Kummerfeld/Tornesch. Abfallentsorger GAB will bis 2026 eine moderne Müllverbrennungsanlage für 130.000 Tonnen Abfall jährlich bauen.

Seit gut 46 Jahren raucht der 55 Meter hohe Schlot auf dem Gelände der Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) in Tornesch-Ahrenlohe. Jetzt soll die Müllverbrennungsanlage (MVA) erneuert und erweitert werden. 1974 war sie als Müllkompostierungsanlage für rund 28 Millionen Mark errichtet worden. Die GAB werde nun eine Ausführungsplanung in Auftrag geben, kündigt Geschäftsführer Jens Ohde an. Diese koste 3,5 Millionen Euro und soll den genauen Standort sowie Größe und Ausführung der neuen Anlage vorgeben. Sie soll 130.000 Tonnen Abfall im Jahr verbrennen und würde etwa 80 Millionen Euro kosten, so Ohde. Die alte MVA verursache heute vier Millionen Euro an Instandhaltungskosten im Jahr. Tendenz steigend.

Das letzte Wort darüber hätten die beiden Gesellschafter der GAB, der Kreis Pinneberg (51 Prozent) und Remondis (49 Prozent), die bis Ende 2022 gemeinsam die Entscheidung zum Neubau treffen sollen. Anfang 2026 könnte dann die neue MVA in Betrieb gehen, wenn gleichzeitig die alte abgeschaltet und dann abgebaut werde, skizziert der GAB-Chef Ohde die weitere Zeitplanung.

Eine Voruntersuchung, die jetzt auf dem Tisch liege, habe dieses Abfallmengenkonzept empfohlen, das um gut 40.000 Tonnen über der Jahreskapazität der alten Verbrennungsanlage liegt, so Ohde weiter. Dies entspräche ziemlich genau der Abfallmenge, die die Bürger des Kreises Pinneberg schon heute an Haus- und Sperrmüll verursachten. Die Gremien des Kreistages, die bereits für diese Planung informiert seien, hätten dem zugestimmt. Dadurch würde jener Müll, der zurzeit hier anfalle, aber in anderen Müllöfen in Glückstadt, Neumünster oder Hamburg entsorgt werde, künftig vollständig hier verbrannt werden können. Das mache jetzige Lkw-Touren unnötig, so Ohde. Die Kreispolitik habe unterdessen betont, dass sie „keine Abfall-Importe“ aus anderen Regionen möchte, sodass die Anlage auch nicht noch größer konzipiert werden solle. So werde beispielsweise in Stapelfeld an der Autobahn 1 im Kreis Stormarn gerade eine neue MVA mit einem Gesamtvolumen von 350.000 Tonnen geplant.

Stadtwerke Pinneberg könnten mehr Fernwärme abnehmen

Zudem soll die neue MVA in Tornesch-Ahrenlohe mehr Fernwärme produzieren, kündigt Ohde an. „Die grüne Fernwärme auszubauen ist dabei unser großes Ziel.“ Mit den Stadtwerken Pinneberg, die heute schon 2700 Haushalte mit der Fernwärme von der MVA beheizen, sollen weitere Nutzungsmöglichkeiten realisiert werden. Das bestätigt Pinnebergs Stadtwerke-Chef Oliver Sinterhauf. „Wir sind mit der GAB in Gesprächen, unser Fernwärmenetz auszubauen. Das wäre für uns ein großer Gewinn, weil Fernwärme absolut CO2-neutral ist.“

Auch die beiden neuen Gewerbegebiete Ossenpadd in Pinneberg und Borstel-Hohenraden sollen laut Ohde künftig an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das gelte auch für den Businesspark in Tornesch, der praktisch direkt an das Gelände der GAB angrenzt und nur etwa 700 Meter weit bis zur A-23-Anschlussstelle reicht. Bisher seien die dort angesiedelten rund 30 Unternehmen, die etwa 600 Mitarbeiter beschäftigen, nur an die Gasversorgung angeschlossen, erklärt Harald G. Schroers von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WEP des Kreises Pinneberg, die dieses Gewerbegebiet seit Jahrzehnten vermarktet. „Einen Fernwärmeanschluss würden wir auf jeden Fall begrüßen, weil die Betriebe dann keinen eigenen Kessel mehr bräuchten“, sagt Schroers. Denn der Ofen stünde dann ja ein paar Hundert Meter südöstlich auf dem Gelände der GAB in Form der Müllverbrennungsanlage. „Das wäre eine schöne Lösung“, sagt Schroers. Letztlich käme es dann auf die Energiekosten an.

