Kreis Pinneberg. Kitas, Radwege und schönere Bauten sind das Ziel. Denn die Arbeitnehmer sollen sich künftig wohlfühlen.

Quadratisch, praktisch, öde – das war einmal. Gewerbegebiete müssen heute nicht nur groß genug und verkehrsgünstig gelegen sein. Sie sollen auch immer mehr den qualitativ gewachsenen Ansprüchen der Nutzer entsprechen, sagt Paul Raab, Elmshorner Vertreter der IHK zu Kiel. Die heutige Planung von Gewerbegebieten im Kreis Pinneberg werde damit immer anspruchsvoller. Und zwar nicht nur, weil sie inzwischen rar sind.

Es reiche gegenwärtig nicht mehr, den Betrieben einfach nur fertig erschlossenes Bauland in guter Lage zur Verfügung zu stellen. Ansiedlungswillige Unternehmer forderten zunehmend, dass Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes erfüllt werden, dass sie dort mit ähnlichen Firmen vernetzt sind, dass ihre Mitarbeiter sich dort gerne aufhalten mögen und womöglich auch ihre kleinen Kinder betreut werden können, erklärt Raab. „Wer heute eine neue Gewerbehalle plant, will auch, dass sie noch in 20 Jahren ein so attraktives Umfeld darstellt, dass sie für andere Käufer interessant bleibt“, bringt es Harald G. Schroers auf den Punkt.

Auch Kitas sollen künftig mitgeplant werden.
Auch Kitas sollen künftig mitgeplant werden. © HA | RK-Westküste

Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WEP des Kreises Pinneberg und der Elmshorner IHK-Chef Raab haben jetzt für Pinneberg und die drei anderen Kreise entlang der A23 – Steinburg, Dithmarschen und Nordfriesland – einen Leitfaden für „Gewerbegebiete der Zukunft“ entwickelt. Investoren, die neue Standorte für ihre Projekte suchen, wie auch die Kommunalpolitiker und Verwaltungen, die neue, lukrative Unternehmen anlocken möchten, sollen hier praktikable Ideen und Vorschläge vorfinden, welche qualitativen Kriterien sie dabei ansetzen sollten.

Pinneberg: Gewerbegebiete mit Blockheizkraftwerken

„Wir wollen damit erreichen, dass die Ressourcen effizienter genutzt und der Flächenverbrauch möglichst gering gehalten wird“, erklärt Raab diese gemeinsame kreisübergreifende Arbeit für die „Regionale Kooperation Westküste“. „Es ist eine Checkliste zum Abhaken, was sie umsetzen können und wollen.“ Nicht alles davon sei überall und sofort zu verwirklichen, ergänzt WEP-Chef Schroers. „Aber wir haben hier jetzt sehr viele gute Ideen gesammelt, die je nach Größe und Spezialisierung genutzt werden können.“

Beispielhaft sei dabei die künftige Energieversorgung in Gewerbegebieten. So werde in Quickborn gerade nahe der Autobahnanschlussstelle A7 ein neues, 20 Hektar großes Gewerbegebiet erschlossen, das nur noch eine zentrale Energieversorgung für alle dort angesiedelten Betriebe vorsieht. Dafür sei ein zentrales Blockheizkraftwerk geplant, das die benachbarten Firmen beheizt, mit Warmwasser versorgt und womöglich noch den Strom liefert. „Mit einer solchen modernen Technik versprechen wir uns dort eine qualitative Aufwertung und bessere Vermarktung der Gewerbeflächen“, sagt Schroers über das Projekt, das die WEP zusammen mit der Stadt Quickborn entwickelt.

Ansprechendere Architektur ist ein weiteres Ziel der Gewerbegebietsplaner.
Ansprechendere Architektur ist ein weiteres Ziel der Gewerbegebietsplaner. © HA | RK-Westküste

Weitere denkbare Technologien wären dabei der Einsatz von Wärmepumpen, Biomasse oder Photovoltaik, sagt Schroers. In Dänemark gebe es bereits zukunftsträchtige Gewerbegebiete, in denen der Abfallstoff der einen Firma der Grundstoff für die Produktion eines benachbarten Betriebes sei. „Das spart Entsorgungskosten und Lkw-Fahrten und unterstützt den Umweltschutz“, sagt Raab. In Hamburg habe sich ein Gewerbe-Projekt etabliert, bei dem das Brauchwasser eines Unternehmens aufgearbeitet von anderen Abnehmern weiter genutzt werde.

Auf Grundlage dieser innovativen Entwicklungen gibt der Leitfaden „Gewerbegebiete der Zukunft“ auch für den Kreis Pinneberg Anregungen. Die Vorschläge im Einzelnen.

