Halstenbek. 1145 Kilometer Weg, 20.000 Höhenmeter: Halstenbeker Martin Moschek nahm im Atlas-Gebirge an einem der härtesten Radrennen der Welt teil.

51 Länder hat Martin Moschek per Fahrrad erkundet, dabei mehr als 60.000 Kilometer zurückgelegt. Einmal im Jahr zieht der Familienvater aus Halstenbek mehrere Wochen los, um im Sattel die Welt zu erkunden. Allein radelt er mehrere Tausend Kilometer. Ohne Hektik, ohne Stress. Doch dieses Jahr war alles anders. Der 45-Jährige ging zu zweit auf Tour. Nach Marokko, als das noch möglich war. Ein Land, das er schon dreimal bereist hat. Und es ging knallhart gegen die Zeit. „Ich habe an einem der härtesten Radrennen der Welt teilgenommen“, erzählt Moschek.

Ein gemütliches Nachtlager sieht anders aus. Aber Martin Moschek hat ohnehin nicht viel geschlafen,
Ein gemütliches Nachtlager sieht anders aus. Aber Martin Moschek hat ohnehin nicht viel geschlafen, © Martin Moschek | Martin moschek


Das Atlas Mountain Race mit 198 Fahrern aus 30 Nationen fand Ende Februar zum ersten Mal statt. Startpunkt war Marrakesch. Das Ziel lag in Sidi Rabat, einem Dorf südlich von Agadir an der Atlantikküste. Zu absolvieren waren 1145 Kilometer – und 20.000 Meter Höhenunterschied. Die Route des Selbstversorgungsrennens schlängelte sich durch die abgelegenen Berglandschaften des Atlas- und Antiatlas-Gebirges – zum Großteil auf unbefestigten Straßen.

„Das war schon etwas für eine kleine Gruppe Verrückter“, sagt Moschek, der sich natürlich auch dazu zählt. Er stellte sich der Herausforderung gemeinsam mit seinem Freund Tobias aus Würzburg. Beide hatten sich vor zwei Jahren auf dem Toskana Trail kennengelernt, als es 580 Kilometer und 9000 Höhenmeter zu bewältigen galt. „Damals gab es keine Zeitbegrenzung, beim Atlas Mountain Race dagegen schon“, berichtet der Halstenbeker. Acht Tage hatten er und sein Radelpartner Zeit, die 1145 Kilometer zu absolvieren.

Ein Sportarzt musste die Leistungsfähigkeit attestieren

Mittagessen: An Verpflegungsstationen bekamen die Radfahrer Nahrung aus der Konservenbüchse.
Mittagessen: An Verpflegungsstationen bekamen die Radfahrer Nahrung aus der Konservenbüchse. © Martin Moschek | Martin moschek


„Erst einmal mussten wir uns bewerben, weil nicht jeder genommen wurde.“ Diverse Fragen waren zu beantworten, etwa zu Erfahrungen mit sogenannten Bikepackingrennen und körperlicher Fitness. Auch ein Attest von einem Sportarzt, bei dem sich der 45-Jährige einem Leistungstest unterziehen musste, war vorzulegen. „Wir haben dann schnell die Zusage erhalten. Und dann hießt es trainieren, trainieren, trainieren.“ Mitte Februar flog Moschek dann mit seiner Ausrüstung nach Marrakesch. „Natürlich konnte ich mich nicht auf ein Fahrrad von der Stange verlassen, sondern habe es aus Komponenten von überallher selbst zusammengebaut.“

Am Startpunkt bekamen die Teilnehmer eine Startnummer und einen GPS-Tracker, der ihnen den Weg wies. Die Fahrer mussten an drei mit Personal besetzten Kontrollpunkten in Telouet, Aguinane und Ait Mansour einen Stempel in ihre Teilnehmerpässe eintragen lassen, um nicht disqualifiziert zu werden.

„Jeder Kilometer der Strecke ist wirklich hart verdient“, sagt der Halstenbeker. Er und sein Teamkollege hätten sich zum Ziel gesetzt, so viel Strecke wie möglich am Tag zu absolvieren, aber trotzdem nachts einige Stunden zu schlafen. „Uns ging es nicht darum, weit vorn zu landen, sondern die Strecke in den acht Tagen zu bewältigen. Wir sind nicht auf Platzierung gefahren.“

Mit Trekkingnahrung, einigen Energieriegeln und drei Liter Wasser im Rucksack ging es an den Start. Schnell war den Radlern klar, dass die Strecke wie erwartet technisch sehr anspruchsvoll war. „Da waren viel Sand und viele Steine, es ging Berge rauf und runter und quer durch Flusstäler. Teilweise mussten wir das Rad auch tragen. Nur Asphalt gab es kaum, das Rennen fand im Wesentlichen auf unbefestigten Straßen statt.“ Abkürzen war verboten. Wer schummelte, wurde sofort disqualifiziert. Eine Überprüfung war für die Organisatoren dank des GPS-Trekkings jederzeit möglich.

