Tangstedt. Farshid Mohammadi kam 2017 aus Afghanistan , ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Dann startete er voll durch.

Humor hilft immer. „Meine Freunde sagen, dass ich beruflich Komiker werden könnte. Ich habe Deutsch auch über Witze im Internet gelernt und mir auf Youtube ganz viel Videos angeschaut“, sagt Farshid Mohammadi. Kein Witz, aber trotzdem mit Pointe: Der 21 Jahre alte Afghane spricht zunächst kein Wort Deutsch, als er am 11. September 2017 ein Flugzeug in Athen besteigt, um nach Deutschland zu fliegen – jetzt hat er sein Abituran der Rellinger Caspar-Voght-Schule bestanden. Mit einer Durchschnittsnote von 2,9. „Ja, der Schnitt könnte natürlich besser sein. Im Zeugnis davor hatte ich noch eine 2,4. Aber natürlich bin ich sehr zufrieden“, sagt der Tangstedter.

Farshid Mohammadis Weg in den Kreis Pinneberg

Damit hat er nach noch nicht einmal vier Jahren Deutschlandaufenthalt schon ein wenig von den Eigenschaften angenommen, die stets subtil das Streben aufwärts des Status quo einfordern. Sein Weg ist ziemlich außergewöhnlich. Außergewöhnlich? „Das ist ein deutsches Wort, das ich anfangs nicht gut aussprechen konnte. Da haben mir Freunde immer geholfen“, sagt der in Kabul geborene Abiturient.

Er ist ein sympathischer junger Mann, der bereits Englisch sprach und sich zunächst damit in der neuen Umgebung durchschlagen konnte. „Ich habe mich hier von Anfang an willkommen gefühlt und schnell Freunde gefunden. Sie haben dann auch schon von Anfang an viel Deutsch mit mir geredet, um mir zu helfen“, sagt Mohammadi.

Oft denkt er an sein früheres Leben. „Ich bin in Kabul aufgewachsen, und wir sind 2010 vor den Taliban geflohen. Wegen der bedrohlichen und unsicheren Lage“, erzählt er nahezu akzentfrei. Das meist vorherrschende Lächeln in seinem Gesicht ist eine Zeit lang verschwunden. Über den Iran ging es für ihn als damals zehn Jahre altes Kind unter anderem zu Fuß und auf Booten Richtung Griechenland.

Die mittlerer Reife machte er in Athen

Mit dabei waren sein Vater Fida, seine Mutter Maryam und seine jüngere Schwester Mahshid, die heute 17 ist. Vorerst landete die Farsi sprechende Familie Ende 2015 in Athen. Obwohl seine Familie in der Heimat eher modern gelebt hatte, war es ein echter Kulturschock, vor allem für die Eltern, die kein Englisch sprachen und sich in einer komplett neuen Welt – als Geflüchtete ohne viele Rechte – zurecht finden mussten.

„Meine Eltern konnten dann nach Deutschland ausreisen. Dort lebt mein Onkel seit einigen Jahren. Und ich bin mit meiner Schwester in Athen geblieben. Circa eineinhalb Jahre waren wir dort allein. Das war eine sehr schwierige Zeit, in der ich die Verantwortung für uns beide hatte“, erzählt der 21-Jährige, der beim Tangstedter SV Fußball und für den Rellinger TV Tischtennis spielt. An einer amerikanischen Schule machte er noch in Griechenland den Abschluss nach der 10. Klasse. In Deutschland wiederholte er 2018/19 die 11. Klasse, kam dann aber bis zum Abitur glatt durch.

Kaum Privatsphäre in der Flüchtlingsunterkunft

Fleißig sein kann Farshid – der persische Name bedeutet übersetzt „Pracht der Sonne“ – wirklich gut. Und klischeebehaftete Witze machen kann er auch. Kostprobe? Wie heißt die Bahn, mit der Afghanen zur Arbeit fahren? „Tali-Bahn“. Er selbst dürfe solche Späße ja machen, die anderen nicht, sagt er grinsend. Auch Landsmann und Komiker Faisal Kawusi – einer seiner virtuellen Sprachtrainer – könnte sicher Späße über Farshids Flugreise im Zuge der Familienzusammenführung am symbolträchtigen 11. September machen.

„In der Flüchtlingsunterkunft in Ellerbek gab es dann kaum Privatsphäre. Die Mitarbeiter haben ihr Bestes gegeben, aber auch das war keine allzu schöne Zeit, wenn so viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern auf engem Raum zusammenwohnen“, sagt Farshid. Mittlerweile wohnt die Familie zusammen mit seinem hier geborenen Bruder Daniel (gesprochen Danial) in Tangstedt.

Nun möchte er studieren und Lehrer werden

Farshid möchte künftig am liebsten in Hamburg oder Kiel Lehramt (Fächer Englisch und Sport) studieren. Er hat seinen Asylantrag nach seinem 18. Geburtstage gestellt, das Verfahren läuft nach wie vor. Er hat offiziell eine Aufenthaltsgestattung. Mehr Integration geht generell vermutlich nicht – und es müsste schon mit dem behördlichen Teufel zugehen, wenn sein Deutschland-Abenteuer wieder beendet werden sollte.

„Farshid ist eloquent, offen und sehr kommunikativ. Er hat sich durch seine gewinnende Art ein großes Netzwerk an Unterstützern aufgebaut“, sagt Knut Leweke, Oberstufenleiter der Caspar-Voght-Schule. Der ehemalige Schüler, dem zu Beginn auch viele Lehrer auf Englisch weiterhalfen, wählte das Biologie-Profil auf dem Weg zum Abitur. „Ich wollte immer schon studieren und fand Medizin sehr interessant. Da spielt ja auch Biologie eine Rolle“, sagt er. Nun ist er aber aufgrund seines Abi-Schnitts vom Masterplan abgerückt.

Farshids Lieblingsfächer waren Englisch und Sport

Und er wirkt sehr glücklich. Nicht nur, weil die Schulzeit vorbei ist. Die Eltern sind nicht ganz überraschend komplett stolz auf das, was ihr Sohn geschafft hat. Er hat den bestmöglichen Schulabschluss Deutschlands gemeistert. Und das schaffen nicht einmal längst alle Muttersprachler. Deutsch ist schließlich für Externe oft genug ein undurchsichtiger Wort- und Grammatikdschungel. „In circa sechs bis acht Monaten habe ich nach meiner Ankunft hier die Kurse B1 und B2 erfolgreich abgeschlossen“, sagt Farshid, der in der 11. Klasse seiner Schule eingestiegen war.

Danach war er einigermaßen sprachlich fit – und ab dann ging es bergauf. „Am Anfang hatte ich immer Kopfschmerzen im Unterricht. Die Lehrer haben mir den Stoff erklärt, und ich konnte das zum Beispiel auch lesen, aber das Aussprechen war schwierig. Aber ich hatte immer nette Leute, die mich unterstützt haben“, erinnert er sich. Seine Lieblingsfächer waren Englisch und Sport.

Mathe mochte er auch – bis zur „versemmelten“ Abi-Prüfung, die den 2,9er-Schnitt nach sich gezogen hat. Aber auch das kann er mit Humor nehmen.