Kreis Pinneberg. Blutreserven sinken, Kliniken operieren wieder. Welche Lösung es für den diskreten Rücktritt von der Blutspende gibt.

Blutkonserven sind zurzeit ein rares Gut – nicht nur im Kreis Pinneberg. Die Pandemie, ausgefallene Spendetermine, verschobene Operationen und eine gesunkene Bereitschaft haben das Angebot verknappt. Hinzu kommt, dass einige hilfreiche Bevölkerungsgruppen nach wie vor de facto ausgeschlossen werden.

Regelung für homo- und bisexuelle Männer diskriminierend?

Homo- und bisexuelle Männer etwa dürfen nach einer Richtlinie der Bundesärztekammer von 2017 zwar spenden, allerdings nur, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex mit einem Mann hatten. Diese Regelung hält Michael Lozek, Leiter des DRK-Blutspendedienst Nord-Ost mit Sitz in Lütjensee, für diskriminierend. Zudem sei die Frist von einem Jahr willkürlich gewählt. Nachvollziehbar wäre seiner Ansicht nach ein Zeitraum, der sich am „diagnostischen Fenster“ orientiert. So lässt sich etwa mit einem üblichen Antikörpertest eine HIV-Infektion nach sechs Wochen ausschließen.

Der Gefährdung anderer durch eine noch unentdeckte HIV-Infektion müssten sich im Übrigen alle Blutspender bewusst sein, auch die heterosexuellen. Ihnen steht mit dem „vertraulichen Selbstausschluss“ eine diskrete Hintertür offen. Dabei handelt es sich um zwei äußerlich identische Aufkleber mit Barcode, von denen jeder Blutspender einen verwenden muss.

Der eine bedeutet: alles okay. Der andere ist ein Hinweis, dass eigene Zweifel bestehen und das Blut nicht verwendet werden darf. So können sich Menschen aus der Affäre ziehen, die etwa im Kreis ihrer Feuerwehrkameraden Blut spenden, es aber wegen eines vorangegangenen Seitensprungs nicht tun dürften. Eine Situation, die nach Lozeks Worten allerdings nur „äußerst selten“ vorkommt, vielleicht in einem von 120.000 Fällen.

88-jähriger, gesunder Mann darf trotz Attest nicht spenden

Michael Lozek aus Wedel arbeitet seit 37 Jahren beim DRK-Blutspendedienst Nord-Ost, der auch den Kreis Pinneberg abdeckt
Michael Lozek aus Wedel arbeitet seit 37 Jahren beim DRK-Blutspendedienst Nord-Ost, der auch den Kreis Pinneberg abdeckt © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Die aktuelle Blutknappheit ist nach Angaben des Blutspendedienstes auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen: Krankenhäuser haben noch immer einen immensen Nachholbedarf, weil Operationen oder Krebstherapien verschoben worden sind, bei denen Blutkonserven beziehungsweise Bestandteile davon gebraucht werden. „Das ist natürlich auch eine Auswirkung der Corona-Pandemie“, sagt Michael Lozek. „Dadurch, dass die Prioritäten bei vielen Menschen nach dieser langen Zeit der Pandemieeinschränkungen derzeit auf Freizeit und Urlaub liegen, nehmen viele unserer Dauerspender ihre heimatlichen Blutspendetermine nicht wahr.“

Ein weiterer Punkt: die Blutprodukte sind nur relativ kurz haltbar. Erythrozyten-Konzentrate können 35 Tage aufbewahrt werden, Thrombozyten-Konzentrate lediglich vier Tage. Bedingt durch vermehrtes Arbeiten im Homeoffice vieler Beschäftigter konnte das DRK in den vergangenen Monaten angestammte Firmentermine in Schleswig-Holstein und Hamburg nicht durchführen. Auch Blutspendetermine in Berufsschulen, Unis oder Fachhochschulen mussten ausfallen.

Spendenbereitschaft steigt wieder

Ein weiterer Grund für die Blutkonservenknappheit ist auch die Tatsache, dass einige Spendelokale in kleineren Gemeinden in Pandemiezeiten für eine Aktion nicht geeignet sind. „Selbst die Einführung der Terminreservierung vor gut einem Jahr konnte das nicht verhindern“, sagt Lozek.

Er beobachtet jedoch, dass die Spendebereitschaft momentan wieder steigt. So war ein Blutspendetermin am Dienstag mit 83 Spendern ausgebucht. Und auch der Erstspendetermin in Seeth-Eekholt, der auf Initiative der Feuerwehr-Frauen vom DRK vor Ort organisiert wird, ist mit 63 Anmeldungen sehr erfolgreich. „Ein Grund dafür ist sicher leider auch die Überschwemmungskatastrophe in Deutschland“, sagt der Wedeler. „Solche Katastrophen sensibilisieren uns jedes Mal, auch für das Blutspenden.“ So war auch nach dem verheerenden Tsunami in Asien im Dezember 2004 die Spendenbereitschaft vor allem an Erstspendern schlagartig gestiegen.

