Wedel. Islamist gilt als guter Bekannter des Attentäters von Wien: Bevor er nach Wedel zog, wurde er in Hamburg wegen IS-Umtrieben verurteilt.

Eine Spur des Attentäters von Wien – sie führt nach Hamburg und weiter in den Kreis Pinneberg. In Wedel haben Freitagmorgen Fahnder des Bundeskriminalamtes eine Wohnung in einem größeren Mehrfamilienhaus durchsucht. Hier wohnt seit Kurzem Anzor W. (22), der als guter Bekannter des Wien-Attentäters Kujtim F. gilt.

Dieser hatte vergangenen Montag in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und 23 teilweise schwer verletzt, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Vor der Tat soll der 20-Jährige mit mindestens vier Islamisten aus Deutschland regelmäßigen Kontakt über den Messengerdienst Telegram gehalten haben. Die Wohnungen dieser vier jungen Männer ließ das BKA am Freitag durchsuchen.

Islamist aus Wedel wurde in Hamburg wegen IS-Umtrieben verurteilt

Einer von ihnen ist Anzor W., der laut den Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ noch bis vor Kurzem mit seiner Familie in Wien gelebt haben soll. Ob er dabei mit dem späteren Attentäter in persönlichem Kontakt stand, ist offenbar Gegenstand der Ermittlungen.

Nach Abendblatt-Informationen ist der 22-Jährige erst seit wenigen Wochen in Wedel gemeldet, soll dort in einer kleinen Wohnung in dem großen Wohnblock leben. Anzor W. steht unter einer laufenden Bewährung, die sich aus einem Urteil des Landgerichts Hamburg ergibt. Dort musste er sich von Oktober 2017 an gemeinsam mit fünf weiteren Angeklagten im Alter zwischen 17 und 26 Jahren verantworten. Die islamistisch-salafistisch radikalisierten Männer hatten im April 2017 versucht, nach Syrien auszureisen und sich den Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS) anzuschließen.

Anzor W. wollte nach Syrien reisen und sich dort dem IS anschließen

Laut dem Anklagevorwurf hatten die Angeklagten sich ab Juli 2015 radikalisiert und sich der salafistisch-jihadistischen Szene angeschlossen. Sie sollen dann ab März 2016 ihre Ausreise nach Syrien geplant haben, um sich dort dem IS anzuschließen, im Jihad zu kämpfen und sich im Umgang mit Waffen, Sprengstoffen und Kampftechniken unterweisen zu lassen.

Die dort gesammelten Erfahrungen wollten sie laut der damaligen Anklage für die Begehung einer Gewalttat zur Unterstützung des IS inner- oder außerhalb Syriens nutzen. Eine konkrete Anschlagsplanung war nicht Gegenstand der Anklage und wurde auch während der Hauptverhandlung nicht festgestellt.

Gruppe junger Islamisten reiste von Hamburg ab

Die sechs jungen Männer sollen dann am 7. April 2017 vom Hamburger Hauptbahnhof aus mit dem Zug in Richtung Türkei aufgebrochen sein, um von dort weiter nach Syrien zu reisen. Nachdem einer der Angeklagten (17) bereits an der österreichisch-ungarischen Grenze mit fremden Ausweispapieren aufgefallen sei, seien die übrigen Angeklagten am 11. April 2017 in Bulgarien von Grenzbeamten an der Weiterreise in die Türkei gehindert und nach Deutschland zurückgebracht worden. Dort wurden sie am 20. April 2017 verhaftet und saßen bis zum Prozess in Untersuchungshaft.

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Das Verfahren vor dem Landgericht Hamburg startete am 16. Oktober 2017 und umfasste diverse Termine, bis es am 15. Februar 2018 dann zur Urteilsverkündung kam. Pressevertreter und Öffentlichkeit waren nur zur Verlesung der Anklageschrift zugelassen. Weil auf der Anklagebank eine sowohl Minderjährige als auch Erwachsene saßen, wollte das Gericht nicht in öffentlicher Sitzung die persönliche Geschichte und die Radikalisierung der Angeklagten erörtern.

Anzor W. wurde in Hamburg zu einer Bewährungsstrafe verurteilt

Anzor W. war zum Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens noch in Hamburg gemeldet, ebenso wie zwei seiner Komplizen. Zwei weitere kamen aus Schleswig-Holstein, einer aus Niedersachsen. Den Männern drohte eine Strafe von bis zu zehn Jahren. Der jetzige Wedeler legte nach Abendblatt-Infos ein Geständnis ab. Er wurde gemeinsam mit einem weiteren geständigen Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt – wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.

Dem zweiten Vorwurf liegt ein Vorfall vom 3. März 2017 zugrunde, der sich auf einem Parkplatz an der Danziger Straße in Hamburg ereignet hat. Anzor W. und drei der Mitangeklagten sollen sich anlässlich einer Polizeikontrolle geweigert haben, sich auszuweisen. „Nur Allah kann mir etwas sagen“, soll einer der Jugendlichen gesagt haben. „Euer System gilt für mich nicht.“ Als die Beamten versuchten, die Identität der Männer mit Zwangsmitteln festzustellen, setzten sich die Heranwachsenden massiv zur Wehr.

Islamist aus Wedel gilt als Zeuge – nicht als Beschuldigter

Für Anzor W. setzte das Gericht die Bewährungszeit auf drei Jahre fest und ordnete Meldeauflagen für den heute 22-Jährigen an. Seit seinem Umzug nach Wedel muss er sich einmal wöchentlich auf dem Polizeirevier der Rolandstadt melden und seinen Ausweis vorlegen. Dabei soll er stets höflich und zurückhaltend sein. Weiteren Kontakt hatten die Wedeler Polizisten mit dem jungen Mann nicht – bis Freitag.

Nach Abendblatt-Informationen forderten die BKA-Kräfte Amtshilfe von den örtlichen Kollegen an, die den 22-Jährigen zum Verhör in die Räume der Pinneberger Kripo brachten. Anzor W. kam am Nachmittag dann wieder frei. Er gilt offenbar zunächst nur als Zeuge, nicht als Beschuldigter. Der 22-Jährige hat die deutsche Staatsbürgerschaft, ist jedoch nicht in Deutschland, sondern in der zentralasiatischen Republik Kirgisistan.