Kurierfahrten eingespart

An zentraler Stelle eines neuen Gewerbegebiets könnten die Paketsendungen für alle dort ansässigen Firmen zentral gesammelt und von dort aus per E-Bike, E-Scooter oder selbstfahrendem Fahrzeug an die anderen verteilt werden. Das spart Kurierfahrten ein, schont die Umwelt und entlastet den Lkw-Anlieferverkehr, der sonst blockiert werden könnte.

Zentrale Verkehrslenkung

Ein Parkhaus für alle Firmen in einem Gewerbegebiet sorgt für weniger offene Parkplätze und Flächenverbrauch. Von dort aus erreichen die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz wiederum mit E-Bike oder autonom fahrendem Minibus.

Arbeitnehmerfreundliche Gestaltung

Es gebe heute kaum noch Gewerbegebiete ohne Bäume und Grünzüge, so Schroers. Manche neu gestalteten Flächen hätten parkähnliche Ruhezonen mit Beeten und Teichen für die Mitarbeiter, wo diese sich in Pausen in naturnaher Umgebung von der Arbeit erholen könnten. Dazu gehören auch Wander-und Fahrradwege, die so angelegt werden könnten, dass sie zusätzlich das Regenwasser sammelten und so den Bau von Regenrückhaltebecken unnötig machten.

In die Höhe bauen

Statt alle Abteilungen nebeneinander zu planen, könnten diese auch übereinander gestapelt werden, um unnötigen
Flächenverbrauch zu verhindern. So böte sich für unterschiedliche Branchen durchaus an, die Logistik ins Erdgeschoss zu legen und die Produktion in dasselbe Gebäude darüber zu verlagern. „Ein so gestapeltes Gewerbe würde moderne städtebauliche Anforderungen erfüllen, die heute die Einbindung der Gewerbeparks in die Landschaft fordern“, sagt Raab.

Vernetzte Wirtschaft und Technologie

„Campus-Konzepte“ könnten Dienstleistungsbetriebe, moderne Technologien und Forschungszentren so miteinander verknüpfen, dass sie sich ergänzen und Synergien schaffen. Der XFEL-Laser in Schenefeld oder das Fraun­hofer-Institut in Itzehoe seien Vorreiter einer solchen Vernetzung von Wirtschaft und Technologie.

Kinderbetreuung für Gewerbe-Zwerge

Für große Gewerbeflächen mit zahlreichen Beschäftigten könnte es Sinn ergeben, eine Kita neben die Büro- und Produktionsräume zu bauen. In Lübeck-
St. Jürgen sei gerade ein solches Projekt verwirklicht worden, wo die Mitarbeiter ihre Sprösslinge vor der Arbeit in die „Gewerbe-Zwerge-Kita“ bringen und im Notfall schnell vor Ort sein können.

Grundsätzlich sei das Angebot von neuen Gewerbeflächen im Kreis Pinneberg eher knapp und sollte deshalb vorausschauend überplant werden, erklärt Schroers. „Kurzfristig verfügen wir im Kreis Pinneberg über 20 Hektar Gewerbeflächen, mittelfristig über 140 Hektar.“ So werden aktuell große Gewerbegebiete in Pinneberg (Müßentwiete) mit zehn Hektar, in Elmshorn/Kölln-Reisiek mit 35 Hektar und in Quickborn an der A7 mit den bereits erwähnten 20 Hektar neue Ansiedlungsflächen für die Wirtschaft erschlossen.

2019 sind 32 Gewerbeflächen im Kreis verkauft worden

„Es werden händeringend neue Gewerbeflächen gesucht. Wir wollen nächstes Jahr in die Vermarktung“, sagt Elmshorns Bürgermeister Volker Hatje (parteilos). „Wir erschließen gerade einen Gewerbe-Standort in 1A-Lage direkt an der Autobahn nicht weit zur Stadt Hamburg und seinem Flughafen“, sagt Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl.

Die vier Kreise an der A23 sind offensichtlich attraktiv für die Wirtschaft. Nach Angaben von Dithmarschens Landrat Stefan Mohrdieck haben sie zusammen im vorigen Jahr 46 Hektar Bauland an ansiedlungsbereite Unternehmen verkaufen können. Nach Angaben der
Metropolregion Hamburg sind 2019 im Kreis Pinneberg 32 Gewerbegrundstücke verkauft worden, in Steinburg 16 und in Dithmarschen drei.

„Für die Menschen in dieser Region, die hier arbeiten und leben, wollen wir gemeinsam Lösungen anbieten, wie sie künftig noch besser Familie und Beruf miteinander vereinbaren können“, erklärt Landrat Mohrdieck dieses kreisübergreifende Projekt. Durch das forcierte Homeoffice-Arbeiten sei der Wunsch danach bei vielen Arbeitnehmern größer geworden, so Schroers.

Im Internet ist der Leitfaden für die „Gewerbegebiete der Zukunft“ unter folgender Adresse abrufbar: https://www.rk-westküste.de