Genau beziffern lässt sich der Rückgang an Blutspenden im Kreis Pinneberg leider nicht. Das DRK musste 2020 diverse Blutspendetermine ausfallen lassen, da der Fokus der Kliniken auf ihren Intensivstationen lag und somit der Bedarf an Blutkonserven merklich zurückging. „Normalerweise müssen wir täglich auf rund 500 Blutkonserven kommen“, sagt Lozek.

Nur jeder Vierzigste Pinneberger spendet Blut

Der Blutspende-Experte hat eigentlich Architektur studiert, kam vor 36 Jahren aber als Zivildienstleistender zum DRK-Blutspendedienst und blieb. Um auf 500 Konserven zu kommen, sind acht bis neun Blutspendetermine pro Tag notwendig. Während der Pandemie wurde die Zahl auf 200 Konserven reduziert. „Jetzt fahren wir wieder auf 110 Prozent hoch“, sagt er. Der Grund: viele Operationen in Kliniken werden nun nachgeholt.

Grundsätzlich spenden nur 2,6 Prozent der Menschen im Kreis Pinneberg Blut. „Allgemein stellen wir fest, je kleiner der Ort, desto höher der Prozentsatz“, sagt Lozek. Und je dichter der Ort an Hamburg liegt, desto größer scheint die Ablenkung. „Dithmarschen, wo es vergleichsweise wenig Freizeitangebote gibt, ist eine Hochburg der Blutspender“, sagt er. Aber: „Unser Pfund: wir fahren zu den Spendern.“ 1,8 Kilometer – weiter wollen Spender statistisch nicht fahren.

Wer Blut spenden darf – und wer nicht

Blutspenden darf man als Erstspender zwischen 18 und 65 Jahren, als Mehrfachspender bis ein Tag vor dem 73. Geburtstag. So ist es im Transfusionsgesetz festgelegt. Ausnahmen sind nicht möglich, auch nicht im Fall eines blutspendewilligen 88-Jährigen, der kürzlich mit einem Attest seines Hausarztes vorbei kam. „Der war kerngesund. Spenden durfte er leider trotzdem nicht“, so Lozek.

Der weibliche und männliche Anteil der Spender liegt bei jeweils 50 Prozent. Einen Unterschied gibt es aber: Männer dürfen sechsmal im Jahr im Abstand von acht Wochen jeweils einen halben Liter Blut spenden, Frauen wegen der Menstruation und des niedrigeren Hämoglobingehaltes nur viermal. „Unser Mehrfachspenderstamm altert“, sagt Lozek. Es kommen zu wenig Junge nach.

Wo die Blutkonserven zum Einsatz kommen

Die Blutkonserven, die je nach Bedarf an mehr als 80 Kliniken in Hamburg und Schleswig-Holstein verteilt werden, werden in der Zentrale in Lütjensee auf Krankheiten untersucht und in ihre Bestandteile zerlegt. Der Vorgang, bei dem drei Komponenten durch Zentrifugieren voneinander getrennt werden, nennt sich Fraktionierung. „Das Plasma ist am leichtesten und setzt sich oben ab“, erklärt der Experte. Es kann bei minus 40 Grad Celsius eingefroren und so zwei Jahre aufbewahrt werden.

Die roten Blutkörperchen, auch Erythrozyten genannt, können bei vier bis acht Grad fünf Wochen lang aufbewahrt werden. Die Blutplättchen (Thrombozyten), die Wunden schließen, müssen ständig bewegt werden und sind nur vier Tage haltbar. „Nicht aus allen Blutspenden werden Thrombozyten gefiltert, weil der Aufwand horrend ist und die Herstellung etwa 24 Stunden dauert“, sagt Lozek.

Benötigt werden die Blutspenden in erster Linie von Krebspatienten, die nach einer Chemotherapie frisches Blut benötigen, gefolgt von Herzkranken und Patienten mit Magen- und Darmerkrankungen. Erst an vierter Stelle stehen die Konserven für Unfallopfer.

Alle DRK-Blutspendetermine in Schleswig-Holstein und Hamburg unter https://blutspende-nordost.de/blutspendetermine. Weitere Information auch unter der kostenlosen Hotline 0800/119 49 11. Für alle DRK-Blutspendetermine ist die Buchung einer festen Spendezeit vorab unbedingt erforderlich.