Von 4.30 bis 23 Uhr im Sattel gesessen

Teilweise lagen auch große Entfernungen zwischen den Versorgungspunkten, an denen sich die Fahrer mit ein wenig Nahrung oder Wasser eindecken konnten. Martin Moschek und sein Radel-Partner hatten für den Fall der Fälle auch einen Campingkocher dabei, dazu eine Isomatte, einen Schlafsack. „Wir sind gegen 4.30 Uhr aufgestanden und bis 23 Uhr gefahren. Irgendwann wusste man nicht mehr, welcher Tag gerade ist und wo man sich befindet.“

Schieben ist das eine. Wenn auch das nicht mehr möglich ist, hilft nur noch das andere: tragen!
Schieben ist das eine. Wenn auch das nicht mehr möglich ist, hilft nur noch das andere: tragen! © Martin Moschek | Martin moschek


Die genaue Position ließ sich dank GPS schnell feststellen. Und auch Familie, Freunde und Verwandte konnten live an einer Tracking-Karte feststellen, wo sich das Zweierteam gerade befand. Die Beiden kämpften sich Tag für Tag ein Stückchen weiter in Richtung Ziel – und ließen viele der Konkurrenten zurück. „40 bis 45 Prozent der Teilnehmer mussten aufgeben.“ Einige hätten die Tortur psychisch nicht durchgehalten, andere habe eine Lebensmittelvergiftung lahmgelegt, wieder anderen seien Probleme an ihren Rädern zum Verhängnis geworden. „Die Regeln waren hart. Wir durften uns im Zweierteam gegenseitig helfen, aber nicht den anderen.“

So durften etwa Einzelfahrer nicht im Windschatten anderer fahren, Teamfahrer zumindest im Windschatten des anderen Teammitglieds. „Unsere Räder haben zum Glück durchgehalten. Ich hatte zwischenzeitlich Probleme mit der Schaltung, konnte die aber provisorisch beheben.“

Nachts wird es zu dieser Jahreszeit in Marokko empfindlich kalt, tagsüber aber bis zu 35 Grad warm. Dazu die Monotonie, stundenlang fahren, schieben, klettern. „Es ist der Kopf, der entscheidet. Aufgeben war für mich nie eine Option, ich hatte keine Zweifel, dass wir das schaffen.“ Aber wenn einer der beiden hätte aufgeben müssen, „dann wäre der andere weitergefahren. Das hatten wir so vereinbart“.

Dazu kam es zum Glück nicht. Auch den Tiefpunkt, als es bei 35 Grad Hitze vier Stunden lang nur bergauf ging, meisterten Martin Moschek und sein Teamkollege. Sie kamen letztlich in der vorgegebenen Zeit an. „Um 2.15 Uhr nachts waren wir sieben Kilometer vom Ziel entfernt. Dann standen wir vor tiefen Sanddünen, das war die letzte, große Herausforderung.“ Beide kämpften sich auch dort durch. „Die letzten zwei Kilometer führten dann über eine Straße. Im Ziel haben wir erst mal ein Bier in die Hand gedrückt bekommen.“

Das Ganze sei, so Martin Moschek, eine „unendliche Plackerei“ gewesen. Aber es habe sich gelohnt – allein schon wegen der faszinierenden Landschaft und den fantastischen Sonnenaufgängen. Der Halstenbeker hat „Blut geleckt“ und will weiter trainieren. „Mein Ziel ist es, im nächsten Jahr ein weiteres Rennen dieser Art zu absolvieren.“ Der 45-Jährige liebäugelt mit einer Teilnahme am Silk Road Mountain Race, das noch eine Spur härter ist als das Schwester-Rennen in Marokko.

Beim Silk Mountain, das immer Ende August stattfindet, sind 1700 Kilometer Strecke bei 31.000 Höhenmetern in Kirgisien zu absolvieren. 2019 nahmen 135 Teilnehmer aus 27 Ländern teil. nur 71 überfuhren die Ziellinie. 2021 will Martin Moschek einer derjenigen sein, die diese Strapaze bis zum Ende durchsteht.