstein soll impfen

Die Impfschulung besuche er aus „kollegialem Beistand“. Wie Apotheker Staggenborg will er sich für Eventualitäten wie einen neuen Omikron-Impfstoff wappnen, damit „wir im Fall aus allen Löchern schießen können“. Aber eben nur dann. „Solange wir die Wahl haben, sollte man Apothekern die Impfstoffaufbereitung und den Ärzten das Impfen überlassen. Das sind die jeweiligen Fachgebiete.“

Langfristiges Ziel sei, dass mit etwa 200 Stellen jede dritte Apotheke in Schleswig-Holstein die Impfung anbiete, so Christiansen. „Das wird aber nicht von Anfang an der Fall sein.“ Er glaubt, dass sich das Angebot trotz der Hürden lohnt: „Für Menschen, die zögern, könnte das Angebot in der Apotheke niedrigschwelliger sein, als der Termin beim Arzt. Wir hoffen, dass mit den ersten Apotheken ein Schneeballeffekt in Gang kommt und immer mehr mitmachen wollen.“ Ob diese theoretische Hoffnung in der Praxis eintritt, wird – wie so oft in dieser Pandemie – die Zukunft zeigen.