Auch der Stromüberschuss der Altanlage, die zurzeit 25.000 Megawatt Strom im Jahr erzeuge, wovon 10.000 Megawatt an Ort und Stelle verbraucht würden, soll sich erhöhen.

Aktuelle Anlage kann Grenzwerte nicht einhalten

Aber nicht nur die Energieeffizienz soll sich mit der neuen MVA durch die Ausweitung der Fernwärmenutzung verbessern, sagt Ohde. Auch die Umweltbelastung durch die Müllverbrennung solle mit der neuen Anlage geringer werden, kündigt Ohde an. Das ergebe sich fast schon allein aus den sich weiter verschärfenden Grenzwerten, die die neuen gesetzlichen Richtlinien vorschrieben. Die alte MVA jedenfalls könnte diese Grenzwerte nicht mehr einhalten.

Dieser Punkt ist der Bürgerinitiative Aktiver Umweltschutz Ellerhoop besonders wichtig, sagt deren Vorstandsmitglied Reimer Schuldt auf Abendblatt-Anfrage. Ohde habe die BI über diese Pläne vorab informiert, sagt er. „Wir halten aber den Standort der neuen Müllverbrennungsanlage für kritisch.“ So dürfe sie nicht einer Renaturierung der Bilsbek im Wege stehen. Und die Grenzwerte für Dioxine, Stickoxide und Schwermetalle müssten mindestens so weit unterschritten werden wie bei der alten Anlage, nachdem dort 1987 die Rauchgasfilteranlage erneuert wurde, mit der die Grenzwerte um bis zu 90 Prozent unterschritten werden. „Wir befürchten, dass die vergrößerte MVA mehr Gift in die Luft abgeben wird“, sagt Schuldt.

Diese Sorge sei unnötig, betont Ohde. „Die Schadstoffbelastung wird deutlich geringer ausfallen als jetzt“, versichert er. Ebenso entkräftet der GAB-Chef die Sorge, dass die Bilsbek Schaden nehmen könnte. Das Planungsbüro, das jetzt bis zum Januar 2021 bei einer Ausschreibung gesucht wird, solle die MVA so weit wie möglich von der Bilsbek entfernt planen.

Müllgebühren im Kreis Pinneberg sollen nicht steigen

Dem Einwand des BI-Vorstandes Schuldt, dass der Kreis Pinneberg nach der Abfallbilanz des Landes nur etwa 80.000 Tonnen Hausmüll ausweise und somit die Vergrößerung auf 130.000 Tonnen im Jahr für die BI „nicht nachvollziehbar“ sei, entgegnet Jens Ohde: Mit den Rückständen und Siebresten anderer Müllverwertungen bei der GAB wie der Bioabfallaufbereitung, Sperrmüll und anderen Fremdstoffen würde die Gesamtmenge im Kreis den genannten 130.000 Tonnen im Jahr entsprechen.

Den Bürgern des Kreises Pinneberg werde die neue MVA keine Verteuerung ihrer Müllgebühren bescheren, betont der GAB-Geschäftsführer. Er sagt: „Die Abfallgebühren sollen stabil bleiben.“ Das sei auch eine Vorgabe der Kreispolitiker. Die müssten dies dann bei der Vergabe der Abfallentsorgung berücksichtigen, die bis Ende 2026 noch an die GAB vergeben und dann europaweit auszuschreiben ist.

Letztlich würde die Erneuerung der MVA nicht nur die Arbeitsplätze der 45 Mitarbeiter in der Müllverbrennung für die nächsten Jahrzehnte sichern, sagt Jens Ohde. Die Existenz aller 220 Mitarbeiter in dem Unternehmen stehe auf dem Spiel, das 2019 bei einem Jahresumsatz von rund 45 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 1,8 Millionen Euro erzielte. Ohde ist sich sicher: „Ohne eine neue Müllverbrennungsanlage an diesem Standort hat die GAB keine Überlebenschance.“