Pinneberg. Eine Plakette ans Nummernschild. Jana van der Pütten ist erste Tüv-Stationsleiterin in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Frauen können nicht einparken, interessieren sich nicht für Autos und sind in technischen Fragen die falschen Ansprechpartnerinnen. Wie war das gleich noch mit Klischees und Vorurteilen? Tatsache ist, dass Frauen in technischen Berufen noch immer in der Minderheit sind. Jana van der Pütten kann das nicht verstehen.

Vier Hebebühnen stehen in einer großen Halle nebeneinander. Der Betonboden ist dunkel, die hohen Wände sind weiß gestrichen, durch vier Garagentore können Fahrzeuge hinein und wieder hinaus fahren. Jana van der Pütten schiebt einen Strahler vor ein rotes Auto. Die Motorhaube ist offen, das Licht scheint auf das Innenleben des Wagens. Wir sind beim Tüv in Pinneberg.

Jana van der Pütten ist eine der jüngsten Stationsleitungen im Norden – und zudem die erste und einzige Frau in ganz Schleswig-Holstein und Hamburg in dieser Position. „Ich bin dafür zuständig, die Station in der Spur zu halten“, sagt die 30-Jährige über ihre neue Stelle, während sie durch ihr Reich führt. Das Metall der Hebebühne knallt unter ihren Arbeitsschuhen, sie zupft ihre beigefarbenen Handschuhe zurecht und drückt auf einen Knopf. Die Hebebühne setzt sich piepend in Bewegung, aufwärts. „Das ist nicht die Schokoladenseite des Wagens“, sagt sie und meint damit die ungeputzte Unterseite. Sie holt eine Lampe aus ihrer blauen Jacke und begutachtet die Reifen des roten Autos.

Direkt nach ihrem Bachelorabschluss in Maschinenbau im Juli 2017 begann Jana van der Pütten ihre Ausbildung zur Prüfingenieurin beim Tüv Nord. Schon in der Schule begeisterte sie sich für Technik. „Für mich war das Studium der logische Schritt. Ich war mir da schnell sicher“, sagt sie. Neun Monate dauerte ihre Ausbildung, in der sie zusätzlich alle Führerscheine, die ihr fehlten, bestand und schließlich nach einer „Prüferprüfung“ ihre staatliche Zulassung erhielt. Bis zu ihrer Beförderung arbeitete sie als Gebietsingenieurin in der technischen Überwachung für alle Fahrzeugklassen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Nun leitet sie ihre Mitarbeiter und die organisiert die Station an der Flensburger Straße. Sie ist quasi das Aushängeschild der Station, kümmert sich um Beschwerden und Probleme, organisiert Termine. Gerade diese Verantwortung reizte sie, sich auf die Stelle zu bewerben. „Meine Vorgesetzten gaben mir viel positives Feedback, sodass ich mir die neuen Aufgaben zutraute“, sagt sie.

Von der Prüfhalle geht sie durch eine Glastür in den Mitarbeiterbereich. Sechs Tische stehen im Raum, blaue Stühle dahinter. Fünf dieser Tische ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einer für sie selbst. „Es gibt keine starken Hierarchie“, sagt die Stationsleiterin. Mehr sei es ein Geben und Nehmen. Die, die länger im Beruf sind, helfen ihr momentan bei der Einarbeitung, denn die letzten drei Jahre arbeitete van der Pütten im Außendienst. Sie prüft erst seit Kurzem in der eigenen Station. „Ich kann viel von ihnen lernen“, sagt sie. Und wenn es um neuere Prüfverfahren geht, so wisse sie mehr. Auch ihr Teamleiter, der allen Stationsleitern in Schleswig-Holstein und Hamburg vorgesetzt ist, hilft ihr bei Fragen und Schwierigkeiten – ein wenig wie ein Mentor.

Getunte Wagen prüft sie besonders gern

Mit den Kunden macht van der Pütten gute Erfahrungen. Skepsis ihr gegenüber wegen ihres Alters oder ihres Geschlechts habe sie noch nicht erlebt. Doch auch hier wird deutlich, dass das Bild eines Prüfers in den Köpfen der meisten noch männlich ist. „Ich höre oft so was wie: Oh, eine Frau beim Tüv, das habe ich ja noch nie gesehen“, sagt sie. Aber die Kunden zeigten sich offen.

„Der Beruf ist sehr abwechslungsreich“, sagt Jana van der Pütten, die mit ihrem Freund in Hamburg lebt. Kein Fahrzeug sei wie das andere. Getunte Wagen prüfe sie besonders gern. Die Besitzer erzählten ihr manchmal lange Geschichten über ihre Autos.

Zwei weitere Frauen arbeiten in der Pinneberger Tüv-Station. „Schade, dass es so ein männlich dominierter Beruf ist“, sagt sie. Sie wünscht sich, dass mehr Frauen den Tüv als Arbeitgeber in Erwägung ziehen, denn „wer Interesse an Fahrzeugen hat und technisch begeistert ist, ist hier richtig.“ Völlig unabhängig vom Geschlecht.

Die Prüfung der Fahrzeuge ist inzwischen weit theoretischer als noch vor einigen Jahren. „Um zum Beispiel eine Einparkhilfe zu prüfen, setzen wir uns jetzt nicht ins Auto und parken ein“, sagt van der Pütten. Um solche Fahrassistenzsysteme zu prüfen, verwendet der Tüv ein spezielles System, das mit einem Adapter in den Wagen „eingestöpselt“ wird. Die Daten, die das System ausgibt, gleichen die Prüfer mit einer Liste ab und untersuchen die Zahlen auf Abweichungen. Jana van der Pütten kennt es nicht anders, so führt sie die Hauptuntersuchungen schon seit Beginn ihrer Ausbildung durch. Sie könne sich vorstellen, dass es im Vergleich zu früher aufwendiger ist. Schließlich ist es ein zusätzlicher Bereich, der überprüft wird.

In der Zukunft plant sie Aktionstage. Zum Beispiel solche, an denen nur Motorräder geprüft werden. Oder einen Frauentag, an dem sie und ihre Kolleginnen die Autos weiblicher Kunden prüfen.

Was die Zukunft auch bringen mag, letztendlich ist ihr wichtig, dass „jeder Kunde zufrieden unseren Hof verlässt – ob mit oder ohne Plakette.“