Kreis Pinneberg. Üblicherweise starker Anstieg im Dezember bleibt aus, Arbeitsagentur-Chef sprich von einem außergewöhnlichen Jahr.

Die Zahl der Erwerbslosen im Kreis Pinneberg ist im Dezember den fünften Monat in Folge gesunken - wenn auch nur leicht. "Saisonal üblich wäre ein spürbarer Anstieg gewesen, denn in diesem Monat melden sich viele Arbeitnehmer aus witterungsabhängigen Branchen, Saisonaushilfen und Angestellte mit auslaufenden
Arbeitsverträgen“, sagt Thomas Kenntemich, Leiter der Agentur für Arbeit Elmshorn.
Die von den Vorjahren abweichende Entwicklung kann er erklären: „Viele Branchen und Betriebe sind von dem zweiten Lockdown im November nicht betroffen gewesen, befanden sich in einer Aufschwungbewegung und waren gut ausgelastet. Dies überlagerte die typische Saisonentwicklung." Im Januar, davon ist Kenntemich überzeugt, dürften der Winter und der verschärfte Lockdown jedoch die Arbeitslosenzahl ansteigen lassen.

Im Kreis Pinneberg waren im Dezember 9694 Menschen arbeitslos. Das sind 58 Personen beziehungsweise 0,6 Prozent weniger als im November, aber 1841 Menschen beziehungsweise 23,4 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote liegt unverändert zum Vormonat bei 5,5 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie 4,5 Prozent betragen.

"Mit keiner Wirtschaftskrise zuvor vergleichbar"

Thomas Kenntemich blickt auf ein außergewöhnliches Jahr zurück. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt sind mit keiner Wirtschaftskrise zuvor vergleichbar", sagt er. "Die Zahl der Arbeitslosen ist binnen Tagen und Wochen drastisch gestiegen. Durch den massiven Einsatz von Kurzarbeit in einem noch nie dagewesenen Ausmaß konnte Schlimmeres verhindert werden." Vor allem während des ersten Lockdowns im Frühjahr seien flächendeckend viele Branchen gleichzeitig betroffen gewesen. "Nicht nur Geschäfte mussten schließen, auch Lieferketten waren unterbrochen, Produktionsbereiche standen still und Unsicherheit machte sich breit,“ beschreibt Thomas Kenntemich die Situation. „Es gab keine Blaupause für den Umgang mit einer solchen Situation. Arbeitsagentur und Jobcenter mussten von einem Tag auf den anderen den persönlichen Kundenkontakt einstellen - alles lief ab sofort online oder per Telefon. Die Arbeitsagentur betreute über 50 Prozent mehr arbeitslose Menschen. Gleichzeitig waren bis zu 40 Prozent des Agenturpersonals in der raschen Bearbeitung des Kurzarbeitergeldes eingesetzt – freiwillig, flexibel und hochmotiviert." Er dankt seinen Mitarbeitern, die Außergewöhnliches geleistet hätten.

Die Kurzarbeit erreichte 2020 ein nach Angaben der Arbeitsagentur nie dagewesenes Niveau. Aus dem Kreis Pinneberg erreichten die Behörde innerhalb des zurückliegenden Dreivierteljahres 3538 Anzeigen auf Kurzarbeit für 42.694 Personen.
Nicht jede vorab angezeigte Kurzarbeit wurde auch tatsächlich umgesetzt. Die Spitze der Kurzarbeit lag im April. In diesem Monat gab es im Kreis Pinneberg 14.912 Kurzarbeitende in 2125 Betrieben. Die Kurzarbeiterquote betrug 15,8 Prozent - das bedeutet, fast jeder sechste sozialversicherungspflichtig Beschäftigte befand sich in Kurzarbeit.

Es gibt auch Profiteure der Krise

Im Unterschied zur Finanzkrise 2009 waren nicht nur der industrielle Bereich, sondern sehr viel mehr Branchen betroffen. Unterbrochene Lieferketten und Exporteinbruch machten den Produktionsbetrieben zu schaffen, die Lockdowns trafen Hotels und Gastronomie, Tourismusbranche, Messe- und Veranstaltungswesen sowie den Einzelhandel (ohne Lebensmittel) besonders hart. Einige Branchen kamen schneller wieder in Fahrt, während andere weiterhin sehr unter der Corona-Krise leiden. Viele Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, im IT-Bereich, in der Herstellung von Medizinprodukten und der Logistik konnten ihre Geschäfte
hingegen sogar ausbauen.

„Viele sind von der Pandemie stark betroffen, einige konnten auch profitieren", sagt Thomas Kenntemich. Der Wandel der Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarktes werde sich beschleunigen. Digitale Technik, Globalisierung, Umweltschutz und Wertewandel würden zu den Treibern der
zukünftigen Arbeitswelt, so der Chef der Arbeitsagentur. Und weiter: „Homeoffice ist für viele jetzt vorstellbar geworden, stationärer Handel ohne Onlineunterstützung zukünftig wohl immer weniger. Einige Entwicklungen werden sich nach der Krise fortsetzen. Manche Jobs werden reduziert, andere entstehen dafür neu. Die erfolgreiche Eindämmung der Pandemie könnte rasch zu einem positiven Trend in Wirtschaft und am Arbeitsmarkt führen. Ein kompletter Erholungsprozess dürfte sich aber auch ohne neue Lockdowns längere Zeit hinziehen.“

Ausbildung bleibt wichtig - für Firmen und Schulabgänger

Am Ausbildungsmarkt war das Frühjahr 2020 von Unsicherheiten bei Ausbildungssuchenden und Betrieben bestimmt. Corona erschwerte und verzögerte viele Prozesse am Ausbildungsmarkt. Die Berufsberatung konnte ihre Kontaktwege nicht wie gewohnt nutzen, Präsenzzeiten in den Schulen entfielen, und alle Ausbildungsmessen in der Region wurden abgesagt. Mehr Eigeninitiative war bei der Nutzung der Online-Angebote gefragt. „Beim Blick in die Zukunft, sollten Unternehmen die Nachwuchskräfte im Fokus behalten. Eine hohe Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen in unserer Region ist zu erkennen“, sagt Ute Beckmann, Geschäftsführerin Operativ. Die Berufsberatung für junge Menschen sei durch bessere technische Voraussetzungen und angepasste Zusammenarbeit mit den Schulen optimiert worden. „Auch im Lockdown bieten wir unser umfangreiches Beratungsangebot und unsere Ausbildungsstellenvermittlung an. Wer in diesem Jahr die Schule verlässt, sollte baldmöglichst den Kontakt mit der Berufsberatung suchen“, sagt Beckmann.

Unterdessen hat es einen Wechsel an der Spitze des Jobcenters für den Kreis Pinneberg gegeben. Gerold Mellem ist zum Jahreswechsel in den Ruhestand gegangen, seine Nachfolgerin ist die 38 Jahre alte Susan Baumgart geworden. Sie sagt: Als Jobcenter im bevölkerungsstärksten Kreis Schleswig-Holsteins stehen wir vor vielen Herausforderungen. Zusammen ermöglichen wir den Bürgerinnen und Bürgern im Kreisgebiet, die sich in der Grundsicherung befinden, einen gesicherten Lebensunterhalt und eine berufliche Perspektive zum Übergang in eine gesicherte Zukunft. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie ist dies eine große Aufgabe, die auch gesellschaftspolitisch unserer aller Einsatz, Anstrengung und Unterstützung bedarf.“