Uetersen. Alexander Lipski soll in seinem Geschäft Materialien “mit nationalsozialistischem Hintergrund“ gezeigt haben. Was er dazu sagt.

Was für Plakate darf ein Apotheker in seinem Geschäft aufhängen, welche Informationen auslegen, wofür werben? Und wann ist die Grenze des Rechts auf freie Meinungsäußerung überschritten? Das sind Fragen, denen die Apothekerkammer Schleswig-Holstein, sie vertritt gut 600 Apotheken im Land, gerade nachgeht.

Die Berufsvertretung hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Sonnen-Apotheke an der Schanzenstraße in Uetersen (Kreis Pinneberg) eingeleitet. Das bestätigt Kammer-Justiziar Karl-Stefan Zerres auf Abendblatt-Anfrage. „Wir lassen prüfen, ob der Betreiber die Pflichten einer Apotheke verletzt hat.“

Der Kammer sind aus der Bevölkerung Hinweise auf Aufkleber und Plakate in den Geschäftsräumen zugespielt worden, die beanstandet werden könnten, dazu Fotos. Es gehe auch um Material, das "einen nationalsozialistischen Hintergrund aufweist“, sagt Zerres. Internetadressen darauf führten zu Portalen und Online-Shops, „die alles an Merchandising vertreiben, was rechtsorientierte oder die dem Nationalsozialismus nahestehende Menschen gern kaufen“, berichtet der Kammer-Justiziar.

Ehemaliger Staatsanwalt führt Ermittlungen

Ob so etwas noch dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entspreche, oder ob „Regeln verletzt werden, die das Vertrauen in eine Apotheke erschüttern“, solle nun geklärt werden, sagt Zerres. Denn ein Apotheker genieße ähnlich wie ein Arzt „besonderes Vertrauen“ in der Bevölkerung. „Es geht darum, ob dieses besondere Vertrauen hier erschüttert oder beeinträchtigt worden ist“, erklärt Zerres. „Das sind höchst interessante Fragen, die jetzt untersucht werden müssen.“ Ein ehemaliger Staatsanwalt werde der Sache auf den Grund gehen und der Apothekerkammer dazu einen Bericht vorlegen, kündigt Justiziar Zerres an.

Ein Absender der Beschwerden ist die Antifaschistische Initiative (Antifa) des Kreises Pinneberg, deren Mitglieder der Apotheke bereits seit Längerem vorwerfen, in den Geschäftsräumen "Nazi-Propaganda" zu betreiben. Für das Abendblatt ist niemand von der Initiative zu erreichen, auf ihrer Internetseite sind jedoch recht detaillierte Vorwürfe zu finden: Flyer der AfD hätten inder Apotheke ausgelegen. Plakate gegen Organspenden („Wir sind nicht das Ersatzteillager der Elite“) und Parolen wie „Umweltschutz bedeutet Heimatschutz“ seien dort aufgehängt gewesen.

Zudem habe es Schilder und Aufkleber aus der Zeit des Nationalsozialismus' gegeben, auf denen etwa zum Verzehr von Vollkornbrot aufgefordert worden sei. Auf einem weiteren Aushang habe gestanden: „Esst deutsches Obst“. Das Material werde von bekannten Neonazis auf deren Portalen vertrieben, heißt es seitens der Antifa. Auch Infomaterial von Lockdown-Kritikern, Impfgegnern und Maskenverweigerern soll es für jedermann sichtbar in der Apotheke gegeben haben.

Apotheker spricht von "Schmutzkampagne"

Alexander Lipski (50), der die Sonnen-Apotheke nach eigenen Angaben seit 17 Jahren in Uetersen betreibt, widerspricht der Kritik auf Abendblatt-Anfrage vehement. „Das ist eine Schmutzkampagne gegen mich persönlich“, sagt er, eine Schmutzkampagne, die die Antifa-Gruppe schon seit Jahren gegen ihn vorbringe. „Das ist eine Verleumdung ohnegleichen. Sie verbreiten nichts als Lügen, verdrehen und verfälschen die Tatsachen“, wehrt sich der Pharmazeut. Bloß weil er Plakate aus den 1920er- und 1930er-Jahren aufhänge, werde er in Misskredit gebracht, indem die Dinge völlig aus dem Zusammenhang gerissen würden.

Ob die verbreiteten Aussagen auf den im Schaufenster der Apotheke ausgestellten Plakaten und Schriften tatsächlich einen engen Bezug zur menschenverachtenden Nazizeit aufwiesen, sodass sie das Ansehen des Berufsstands der Apotheker beschädigten, soll nun die Prüfung des beauftragten Ex-Staatsanwaltes ergeben, kündigt Karl-Stefan Zerres von der Apothekerkammer an.

Wenn der Bericht vorliege, werde der Vorstand der Kammer über mögliche Konsequenzen beraten. Diese könnten bis zur Aberkennung des Berufswahlrechts für den betroffenen Apothekers reichen, sodass dieser „sich nicht mehr zur Wahl stellen dürfte“, so Zerres. Er fügt hinzu: „So einen Fall hatten wir bislang noch nicht.“ Aber auch eine Geldbuße sei möglich. Zerres sagt, er rechne damit, dass der Fall letztlich von einem Gericht entschieden werden könnte.

Apotheker hat ein Faible für Geschichtliches

Außer Frage steht, dass Apotheker Alexander Lipski einen Hang zu historischen Aussagen und Ereignissen hat, den er auch in seiner Freizeit zeigt. So hat er schon vor Jahren in Quickborn eine Art Museum über den Kalten Krieg eingerichtet. Darin beschreibt er anhand von Dokumenten, Schautafeln, Film- und Tonaufnahmen, wie die behördlichen Abläufe im Falle eines Atomkriegs gewesen wären und welche geringen Vorwarnzeiten es für die betroffene Bevölkerung bei einem Luftangriff gegeben hätte.

Er selbst habe von 1987 bis 1997 seinen Wehrersatzdienst in einem der damaligen Warnämter abgeleistet, von denen aus die Bevölkerung über einen eventuellen Ernstfall hätte informiert werden sollen. „Ich wollte für die Nachwelt bewahrend dokumentieren, mit welchen Mitteln die deutschen Behörden im Kriegsfall für unsere Sicherheit sorgen wollten“, erklärte Lipski seine Motivation vor einigen Jahren während einer Führung durch sein Museum.

Warnamt in Hohenwestedt wurde 1998 aufgelöst

Als das Warnamt in Hohenwestedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) 1998 aufgelöst wurde, ließ Alexander Lipski Einrichtung und Gerätschaften in sein Quickborner Backsteinhaus nahe der Bundesstraße 4 bringen, in dem er das Amt nach und nach originalgetreu wieder aufbaute.

Überraschend für den Besucher ist dabei, dass in den Warnämtern einem Atomkrieg und dessen Folgen mit analoger Fernmeldetechnik begegnet werden sollte, die noch während des Zweiten Weltkriegs entwickelt worden und deshalb zuletzt vollkommen veraltet war. Auffällig ist das kleine Privatmuseum auch von draußen. Auf einer roten Emailletafel etwa ist in weißer Schrift zu lesen: „Sperrgebiet – Betreten verboten!“

Den aktuellen Anschuldigungen gegen ihn und seine Apotheke kann Alexander Lipski übrigens durchaus auch etwas Positives abgewinnen. „Wir haben auf einmal einen enormen Zulauf von Patienten in der Stadt, die bisher nicht zu uns gekommen waren."