Elmshorn/Itzehoe. Elmshorner Dionis A. wird wegen versuchten Mordes verurteilt. Warum seine Freunde erst mal trotzdem jubeln.

Nach der Urteilsverkündung fielen sich Dionis A. und seine Familie auf dem Gerichtsflur in die Arme. Und schon während die Richterin Isabel Hildebrandt das Urteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe begründete, jubelten die Freunde des 29-Jährigen – und zwar an der Stelle, als die Aufhebung des Haftbefehls an der Reihe war.

Und so konnte der aus dem Kosovo stammende Elmshorner das Gericht zunächst als freier Mann verlassen. Jedoch folgt einige Zeit später die Vorladung zum Strafantritt. Die Kammer verhängte gegen den 29-Jährigen, der in der Nacht zum 29. Juni 2019 einen Kontrahenten in der Elmshorner Disco Duplex in den Hals gestochen hatte, eine Haftstrafe von 36 Monaten. Er sei des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig, so die Vorsitzende Richterin.

Mit dem Richterspruch ging am Montag am vierten Prozesstag das Verfahren um die folgenschwere Auseinandersetzung zu Ende. Zu Beginn Anfang April hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung eine Vereinbarung geschlossen, um das Verfahren zu verkürzen. Im Gegenzug für ein umfassendes Geständnis des Angeklagten wurde ihm ein Strafrahmen zugesichert, der zwischen 36 und 51 Monaten Haft lag.

Schon 1500 Euro Wiedergutmachung gezahlt

1500 Euro hat Dionis A. dem Opfer Ewgeni P. mittlerweile überwiesen – als erste Rate der Wiedergutmachung. „Das war sein letztes Geld. Meinem Mandanten war es wichtig, dass es aus seinem eigenen Vermögen stammt“, so Verteidiger Andrija Pancic. Dionis A. habe die psychischen Folgen, die nach einer derartigen Tat beim Opfer zurückbleiben, nicht bedacht. „Aber die ganze Tat belastet auch meinen Mandanten.“

In der Tatnacht hatten sich zwei größere Gruppen in der nur spärlich besuchten Disco aufgehalten – die des Angeklagten, die aus mehreren Freunden bestand, und die des Opfers. Ewgeni P. war mit seiner Freundin und einem befreundeten Paar tanzen gegangen. Beide Gruppen saßen im Bereich der Bar, als es zu einer ersten Auseinandersetzung zwischen Täter und späterem Opfer kam. „Der Geschädigte kam von der Toilette, als ihn der Angeklagte ohne ersichtlichen Grund am Weitergehen hinderte“, so Staatsanwältin Anita Kuhr.

Daraufhin sei Ewgeni P. ungehalten geworden, habe Dionis A. den Arm verdreht und ihn gewarnt, so etwas künftig doch zu unterlassen. Der Angeklagte habe sich gedemütigt gefühlt, er sei dem doppelt so schweren Opfer körperlich unterlegen gewesen, so die Staatsanwältin weiter. Dionis A. habe sich daher zu einem Angriff von hinten entschieden und gegen 3.30 Uhr den Moment abgepasst, als Ewgeni P. ein weiteres Mal die Toilette aufsuchte.

Kräftiger Hals bewahrte das Opfer vor Schlimmerem

„Der Angeklagte hat mit Tötungsvorsatz gehandelt“, so Kuhr. Er habe heimtückisch von hinten zugeschlagen und den Hals als Ziel ausgewählt, wo eine besondere Gefahr bestanden habe. „Eine gezielte Steuerung der Tiefe des Stichs war in dem dynamischen Geschehen nicht möglich.“ Dass die Wunde keine schlimmeren Folgen hatte, habe nur daran gelegen, dass das Opfer einen besonders kräftigen Hals aufweist und seine Freunde den Angeklagten schnell vom Opfer weggezogen haben.

Kuhr forderte eine Verurteilung zu vier Jahren und drei Monaten Haft und eine Aufrechterhaltung des Haftbefehls. Verteidiger Pancic beantragte eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Ein versuchter Mord könne schon deshalb nicht vorliegen, weil der Angeklagte die Tatwaffe „so weit unten angefasst hat, dass ein tieferes Eindringen in den Hals nicht möglich war“. Der Verteidiger forderte außerdem eine Aufhebung des Haftbefehls. „Gegen eine Verschonung spricht nichts, die Fluchtgefahr ist gering.“

Demgegenüber gab als letzter Zeuge am Montag Reza S.-P. von der Mordkommission an, dass sich Dionis A. nach der bei ihm erfolgten Hausdurchsuchung am 10. Juli ins Ausland abgesetzt hat. Sein Mandant sei nicht geflohen, so Verteidiger Pancic. „Ganz im Gegenteil sogar.“ Er habe sich nach der Hausdurchsuchung über einen Anwalt erkundigt, ob ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt. „Das war zu diesem Zeitpunkt nicht der Fall, daraufhin ist er gefahren.“ Als dann später ein Haftbefehl erlassen worden sei, sei Dionis A. freiwillig zurückgekehrt. Der entschuldigte sich in seinem letzten Wort für die körperliche Attacke. Offen blieb in dem Verfahren, mit welchem scharfen Gegenstand er zustach. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden.